Von wegen hoch zu Ross. Als Adam Redd zum Treffen am hölzernen Rinderverschlag erscheint, kommt er in einem japanischen schmutzig-weißen Minitruck. Statt schwerer Lederboots trägt er grüne Gummistiefel. Eigentlich erinnern nur die Jeans und das karierte Hemd an den „Western Cowboy“ – obwohl der gelernte Landwirt auch das ist.
Jeden Abend muss Adam die Bewässerungsanlagen auf den nahegelegenen Feldern überprüfen, sie einige Meter verrücken, damit das Grün, das er und sein Vater im Herbst als Vorbereitung für den späteren Anbau von Weidegras gesät haben, überhaupt eine Chance hat, zu wachsen. „Das ist gar nicht so einfach“, brummt der 36-Jährige und schiebt sich seine verwaschene grüne Baseballmütze aus den Augen. Dugout Ranch steht in silbernen Buchstaben darauf. In der Ferne sind der North und der South Sixshooter zu sehen und, weiter hinten am Horizont, die Needles. Die beiden roten Felskuppen sehen aus wie zwei umgekehrt in die Erde gerammte Pistolenläufe, daher der Name.
Gewissenhaft überprüft Adam einen Sprinkler nach dem anderen. Wo das Grün dicht genug ist, schaltet er die Anlage ab. Wasser ist kostbar. Greenhorns werden den Unterschied kaum bemerken, aber obwohl das Wetter in den vergangenen Wochen für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl war und in den angrenzenden Abajo-Mountains noch bis in den Mai hinein Schnee gefallen ist, wird Wasser auf dem Colorado Plateau immer knapper. Mit 9,2 Inches (22,86 Zentimeter) Niederschlag jährlich, das meiste Schmelzwasser, und einer hohen Verdunstung zählen Utahs Canyonlands zu einer der trockensten Regionen im Südwesten der USA.
Was Pflanzen und Tiere zur existenziellen Bedrohung werden kann, macht für andere den Reiz aus. Seitdem die Landschaft 1964 von Präsident Lyndon B. Johnson zu einem von fünf Nationalparks in Utah erklärt wurde, strömen Reisende aus allen Teilen Amerikas herbei, um die majestätischen tiefroten Felskathedralen zu bewundern und das raue Wüstenklima zu erleben. Um zum Markenzeichen dieses Teils des 850 Kilometer großen Parks zu gelangen, den Needles, führt ihr Weg an der Dugout Ranch vorbei. Nur wenige wissen, dass es sich bei der unter schattigen Bäumen am Indian Creek gelegenen Ranch um eine der geschichtsträchtigsten des San Juan County handelt, die noch dazu für eine beispielslose Zusammenarbeit zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft steht.
Seit ihrer Gründung sind fast hundert Jahre vergangen, die Dugout Ranch hat mehrfach den Besitzer gewechselt. Heidi Redd und ihre Familie leben und arbeiten seit Mitte der 1960-er dort. In Ogden, Utah, geboren und in Blackfoot, Idaho, aufgewachsen, war die kleine drahtige Frau ihrem Mann Robert Redd an den Indian Creek gefolgt. Als sich Robert und Heidi nach 23 Jahren Ehe scheiden ließen, wollte Heidi, die noch mit 65 Jahren täglich im Sattel sitzt, die verschuldete Ranch behalten und suchte nach einem Geldgeber, der auf dem Land kein Hotel bauen würde, sondern ihr erlauben würde, ihre Indian Creek Cattle Company weiterzuführen. Sie fand ihn im Nature conservancy, einer Umweltorganisation, die mit Hilfe von Spendern schützenswertes Land aufkauft. Wie es dazu kam? „That’s a long story“, stöhnt Adam Redd, und es ist nicht klar, ob es unliebsame Erinnerungen sind oder der holprige Weg zum nächsten Feld, die ihn aufseufzen lassen.
