Band 3 von Guy Schons' großer Putty-Stein-Biographie ist vor kurzem im Selbstverlag des Autoren erschienen, und, wie seine Vorgänger, reich bebildert und dokumentiert, sowie mit einer umfangreichen Bibliographie, einem Glossar, Bildnachweisen, sogar Errata versehen. Eine grundsolide Arbeit, unseres Erachtens nach, und eine Fundgrube für jeden, der sich für Kultur, Soziologie, Geschichte und, natürlich, Musik der Putty-Stein-Ära interessiert. Denn Guy Schons führt mühelos den Beweis, dass der umtriebige Chansonnier und Kabarettist, sowie der große Kreis seiner Freunde, Konkurrenten, Epigonen, Mitschreiber und Mitstreiter, tatsächlich ein Kapitel für sich in der Luxemburger Kulturgeschichte und im Luxemburger Gesellschaftsleben darstellt. Nach dem zweiten Weltkrieg und viel später noch auf den Wellen von Radio Lëtzebuerg waren die Chansons, die Revue- und Kabarett-Texte der "Assoss", der "Manaca" und unter welchen organisatorischen Fahnen Putty Stein auch immer mitritt, praktisch schon zu "Klassikern" geworden, die oft, ohne Erinnerung an die Entstehungsgeschichte eines Liedes, begeistert "weitergesungen" und variiert wurden.
Natürlich wurde Putty Stein bis zu seinem Tode im Jahre 1955 hoch geehrt und gefeiert, denn sein unverwechselbarer, eleganter Stil suchte und sucht bis heute seinesgleichen. Im Kontrast zur Leichtigkeit eines Putty Stein, dann der blutige, bodenständige Schwulst von VdB-Propagandaliedern und der, aus heutiger Sicht, vielleicht nicht weniger suspekte exaltierte Trallala-Nationalismus eines "Siggy vu Lëtzebuerg". Besser wie durch einfaches Gegenüberstellen der Originaltexte kann man den Unterschied zwischen Satire, Poesie und konservativer Propaganda nicht darstellen. Schlechte Gedichte und bescheuerte Hymnen haben schon etwas mit Menschenverachtung zu tun. Deshalb lesen sich ganze Teile von Guy Schons' Buch fast schon wie eine Hagiografie. Es sind allesamt Kommentare aus der Feder von Putty Steins Freunden. Aber die genauso bärbeißigen wie im Brustton tiefster Überzeugung vorgebrachten Gegenkommentare aus dem kirchlichen und nationalistischen Lager, ebenfalls akribisch dokumentiert, bieten einen manchmal urkomischen Kontrast hierzu. Und so entsteht, praktisch im "Ping-Pong" von Verklärung und Verdammnis ein lebendiges, packendes Portrait der Luxemburger Kulturszene aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, ihrer Leiden, ihrer Freude über die Befreiung von den Nazis, ihrem Widerstand gegen die "Klerisei", ihrer Lieben, Liebschaften und Besäufnissen.
Schons betätigt sich mit Diskretion und Genauigkeit als Chronist eines Erbes, das wir "Luxemburger Folklore" nennen, denn Putty Stein ist einer der wenigen "Liedermacher" aus der Vorkriegszeit, deren Werke wirklich zu "Volksmusik" à la Luxembourgeoise wurden. Der Geist von Monseigneur Koppes möge uns verzeihen, aber wer kennt heute noch den bulligen Bischof und Entdecker der Mystikerin Klara Moes (alias "Wupp"), dessen Soutane von den Pfeilen eines Putty Stein und eines Lexy Brasseur ("unter wieherndem Gelächter", wie das Wort vermeldete) nachhaltig durchlöchert wurde? Aber diese kulturellen "Hauts faits d'armes" des hauptstädtischen Liberalismus und Antiklerikalismus sind nur ein Teil von Putty Steins literarischer Motivation. Zarte Liebeslieder, verspielte Burlesken, oft sehr sanft und gefühlvoll im Ton, und dann wahre Perlen wie De schéine Poli oder D'Quiselchen belegen eindrucksvoll, dass der geniale Amüseur und frohe Zecher Putty, der die Herren im Arbed-Casino praktisch non-stop unterhalten konnte, auch ein exzellenter Psychologe war. Und ergänzend dazu, mit Texten und Liedern, dokumentiert Guy Schons ein pralles Stück Luxemburger Leben, indem er Lieder von Putty Steins Zeitgenossen wie Blondinchen, D'Lidd vum Théiwesbue, Manila, D'Hechtecher aus der Stat, Den Zuang wieder in ihren historischen Kontext setzt, Originalversionen, Originaltexte recherchiert und so ihre Autoren und Komponisten dem Vergessen entzieht. Band 1 und Band 2 wurden schon von der Kritik gebührend gefeiert. Wir begnügen uns also damit, Band 3 als krönenden Abschluß einer großartigen Recherche-Arbeit zu würdigen und empfehlen jedem, dieses Buch nicht nur zu lesen, sondern vor allem: zu singen.
Guy Schons, Putty Stein 1888-1955 und die populäre Musik seiner Zeit, Band 3, 295 Seiten, ISBN 2-9599911-3-3