Er ist einer von uns – Finanzminister Pierre Gramegna (DP) wohnt in Esch und arbeitet in der Hauptstadt, steht also wie Tausende andere auch jeden Tag im Stau. Den täglichen Verkehrskollaps führte Gramegna am Mittwoch aber nicht nur auf die schnell wachsende Wirtschaft und die damit weiterhin steigende Zahl an Beschäftigten zurück, die zur gleichen Zeit zur Arbeit und nach Hause wollen, sondern auch darauf, dass es die Vorgängerregierungen verpasst hätten, das Wirtschaftswachstum mit den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zu begleiten. Wer in den vergangenen Monaten versucht hat sich, sei es zu Fuß, mit dem Rad, der Bahn, dem Bus oder dem Auto, von A nach B zu bewegen, ist angesichts der vielen Baustellen gewillt, dem Mann Recht zu geben.
Obwohl Gramegnas Vorgänger Luc Frieden (CSV) in seinen Haushaltsreden immer betont hatte, dass die Investitionen trotz Krise hoch bleiben würden, sind die vielen Sparprogramme der vergangenen Jahre nicht ohne Folgen auf die öffentlichen Investitionsausgaben geblieben. Sie erreichten den Angaben des Statec zufolge 2010 mit 1,977 Milliarden Euro einen Höhepunkt, um im folgenden Jahr auf 1,78 Milliarden Euro zu sinken. 2012 stiegen die Investitionen, also die direkten in Infrastrukturen wie Straßen, Bahngleise, Spitäler und Schulen, aber auch die indirekten, via Subventionierungen und Zuschüsse, auf 1,87 Milliarden Euro, um 2013 auf 1,624 Milliarden zu sinken. Mit dem provisorischen Haushalt von 2014 steigen die Investitionsausgaben leicht auf 1,721 Milliarden Euro, um 2015 erstmals die Zwei-Milliardengrenze zu schrammen. Dabei hat Luc Frieden nicht gelogen, wenn man die Investitionsausgaben mit dem Bruttoinlandsprodukt (Bip) vergleicht. In den schlimmen Jahren der Wirtschaftskrise von 2009 bis 2012 lag die Investitionsquote der öffentlichen Hand, also in Bip-Prozent, immer über vier Prozent, 2010 erreichte sie sogar 4,9 Prozent. Erst 2013 fiel sie auf 3,5 Prozent und hat sich 2015 auf 3,8 Prozent erholt. Dass Frieden damals nicht mehr sparen konnte, liegt offensichtlich auch daran, dass die großen Infrastrukturprojekte sich, einmal beschlossen, über viele Jahre strecken und beispielweise Straßenbauprojekte nicht auf halber Strecke eingestellt werden können.
Diesem Umstand ist es aber auch geschuldet, dass sich Pierre Gramegna am Mittwoch brüsten konnte, nach den Transfers in die Sozialversicherung und den Gehältern im öffentlichem Dienst folgten die Investitionsausgaben als größter Ausgabenposten: „Direkt danach folgen die Investitionen mit 2,3 Milliarden Euro.“ Stolz fuhr er fort: „Seit 2014 sind die Investitionen unter dieser Regierung konstant gestiegen. 2017 liegen sie noch einmal 100 Millionen über dem Haushalt von 2016. Auch 2018 und 2019 sollen die Investitionen weiter steigen und auf einem hohen Niveau gehalten werden.“
Denn erstens heißt es auf Seite 19* im mehrjährigen Haushaltsentwurf: „L’évolution de cette catégorie des dépenses est principalement influencée, au titre de la période sous révue, par les dépenses pour le financement du projet Luxtram...“ Bis 2020 werden allein in die Tram 560 Millionen Euro investiert. Weiter heißt es dort, dass nach den Regeln der europäischen Buchhaltung Sec 2010 die Forschungsausgaben fortan nicht mehr unter den Vorleistungen (consommation intermédiaire), sondern als Investitionsausgaben verbucht werden, weil die Dienstleistungen der Forschung nicht sofort „verbraucht“ werden. Als weiteren großen Posten neben der Tram, die von der Vorgängerregierung beschlossen wurde, nannte Gramegna den Ausbau der multimodalen Plattform in Bettemburg, ebenfalls ein Projekt, dem jahrelange Vorarbeit vorausging.
Weil sich angesichts der vielen Baustellen im bestehenden Verkehrsnetz der sprichwörtliche Mann von der Straße an Ort und Stelle die Frage stellt, wer das wohl alles bezahlen soll, erklärte Gramegna gleich hinterher, „dass ungefähr drei Viertel der Investitionen aus den laufenden Einnahmen gezahlt werden und nur ein Viertel auf Kredit“ (siehe auch Seite 2).
Gramegna rechtfertigte diese Situation – Investitionen auf Kredit – damit, dass er quasi zum Investieren verpfluchtet sei. „Die Investitionen, die wir heute tätigen, tragen dazu bei, unser Land wettbewerbsfähig zu machen, sie schaffen Arbeitsplätze und sichern Wachstum, auch in Zukunft.“ Mit dieser Meinung stehe er nicht alleine da, wie der Finanzminister versicherte: „Die Volkswirte aller großen internationalen Organisationen, ob IWF, OECD, EZB oder EU-Kommission, sind sich einig, dass dies der richtige Weg ist.“ Auch seine Kollegen im Rat der EU-Finanzminister seien sich einig, dass die Investitionen in Europa zu niedrig seien, und der G20 habe kürzlich in Hanzhou festgestellt, man könne sich nicht allein auf die Zentralbanken verlassen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. „Christine Lagarde, die Chefin des IWF, hat vergangenen Freitag in Washington die gleiche Analyse gemacht und die Länder aufgefordert den Spielraum, den sie in ihren Haushalten haben, dazu zu nutzen, die Wirtschaft anzukurbeln.“
Doch außer der Tram stehen keine großen Projekte im Programm, die herausragen würden, und für das Vorzeigeprojekt der Regierung, sich als führende Nation für den Abbau von Rohstoffen im Weltraum zu etablieren, sind im mehrjährigen Haushalt des Fonds pour la promotion de la recherche, du développement et de l’innovation dans le secteur privé, nach Ausgaben von zehn Millionen Euro 2015 und 650 000 Euro im laufenden Jahr für das Programm Space Mining, für 2017 lediglich Ausgaben von einer Million Euro vorgesehen. In den Jahren 2017 bis 2020 sollen noch einmal 8,4 Millionen Euro in das Programm für den Bergbau im All fließen. Von den 200 Millionen Euro, die Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) der internationalen Space-Mining-Gemeinschaft versprochen hatte, beiseite zu legen, „falls nötig, auch mehr“, ist die Regierung also noch Lichtjahre entfernt.