„Biete: Hilfe beim Umgang mit Macintosh-Computern. Suche: Flötenunterricht.“ Oder: „Gehe bei kleinen Reparaturen im Haus zur Hand, suche meinerseits Reggae-Langspielplatten.“ Solche Annoncen findet, wer im Internet den „Marketplace“ des Tauschkrees Lëtzebuerg besucht. Dessen Mitglieder tauschen hier, unter www.tauschkrees.lu, ihre Angebote und Nachfragen aus.
Wird mehr getauscht in Zeiten von Krise und gestiegenen Arbeitslosenzahlen? Man könnte es annehmen. Ist der Tauschkreis doch Ersatzwährungsgebiet. „Tous les adhérents convien-nent de comptabiliser leurs transactions dans une unité d’échange locale, de rencontrer d’autres membres du réseau et d’échanger avec eux des biens et des services sans avoir recours à l’argent.“ Das gilt, seit sich 1999 in Petingen die asbl Lokalen Tausch System Kordall (LTS Kordall) gründete.
Statt Geld wird in einem Kär zum Gegenwert von 2,50 Euro oder hundert alten Franken verrechnet, wenn jemand Sachen abgibt oder erhält; seien es gebrauchte Bücher oder Haushaltsgegenstände. Für Dienstleistungen dagegen wird pro Arbeitsminute ein Bonheur fällig. Jedes Tauschkreis-Mitglied hat ein Konto aus Kären und Bonheurs, denn getauscht werden soll hier nicht auf gegenseitiger Basis, sondern in der Gemeinschaft. Also nicht, indem Claudine, die alleinerziehende Informatikerin, Jhemp beim Einrichten seines Computers hilft und dieser als Gegenleistung ein paar Stunden auf Claudines Kind aufpasst. Sondern, indem zum Beispiel Arlette und Jhang das Babysitten übernehmen, obwohl mit ihnen weder Claudine noch Jhemp vorher etwas getauscht haben müssen: Wer etwas leistet, erhält Bonheurs auf seinem Konto gut geschrieben, wer eine Leistung in Anspruch genommen hat, erhält Bonheurs abgezogen.
Doch: So richtig Bahn gebrochen hat die Tauschkreis-Idee sich in Luxemburg noch nicht. 2002 versuchte das bis dahin auf die Südregion beschränkte LTS Kordall landesweit aktiv zu werden und benannte sich um in Tauschkrees Lëtzebuerg. Sechs Jahre später fügte man, etwas verlegen, dem Vereinsnamen ein in Klammern gesetztes „Sud“ hinzu und konzentrierte sich wieder auf den Landessüden. „Wenn einer aus Petingen eine kleine Arbeit zu erledigen hat und jemand aus Remich könnte sie übernehmen, dann ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass der Austausch zu Stande kommt – bei der langen Autofahrt, die da erst einmal nötig ist“, sagt Frenz Azzeri, der Präsident des Tauschkrees.
Ob sich herausstellen wird, dass es in Luxemburg an der „kritischen Masse“ nah beieinander Wohnender fehlt und die Vordenker der Tauschkreis-Idee im kleinen Lande in schwärmerischer Begeisterung für das Nachbarschaftsleben von Großstädten etwas zu übernehmen suchten, was am besten dort funktioniert?
So will Azzeri das nicht sehen, wenngleich er lange in Brüssel gelebt und dem dortigen Tauschkreis angehört hat, der mehrere Hundert aktive Mitglieder zählt. Dagegen seien es beim Tauschkrees Lëtzebuerg „nur eine Handvoll“ aktiv Tauschender – daran habe auch die Krise nichts geändert. In Brüssel aber habe der Aufbau des Tauschkreises Jahre gedauert, macht er sich Mut, und meint, der Tauschkrees Lëtzebuerg (Sud) sei vielleicht noch immer nicht bekannt genug. Viel Zeit habe man in den letzten zwei Jahren ins Re-Design der Internet-Seite gesteckt. „Wir sind“, sagt Azerri, „ziemlich Internet-basiert. Womöglich schließt das potenzielle Interessenten am Tauschkreis aus.“ Sozial Schwache etwa. Denn Azerri weiß: Unter den E-Mail-Zuschriften, die Besucher der aufwändig gestalteten Internet-Seite einsenden, sind fast ausschließlich Sympathiebekundungen gegenüber der Vereinsidee. Kaum jemand teilt mit, selbst aktiv mittauschen zu wollen. Und kürzlich habe eine Einsenderin lakonisch gemeint, es sei ja noch immer viel weniger aufwändig, sich eine Pizza im Supermarkt zu kaufen, als sich erklären zu lassen, wie man selbst eine Pizza bäckt, und es anschließend zu tun.
Aber vielleicht trifft es ja doch nicht zu, dass durch die sogar zum Sprichwort gewordene Überzeugung „Wat näischt kascht, dat ass näischt!“ in Luxemburg Tauschkreisen von vornherein das Interesse entzieht. Im Ösling gibt es seit 2007 den Tauschkrees Norden. „Bei uns“, sagt dessen Präsident Fél. Schannel, „steigt die Mitgliederzahl“. Bei 67 liegt sie derzeit, und darunter seien gut Dreiviertel Aktive.
Die Nachbarschaftshilfe fördern, Menschen zusammenbringen und vielleicht verborgene Talente wecken will der Nord-Tauschkreis, der ganz ähnlich funktioniert wie die Pionier-Initiative aus dem Süden, „die uns übrigens beim Aufbau viel geholfen hat“. Einer Internet-Seite (www.tauschkrees-norden.info) sind Angebote und Nachfragen zu entnehmen, und Verrechnungseinheit ist hier der Steen – wobei der Unterschied zum Süd-Tauschkreis darin besteht, dass im Norden Steng auch durch Abgabe von Sachen erworben werden können, um sie anschließend in Dienstleistungen einzutauschen. So hielt es der Tauschkrees Lëtzebuerg mit den Kären anfangs ebenfalls – bis derart viele seiner Mitglieder vor allem gebrauchte Bücher und Schallplatten abgaben, statt Diensleistungen anzubieten, dass der Vereinsvorstand beschloss, für diese mit dem Bonheur eine zweite Ersatzwährung einzuführen.
„Wir hatten bestimmt Glück mit der Werbung“, sagt Schannel. Der Nord-Tauschkreis, den sozial engagierte Christen aus dem Umfeld des Centre pastoral au monde du travail beim Bistum voranbrachten, war Reportagenthema der Bistumsmedien Télécran und Radio DNR. Das RTL-Fernsehen widmete ihm ebenfalls einen Beitrag.
Doch es könnte auch sein, dass im Norden Nachbarschaftshilfe noch anders verstanden werde als im Rest des Landes, meint Schannel. „Obwohl in den Dörfern manche uns belächeln.“ Aber vielleicht sorge auch das für wachsende Bekanntheit, denn so richtig populär sei man erst durch Mund-Propaganda geworden.
Welche Perspektiven für Tauschkreise es in Luxemburg gibt, könnte sich vor allem an der weiteren Entwicklung der nationalen Wirtschaft und der Euro-Krise entscheiden. Denn aufgekommen sind Ersatzwährungssysteme erstmals in der Weltwirtschaftskrise der 1930-er Jahre in den USA, und während im letzten Jahrzehnt in Großbritannien, Deutschland und Frankreich ein paar hundert lokale Tauschringe enstanden, schnellte ihre Zahl nach der Jahrtausendwende in Argentinien plötzlich auf über 5 000. Der Grund: die Währungskrise.