Gegen die Herausforderung Klimawandel sind die aktuellen Krisen untergeordnete Probleme. Das hört sich zynischer an, als es ist. Nach dem heißesten Juli seit es wissenschaftliche Messungen gibt (seit 1880), kommen sogar die hartnäckigsten Klimaleugner langsam aber sicher ins Schwitzen. Der Klimawandel wird unsere Welt verändern. Entweder weil es nicht oder nur unzureichend gelingt, ihn in den Griff zu bekommen, oder gerade weil es gelingt, ein globales „Klimaregime“ zu errichten. Gelänge dies, würde das jede bisherige kooperative menschliche Zusammenarbeit auf globaler Ebene in den Schatten stellen und damit unsere wirtschaftliche und politische Welt wahrscheinlicher tiefgreifender verändern als jeder Temperaturanstieg.
Die Pariser Klimakonferenz gilt schon lange als das wichtigste politische Ereignis des Jahres. Die 21. Conference of Parties (COP 21), das jährliche Treffen der Mitgliedstaaten der UN-Klimakonvention, beginnt am 30. November und soll am 11. Dezember enden. Die Erwartung an diese Konferenz speist sich vor allem daraus, dass alle bisherigen Konferenzen mehr oder weniger gescheitert sind, am dramatischsten das Kopenhagener Treffen von 2009, als die Europäer zu den entscheidenden Diskussionen zwischen den USA und China nicht einmal eingeladen wurden. Die letzten COPs dienten vor allem dazu, die Pariser Konferenz so vorzubereiten, dass sie zu einem Erfolg werden kann.
Im Moment sieht es nicht danach aus. Die Vorbereitungen sind nicht wie vereinbart vorangetrieben worden. Bis Ende März sollten alle Länder, und das sind über 190, in Aktionsplänen klar darlegen, mit welchen konkreten Maßnahmen sie dazu beitragen wollen, dass die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als zwei Grad ansteigt, verglichen mit der Temperatur vor dem Beginn der Industrialisierung. Diese Aktionspläne sollten die Basis dafür sein, dass am Ende in Paris ein brauchbares Paket herauskommt, das den immensen Herausforderungen des Klimawandels gerecht wird. Am 20. August lagen nach Angaben des EU-Kommissars für Klimaschutz und Energie, Miguel Arias Cañete, Aktionspläne von 56 Staaten vor, die 61 Prozent der globalen CO2-Emissionen repräsentieren. Aber, so tröstet uns am selben Tag Christiana Figueres, die Generalsekretärin der UN-Klimakonvention, diese würden nun täglich „thick and fast“ in ihrem Büro eintreffen. Leider bleibt nur noch auf zwei kurzen Beratungstreffen in Bonn im September und Oktober Zeit, die Vorschläge zu prüfen und in das Papier einzuarbeiten, über das die Konferenz in Paris am Ende entscheiden muss.
Auf europäischer Ebene ist die Vorbereitung der europäischen Position ein Schwerpunkt der luxemburgischen Ratspräsidentschaft. Einig ist man sich am ehesten bei Ausgleichsmaßnahmen in Entwicklungsländern. Das ist traditionell der leichteste Part, denn dafür muss sich zuhause nicht viel ändern. Interessant für alle könnte die von Luxemburg vorgelegte Toolbox werden, die Maßnahmen listet, mit denen Klimaschutz in aller Welt finanziert werden könnte. Hier liegt ein Schwerpunkt auf dem privaten Sektor. Die entwickelten Länder stehen im Wort für 100 Milliarden Dollar jährlich Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Geht das nicht über private Gelder, ist ein Anschwellen der Korruption fast unvermeidlich. Ob aber jemals so viel Geld bereitgestellt wird, muss sich erst noch erweisen.
Schwieriger wird es mit der Abstimmung der Positionen, die Europa direkt betreffen. Der grüne Europaabgeordnete Claude Turmes sieht die größte Herausforderung für die luxemburgische Präsidentschaft darin, im Vorfeld der Pariser Konferenz intra-europäische Konflikte zu verhindern. Als Störenfried hat er das bekennende Kohleland Polen ausgemacht. Polen habe schon 2009 in Kopenhagen eine unrühmliche Rolle gespielt. Am 25. Oktober wird in Polen ein neues Parlament gewählt. Claude Turmes rechnet damit, dass die polnische Regierung deshalb in den kommenden Wochen und Monaten „die nationale Kohleindustrie noch härter verteidigen und sich gegen ambitionierte Klimaziele stark machen wird“.
Zugleich warnt er davor, die Konferenz mit Heilserwartungen zu überfrachten. Sie könne und werde allein nicht entscheidend sein, vielmehr komme es darauf an, Bewegungen von unten zu fördern von Bürgern, Städten und Gemeinden. Unterstützt wird er in dieser Ansicht ausgerechnet vom New Yorker Medienunternehmen Bloomberg, das in einer Studie einen weltweiten Boom von kleinen Solaranlagen prophezeit. Bis 2040 sollen 2,2 Billionen US-Dollar in kleine Solaranlagen investiert werden, die dann 13 Prozent des weltweiten Stromangebots erzeugen können.
Gleichzeitig hoffen Claude Turmes, EU-Klimakommissar Cañete, Christiana Figueres von der UN, die G7 und wahrscheinlich auch die G20, darauf, dass in Paris Maßnahmen beschlossen werden, um die globale Erwärmung dauerhaft unter zwei Grad zu halten. Die G7 hatte deswegen im Juni mal so eben den vollständigen Ausstieg aus der CO2-Wirtschaft bis 2100 beschlossen. Aber die Zwei-Grad-Hoffnung ist wahrscheinlich vergebens. Seit vielen Jahren steigen die globalen CO2-Emissionen. Folgt man den Berechnungen des Meteorologen Michael A. Mann von der Pennsylvania State University in den USA, dann hat sich das Klima seit 1750 schon um 1,26 Grad erwärmt. Würden, wie oft gefordert, möglichst viele Kohlekraftwerke abgestellt, würde sich die dann reinere Luft noch schneller erwärmen. Um die Zwei-Grad-Grenze dann noch zu halten, dürften 405 ppm CO2 in der Atmosphäre nicht überschritten werden, so Professor Mann. Dieser Wert wird 2017 erreicht. Da ist es fast zweitrangig, ob sich die COP21 nur auf Ziele oder doch auf verbindliche Maßnahmen einigen kann.