Geschichtsbücher gehören zum einträglichsten Geschäft des hiesigen Verlagswesens. Was lag also näher als die bevorstehende Jahrhundertwende, um den Verkauf frisch bedruckten Papiers anzuregen?
Wie jede Festschrift zum Jahrestag einer Dorfkapelle belegt, ist die Chronik die bei Lokalhistorikern beliebteste Form der Geschichtsschreibung. Denn, mit Ausnahme von François Lascombes Chronik der Stadt Luxemburg, entbindet sie die Autoren von jeder Pflicht, die Geschichte zu verstehen und ihre Zusammenhänge zu beschreiben.
Mariette Leuck und Guy Tholl legen mit dem Panorama 1900-2000 eine Mischung aus den bunten und schweren Harenberg-Chroniken und P.J. Mullers Tatsachen aus der Geschichte des Luxemburger Landes vor. Doch ihr Panorama reicht nicht einmal an die tendenziösen und fehlerhaften Vorlage heran.
Die internationalen Eintragungen wurden meist wörtlich der Chronique du 20e siècle entnommen, angereichert mit zum Teil schamlos anachronistischen Fotos und Bildkommentaren von atemberaubender geistiger Schlichtheit. Über das Geschehen im Großhezogtum, wohl der wichtigste Kaufanreiz für das Buch, wird bestenfalls mit vier oder fünf kurzen Notizen pro Jahr berichtet, manchmal auch nur mit einigen belanglosen Fotos. Als Quellen dienten in erster Linie alte Jahrgänge des hauseigenen Luxemburger Wort und Marienkalenders, von denen nicht nur der antiquierte Stil übernommen wurde, sondern auch die einseitige Themenauswahl: Wahlen und Regierungsbildungen kommen beispielsweise Jahrzehnte lang nicht vor, während die Liebhaber toter Bischöfe ausführlich auf ihre Kosten kommen.
Leider wird auch der sich eher an die Liebhaber des Müllsortierens und von Amnesty-Kerzen richtende Lëtzebuerger Almanach vum Joerhonnert seinem Anspruch nicht gerecht. Denn in seiner wahllosen Zusammenstellung unterscheidet sich das Jahrhundertwerk nicht von den Jahresalmanachen, die der Verlag Guy Binsfeld zwischen 1985 und 1989 herausgab. Selbst die hysterische Werbegraphik des Layouts kann die bereits beim Durchblättern aufkommenden Langeweile nicht verhindern: Bis auf drei oder vier mit Recherchen verbundene Beiträge hat man nämlich den Eindruck, alles schon einmal so oder so ähnlich gelesen zu haben.
Die meisten Autoren scheinen im Zeitalter des Recyclings eher lustlos einen weiteren Beitrag über das ewig gleiche Thema, über das sie schon immer schrieben, abgegeben zu haben. Alle altbekannten Autorinnen und Autoren, von André Heiderscheid über Ben Fayot bis Lucien Blau, verzichten auf jeden gewagten Gedanken zum "Age of Extremes", der die nationale Eintracht zwischen Axa- und Luxair-Reklamen stören könnte.
Trotz des aufgeblasenen Titels bemüht sich das von Gilbert Trausch herausgegebene Le Luxembourg au tournant du siècle et du millénaire mit Beiträgen von zehn Autoren um Seriosität. Das gilt auch für die vom Statec herausgegebene L'économie luxembourgeoise au 20e siècle, an der 29 Autoren mitarbeiteten. Ob beide Bände ihren Ansprüchen gerecht werden oder bloß zwei weitere kostspielige Geschenkalben mit Zusammenfassungen und Wiederholungen früherer Veröffentlichungen sind, konnte allerdings nicht überprüft werden. Bei Redaktionsschluss dieser Buchbeilage waren sie noch nicht erschienen.
Mariette Leuck, Guy Tholl: Panorama 1900-2000. Éditions Saint-Paul, Luxemburg 1999, 260 S., 1 980 Fr.
Lëtzebuerger Almanach vum Joerhonnert, Éditions Guy Binsfeld, Luxemburg 1999, 656 S., 1 999 Fr.
Gilbert Trausch (Hsg.): Le Luxembourg au tournant du siècle et du millénaire. Éditions Schortgen, Esch-Alzette 1999, 288 S.,