Blaue, weiße und grüne Blitze jagen durch die Nacht. Ein schwerer Beat dröhnt aus mannshohen Lautsprechern. Körper zucken im Takt. Rund 30 000 Menschen hat das E-Lake-Festival dieses Jahr angezogen, darunter überwiegend junge Besucher. Manche feiern mit Alkohol, manche mit anderen Drogen. Andere völlig drogenfrei. Die Drogenkonsumenten sind die Zielgruppe des staatlich finanzierten Aufklärungsprojekts Duck (Drug Checking). Der mit orangen Lichterketten, Quietscheentchen und Diskokugel geschmückte Infostand des Drogenpräventionszentrums (www.cept.lu) steht direkt neben dem Urban Stage. Der Schriftzug verrät kaum, dass es sich um eines der innovativsten Projekte der Luxemburger Drogenprävention handelt: Hier können Festivalbesucher ihre Pillen oder ihr Pulver zum Testen abgeben.
„Ich habe das grelle Licht gesehen und bin neugierig geworden.“ Die Besucherin, begeisterter Fan von elektronischer Musik, Mitte 30 und mit einem Jesus-als-Hippie T-Shirt und weißen Jeans, brüllt gegen den Lärm an. Das Angebot, neben Kondomen, Ohrstöpseln und Broschüren mitzunehmen, anonym Drogen auf ihre Inhaltsstoffe testen lassen zu können, findet sie „richtig gut“. Nur dass es keinen Schnelltest gibt wie etwa in der Schweiz, kann sie nicht nachvollziehen. „Diejenigen, die ihre Pillen zum Festival bringen, wollen sie doch auf der Party konsumieren.“
Einen Tag dauert es in der Regel, bis ein Besucher erfährt, was in seiner Probe enthalten war: Er erhält zunächst eine Nummer, um seine Anonymität zu sichern. Die Pille wird fotografiert, ein kleiner Abrieb am nächsten Tag zum Laboratoire national de santé eingeschickt, wo ein Toxikologe Zusammensetzung und Reinheitsgehalt analysiert. Das Ergebnis kann der Pillenbesitzer wenig später auf einer Webseite (www.partymagnet.lu) nachlesen. Zu spät finden manche. „Schnelltests sagen über die Reinheit und Qualität nichts aus. Sie können Substanzen bestenfalls vage bestimmen, Gemische werden nicht erkannt“, warnt der Toxikologe Serge Schneider. Zumal jeden Tag neue synthetische Drogen in anderen Zusammensetzungen auf den Markt kommen. In seiner Datenbank, die regelmäßig aktualisiert wird, finden sich über 15 000 Substanzen. Schneider hält nicht viel von den Schnelltests und setzt auf die Kopplung zweier anerkannter chemischer Analyseverfahren: Gaschromatografie und Massenspektroskopie. Dabei werden die einzelnen Bestandteile massenspektroskopisch bestimmt. Das GC/MS-Verfahren ist eine hoch empfindliche, sehr präzise, aber instrumentell aufwändige und teure Methode. Sie erlaubt eine sichere Identifizierung, Quantifizierung und Reinheitsbestimmung von Substanzen. Doch dafür braucht es in der Regel ein spezialisiertes Labor.
Eine Alternative wäre, wenn Besucher ihre Drogen schon früher, also vor einem Festival oder einer Party, testen lassen könnten. Das ist politisch heikel: Kritiker könnten dem Staat vorwerfen, so indirekt Drogenkonsum zu legitimieren und eine Scheinsicherheit zu suggerieren. Schließlich ist der Besitz von Drogen strafbar und auch wenn die Tester die Proben nicht für den Eigenbedarf nehmen, bleibt es eine Grauzone.
Die Luxemburger Staatsanwaltschaft und das Gesundheitsministerium stehen hinter Duck. Aber nicht alle verstehen den Sinn des Aufklärungsprojekts: Das Aufklärungsprojekt offenbart den Widerspruch einer Drogenpolitik, die Konsum und Produktion von psychoaktiven Drogen wie Cannabis, LSD und MDMA kriminalisiert und verfolgt, obwohl legale Drogen wie Alkohol und Tabak weit größere gesundheitliche und gesellschaftliche Folgeschäden anrichten. Und die sich lange Zeit damit abfand, dass Konsumenten an verunreinigten Drogenmischungen gesundheitlichen Schaden nahmen, statt sie im Vorfeld so ausführlich wie möglich aufzuklären.
Die Festivalbesucher wissen um das Verbot. Viele schauen dem Stand aus sicherer Entfernung zu. Bei manchen siegt die Neugier und sie suchen das Gespräch. Ein Vater ermutigt seine beiden Töchter, die dunkel-rosa Fragebögen zum eigenen Drogenkonsumverhalten auszufüllen. „Ich kann nicht verhindern, dass sie auf Festivals gehen. Aber ich kann dafür sorgen, dass sie über die Risiken aufgeklärt werden“, sagt er.
Die Menge zuckt und stampft, was das Zeug hergibt. Wäre da nicht das Laser-Blitzgewitter, man würde seine Hand kaum vor Augen sehen. Die Bässe wummern hart, der DJ holt das Letzte aus den Boxen heraus. Auch Carlos Paulos und Katia Duscherer wippen im Takt. Die Mitarbeiter des Duck-Projekts setzen auf Offenheit. „Wir verurteilen nicht. Wir fragen nach und klären auf“, beschreibt Carlos den erzieherischen Ansatz. Risiken gibt es durchaus. Ecstasy gilt in der Szene als weitgehend ungefährliche Partydroge. Ihr Konsum verstärkt Stimmungen und steigert den Bewegungsdrang. Die richtige Dosis einzuschätzen, ist jedoch schwierig. Zumal sie oft mit Alkohol eingenommen wird. Überhöhter Konsum kann zu Herzrasen, Schweißausbrüchen und Muskelkrämpfen vor allem der Kiefermuskulatur führen, weshalb es am Duck-Stand neben Infobroschüren, Lutscher und Wasser für den Notfall gibt. Drogen können zudem immer gefährliche unbekannte Substanzen und Streckmittel enthalten.
Ein junger Mann mit Baseballkappe und seine zwei Freunde nehmen Carlo beiseite. Sie haben die Überreste einer gelben Super-Mario-Pilz-Pille mitgebracht. Er habe davon am Donnerstag etwas genommen und plötzlich Übelkeit und Herzrasen verspürt, beschreibt der Besucher. Sein Verdacht: Man habe ihm nicht, wie zugesagt, MDMA verkauft, sondern etwas anderes. Einen Tag später gibt es den Befund per Internet: Tatsächlich, obwohl die Pille wie eine typische Ecstasy-Pille aussah, enthielt sie kein MDMA, sondern Koffein, Amphetamine (Speed), DPIA (eine Syntheseverunreinigung) sowie andere Nebenprodukte. Das Duck-Team postete daraufhin sogleich eine Warnung auf der Party Magnet Facebookseite: Vom Konsum dieser Pillen rät es dringend ab.