Im völkischen Eifer oder aus Angst davor hatten schon vor dem Zweiten Weltkrieg Siggys Nationalunioun, die Zeitschrift Jong Hemecht, die sprachwissenschaftliche Sektion des Großherzoglichen Instituts, der Verein D'Hemechtssprooch und andere für die intensive Pflege der Heimatsprache zu streiten begonnen. Nach dem Krieg hatte sich das Ganze zum ungeschriebenen patriotischen Gesetz gesteigert, die Heimatsprache als wichtigstes Zeugnis einer nationalen Eigenart zu ehren, und mancher Patriot versuchte sich als Linguist und Sprachpolitiker.
D'Hemecht war sogar kurze Zeit die erste und einzige Zeitung in luxemburgischer Sprache. Unter dem Titel "Von der Mundart zur Sprache" druckte sie im Sommer 1946 den erste Teil einer Abhandlung des späteren Börsenpräsidenten, Handelskammerdirektors, Begründer der Jugendherbergsbewegung ... und des d'Lëtzebuerger Land Carlo Hemmer ab. Allerdings wurde der Beitrag nie fortgesetzt. Vielleicht, so schätzte am Dienstag Hemmers Freund und Mitarbeiter Roger Krieps, weil Hemmer sich vorwerfen lassen musste, auf Deutsch in das patriotische Blatt geschrieben zu haben. Denn Hemmer, aus deutsch-luxemburgischem Haus, hatte in seiner Vatersprache über seine Muttersprache geschrieben und besaß bis 1931 die deutsche Staatsangehörigkeit.
Doch er wollte die Abhandlung ohnehin als Buch veröffentlichen. Sie sollte zuerst die frühesten luxemburgischen "Schriftdenkmäler" aufzählen, dann praktische Vorschläge zur Sprachpflege machen und schließlich Listen mit Beispielen "authentischer" Redewendungen veröffentlichen. Also genau das, was zu der Zeit andere auch taten und Joseph Hess 1946, im Jahr des D'Hemechts-Abdrucks, mit seiner Broschüre Die Sprache der Luxemburger weit besser tat.
Vielleicht war Hemmer klug genug, um nach dem Abkühlen des überschwänglichen Sprachpatriotismus den Wert seiner 1000 Worte Luxemburgisch überschriebenen Arbeit realistisch einzuschätzen. Denn Anfang der Fünfzigerjahre verzichtete er endgültig auf die Veröffentlichung des beinahe druckfertig gesetzten Buchs.
Zur Zufriedenheit der gut organisierten Freunde Carlo Hemmers brachte die Nationalbibliothek nun in einer einmaligen Auflage von 550 Exemplaren einen fotomechanischen Nachdruck der in ihrem Besitz befindlichen Korrekturfahnen von 1000 Worte Luxemburgisch heraus.
In der unbewussten Tradition der hierzulande noch lange gepflegten Vorkriegsgermanistik entpuppt sich das Werk als die für seine Zeit typische Mischung aus romantischem Kult der Volkssprache einschließlich der bekannten Legenden wie der erloschenen Fixfeier-Kreativität, Vorschlägen zur Förderung und Säuberung der Sprache von fremden Elementen und Aufzählungen deftiger und "typischer" Redewendungen aus der guten alten Zeit, ergänzt durch kühne Neologismen-Vorschläge. Gewidmet ist die Arbeit ironisch "Dem Koséng Ficelle a sénger grousser Familien", jener von Dicks geschaffenen Figur, die durch den übertriebenen Gebrauch von Fremdwörtern eine hohe soziale Position einzunehmen vorgibt.
Carlo Hemmer: 1000 Worte Luxemburgisch. Bibliothèque nationale, Luxemburg 1999, 21+90 S., 500 Fr.