Nach monatelangen zähen Verhandlungen jedenfalls einigten sich beide Seiten: Für 4,6 Millionen US-Dollar würden die Umweltschützer die Ranch mitsamt dem Weideland kaufen, Heidi und ihre Söhne bekämen ein Bleiberecht und könnten ihrer Viehaufzucht weiter nachgehen, allerdings mit beschränkten Weiderechten und mit der Auflage verbunden, Wissenschaftler zu Forschungszwecken auf die Ranch zu lassen. Eigentlich wollte Heidi Redd die Hintergründe dieser Partnerschaft erläutern, aber weil sie sich bei einem viertägigen Ausritt – streunende Rinder mussten eingefangen werden – schwer erkältet hat, übernimmt ihr jüngerer Sohn den Part.
„Matthew und ich wollten eigentlich nicht verkaufen“, erinnert sich Adam an die schwierige Zeit. Inzwischen gehört die Ranch mitsamt dem 5 167 Morgen umfassenden Land und den Rindern der Nature conservancy, die Redds arbeiten sozusagen als Subunternehmer auf ihrem Hof. Sie können ihre Herde vergrößern, wenn sie wollen, aber ihr Geschäftsmodell ändern und beispielsweise einen Zeltplatz für Wanderleute einrichten, wie es Adam gerne täte, geht nicht ohne Zustimmung des Nature conservancy. Kritisieren will Adam die Partnerschaft dennoch nicht. „Die Nature conservancy hat uns ein neues Haus gebaut und sie waren da, wenn wir etwas brauchten“, sagt er. Fakt ist aber auch: Wäre die Ranch schuldenfrei gewesen, hätten die Söhne die Ranch wohl eher nicht verkauft. „Land Rich, but Cash Poor, in the West“ überschrieb die New York Times 1997 einen Artikel über die gelungene Transaktion.
Die Zusammenarbeit ist nicht nur bemerkenswert, weil die Nature conservancy nie zuvor eine solche Investition in Utah getätigt hatte (der Kauf war nur mit der Hilfe von mehr als tausend Einzelspendern möglich, die meisten davon aus Utah) und sie bis heute ein Vorbild ist, um verschuldeten Farmern eine Möglichkeit zu geben, auf ihrem Land bleiben zu können. Sondern weil Viehhaltung in der Region in der Regel als mit dem Naturschutz unvereinbar gilt. Schilder im Nationalpark mahnen die immensen Schäden an, die durch jahrzehntelange rücksichtslose Überweidung entstanden sind. Radikale Umweltschützer kritisieren die Gras und Wasser zehrende Rinderaufzucht in der kargen Felslandschaft als ökonomisch wenig sinnvoll und eine ökologische Belastung. Nicht zu Unrecht. Der inzwischen verstorbene Journalist und Autor Marc Reisner schreibt in seinem Buch Cadillac Desert, wie Politiker und Financiers mit staatlichen Bewässerungsprojekten die Rinderaufzucht im Westen mit dem Geld US-amerikanischer Steuerzahler subventionierten.
„Das Überweiden geschieht nicht mehr in dem Ausmaß wie früher“, wehrt sich Adam Redd, der wie seine Mutter für ein Miteinander von Naturschützern und umweltbewussten Ranchern wirbt. „Auch wir sind auf ein Gleichgewicht mit der Natur angewiesen.“ Die extensive Landwirtschaft, auf der auf ein Rind mehrere hundert Morgen Land kamen, gehört zunehmend der Vergangenheit an. Adams Großvater Charles Redd war einer der letzten großen Rinderhalter in San Juan County, als Heidi auf die Dugout Ranch kam, waren es 1 500 Muttertiere. „Inzwischen sind wir bei ungefähr 500“, sagt ihr Sohn.
