Pünktlich zur Schueberfouer sind sie alle da: Die Bürgermeisterin, die Vorsitzende des parlamentarischen Justizausschusses und andere Abgeordnete, um sich publikumswirksam beim Servieren fotografieren lassen und sich volksnah in den Gondeln bunter Karussells amüsieren. Da kann man im Foto nicht weit genug vorne stehen.
Gar nicht vordrängeln wollen sich dieselben Politiker, wenn es um die Aufarbeitung der Vergangenheit des Geheimdienstes geht und um eine kritische Analyse jenes Gesetzentwurfs, den die Regierung noch schnell vor den Sommerferien hinterlegt hat. Dabei hat er es in sich. Der ehemalige grüne Generalsekretär Abbes Jaboby war der erste, der seinem Ärger Luft machte: Hier werde der Bock zum Gärtner gemacht, erzürnte sich Jacoby auf Facebook, bald unterstützt durch den ehemaligen Déi-Lénk-Abgeordneten Justin Turpel, wie Jacoby einer von mehreren tausend Bürgern, die von hysterisch gewordenen Geheimdienstlern überwacht und abgehört worden waren.
Vor zwei Jahren war die Enthüllung ein Riesenskandal. Die CSV-LSAP-Regierung ging in die Knie wegen der Machenschaften des Geheimdienstes und eines Staatsministers, dem die Kontrolle über den Srel vollends entglitten war, wenn er sie denn jemals richtig ausgeübt hatte. Abgeordnete der liberalen und der grünen Opposition – und wenig später auch der LSAP – übertrumpften einander in ihrer Empörung. Der Rechtsstaat und seine Institutionen seien bedroht, die Grundfeste des Staates erschüttert. Der damalige grüne Abgeordnete Félix Braz warf der parlamentarischen Kontrollkommission vor, die Arbeit des Geheimdienstes„aus Naivität“ nicht wirklich überprüft zu haben. Der Srel müsse von Grund auf reformiert, wenn nicht sogar seine Existenzberechtigung in Frage gestellt werden. Andere wollten nicht so weit gehen, aber die meisten gelobten die volle unabhängige Aufklärung der Srel-Affäre.
Es steckt leider wohl keine Naivität dahinter, wenn nun aus dem Staatsministerium ein Entwurf zur Aufarbeitung jener Spitzelakten in den Srel-Archiven kommt, der die Handschrift von Geheimdienstchef Patrick Heck selbst trägt. Ausgerechnet jene Behörde, die wenige Monate nach der Enthüllung ihrer illegalen Spitzelaktionen die ersten Akten hastig vernichten wollte, soll das Gremium leiten, das die „Pertinenz der Forschungsprojekte“ beurteilen soll. Überdies soll der Srel nach der Aufarbeitung der Historiker darüber entscheiden, welche der brisanten Datensammlungen aufbewahrt oder aber zerstört werden sollen. Das hieße, den Wolf zum Schäfer zu machen, warnte Justin Turpel daraufhin. Mit dem Entwurf helfe die Regierung, den Srel reinzuwaschen. Schwere Vorwürfe, für die es im Entwurf viele Belege gibt, etwa wenn als Ziel der Aufarbeitung explizit genannt wird, das Image des Srel zu „normalisieren“.
Doch jetzt ducken sich alle weg. Zur Schueberfouer kommt man gerne, aber zum Srel-Thema äußert sich derzeit niemand freiwillig. Als ginge es um eine unbequeme Pflichtaufgabe, die man schnell und möglichst geräuschlos hinter sich bringen will. Die Rollen haben sich verdreht und die Versprechen von einst entpuppen sich als das, was sie waren: leeres Gerede. Denn auch den Entwurf zur parallel geplanten Reform des Geheimdienstes hatte der Staatsrat in einem erstaunlich deutlichen Gutachten kritisiert und der Regierung vorgeworfen, Fehler aus der Vergangenheit fortzusetzen.
Doch die Warnungen des Gremiums scheinen die Regierung nicht weiter beeindruckt zu haben. Sie hat offenbar vor, dem Geheimdienst schnellstens wieder in den „Normalbetrieb“ zu verhelfen. Was immer das angesichts der Vergangenheit heißen mag. Um es unmissverständlich zu sagen: Wer diesen Entwurf unterstützt, will nicht, dass die Machenschaften und Dysfunktionen des Srel wirklich aufgeklärt werden.