Wie seine Mutter versucht Adam, die Rinder so umweltschonend wie möglich zu halten. Zuvor kam er von einem Treffen im eine Stunde entfernten Monticello mit Vertretern der Wild Turkey Federation: Die Vogelschützer wollen seine Unterstützung, um Sträucher zu pflanzen, die sowohl Truthähne als auch Rinder fressen, und sind bereit, 75 Prozent der Kosten für das Saatgut zu übernehmen – ein Gewinn für beide Seiten. Außerdem pflanzen die Redds Bäume an, um die Bodenerosion zu mindern. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Jeder, der das Colorado Plateau besucht hat, kennt die Warnungen der Parkranger: Protect the cryptobiotic soil! Die schwarze Kruste aus Flechten und Mikroorganismen auf der roten Erde sind ein wichtiger Nährboden für Pflanzen, der Wasser zurückhält, so die Erosion eindämmen hilft, und, einmal zerstört, Jahrzehnte braucht, um sich wiederaufzubauen.
Räder, Schuhwerk und Hufen, die die Kruste zertreten, gefährden das sensible Gleichgewicht. Der rote Staub weht oft viele hunderte Meilen weit und lagert sich auf dem Schnee im Gebirge ab. In den Rocky Mountains soll heute fünf Mal mehr Staub lagern als noch vor hundert Jahren. Durch die Staubdecke schmelzen die Schneefelder noch schneller, wertvolles Wasser fließt ab und geht auf dem gefrorenen Boden verloren. Einer Studie der University of Utah zufolge kann der Staub die Schneeschmelze um über einen Monat beschleunigen: Schnee, der sonst erst Mitte Mai schmelzen würde, taut nun schon im April. Was das genau für die Wasserversorgung in der kargen Landschaft und das Ökosystem bedeutet, wissen die Wissenschaftler noch nicht, aber die Rede ist von einer schlimmen Trocken- und Hitzezeit.
„Ich kann nicht beurteilen, ob es dazu kommen wird, aber Wasser ist ein Problem“, nickt Adam Redd besorgt, als er das letzte Wasserventil für diesen Abend abdreht. Gleich will er noch den Lauf des Indian Creek nach Biberdämmen kontrollieren. Zur Ranch gehört auch ein Reservoir, in dem Regenwasser gesammelt wird. Es sieht gut gefüllt aus. „Das wird sich schnell ändern“, weiß Adam. Wasser ist ein kostbares Gut – und sehr umkämpft. Im 18 Meilen entfernten Blanding leiteten Einwohner Quellenwasser kurzerhand um, obwohl die Nutzungsrechte den Redds gehören.
Ein gemeinsames Forschungsprojekt von Nature Conservancy, der State University of Utah, US Geological Survey, Bureau of Landmanagement, Forstservice und den Redds soll aufklären helfen, wie globale Klimaveränderungen und Umweltschäden durch Tourismus und Viehhaltung das Ökosystem auf dem Colorado Plateau beeinflussen. Die Räume für die Wissenschaftler stehen auf der Ranch schon bereit, in diesem Jahr soll es losgehen. Die Forscher des Canyonlands Research Center werden untersuchen, was geringerer Niederschlag und steigende Temperaturen für die Zukunft des Plateaus bedeuten.
Außer den Staubwinden und der Wasserknappheit gibt es ein weiteres Problem: invasive plants. Pferde- und Rinderhufe, und mehr noch Mountainbikes und Vierradfahrer, tragen dazu bei, dass immer mehr ortsfremde Pflanzen und Unkräuter eingeschleppt werden und heimische Pflanzen verdrängen. Goatheads, deutsch Mäusedorn oder Dreispitz, beispielsweise.
„Wir müssen jetzt handeln“, mahnt Dr. Barry Baker, Klimaforscher des Nature Conservancy in Utah in einer Pressemitteilung. „Noch bleibt uns Zeit, um Managementstrategien zur Boden- und Wassernutzung zu entwickeln, die uns befähigen, uns anzupassen und die negativen Auswirkungen der Klimaveränderungen möglicherweise zu verzögern und Utahs Naturressourcen zu schützen.“ Strategien, von denen Naturschützer wie Farmer etwas hätten. Nicht nur in Utah. „Das ist enorm wichtig für uns“, bekräftigt Adam Redd. „Ich verspreche mir viel davon.“ Er hofft, dass eines Tages seine Kinder in seine Fußstapfen treten und die Ranch weiterführen werden. Wenn ihnen Hitze und Trockenheit keinen Strich durch die Rechnung machen.