Der wohl bekannteste niederländische Künstler hat wieder den Weg auf die Leinwand gefunden: Julian Schnabels At eternity’s gate zeichnet ein ehrfürchtiges Porträt der letzten Jahre Vincent Van Goghs (Willem Dafoe) und konzentriert sich auf die Jahre 1888 bis 1890. Es ist die Zeit in Arles, die allgemein als seine intensivste und produktivste Schaffensperiode gilt, aber auch die Zeit ist, in der sich die ohnehin schwierige Beziehung zu seinem Malerkollegen Paul Gauguin (Oscar Isaac) zunehmend verschlechtert ...
Das Leben von Vincent Van Gogh wurde bereits mehrmals adaptiert, etwa mit Vincent Minellis Lust for life mit Kirk Douglas (1956), Robert Altmans Vincent and Theo (1990) mit Tim Roth oder Loving Vincent (R: Dorota Kobiela, Hugh Welchman 2017), der, ganz im Malstil Van Goghs gehalten, das bewegte Leben, fast einer Kriminalgeschichte gleich, multiperspektivisch und in Rückblenden inszeniert. Wer bei At eternity’s gate, der bei den Filmfestspielen in Venedig 2018 seine Premiere feierte, allerdings eine konventionelle filmische Biographie erwartet, der wird enttäuscht. Der Film verzichtet vorwiegend auf die weithin bekannten biografischen Klischees, wie etwa der Streit mit Gauguin und das Abschneiden des Ohrs. Loving Vincent hat seine erste Rückblende mit ebendiesem Moment eingeleitet, wohl zu Schockzwecken, und wo Altmans Film den Konflikt und die Ohrszene explizit zeigt, da setzt Schnabel die Schwarzblende und lässt den Maler lediglich aus dem Off davon berichten. Ja, gegen Ende wagt es der Film sogar, die gängige Annahme, Van Gogh habe Selbstmord begangen, zu entkräften. Überhaupt will Regisseur Julian Schnabel etwas anderes: At eternity’s gate will sich nicht vordergründig an den biografischen Stationen abarbeiten und Van Gogh nicht nur als das enfant terrible darstellen, sondern in erster Linie den Künstler in den Mittelpunkt rücken. Vielleicht störte es Schnabel, dass man Van Goghs Leben gemeinhin eher anekdotisch wahrnimmt, als das eines psychisch gestörten Mannes, und das unglaubliche malerische Werk und dessen Entstehung dahinter zu vergessen scheint.
Mit Filmen wie Basquiat, Before night falls und Le scaphandre et le papillon hat Schnabel (seines Zeichens selbst Maler) gezeigt, dass er in seine Filmen oftmals auf Menschen und deren Emotionen fokussiert. Er inszeniert in diesem Film eindrücklich das missverstandene Künstlergenie im Konflikt mit sich selbst und seinem Umfeld, das Dinge sieht, die andere nicht sehen können, das Dinge fühlt, die andere nicht fühlen können; das Künstlergenie also, das seinen Platz zwischen seinen Mitmenschen nicht findet und zunehmend an seiner Einsamkeit zerbricht. Hauptdarsteller Willem Dafoe war für die Rolle oscarnominiert und gibt diesen Van Gogh mit einer Intensität, die berührend und irritierend zugleich ist, wobei man den erheblichen Altersunterschied (Van Gogh war 37, als er starb, Dafoe ist allerdings 63) als störend empfinden mag.
Er male Licht, meint Van Gogh im Sanatorium auf die Frage, was er denn zeichne. Diesem Anspruch scheint auch Benoît Delhommes Kameraarbeit gerecht werden zu wollen, die in der ersten Filmhälfte lichtdurchflutete Bilder zeigt. Wir sehen den Künstler im Einklang mit der Natur, auf der Suche nach Wahrheit und dies vorwiegend an Originalschauplätzen in langen, kontemplativen Einstellungen gedreht, die mitunter fast selbst wie Tableaus anmuten. Es ist vorwiegend Van Goghs Perspektive auf die Welt die uns da gezeigt wird, davon zeugen die vielen Point-of-views und die begleitende meist handgetragene Kamera, die die Rastlosigkeit des Künstlers und die leidenschaftlichen, nervösen Pinselstriche nachempfindet. Diese Perspektive findet in der letzten Filmhälfte seinen deutlichsten Ausdruck: Der untere Bildrand wird verschwommen gezeigt, es wirkt beinahe so, als sammeln sich Tränen in den Augen Van Goghs, als er harsche Kritik an seinem Werk annehmen muss und die soziale Interaktion immer wieder scheitert.
Einem Zuschauer, der eine durchweg stringente Geschichte erzählt haben will, wird es jedoch an dramatischer Handlung, Konflikten und Wendepunkten fehlen. Die zu liefern, ist bei At eternity’s gate auch nicht das erklärte Ziel, unternimmt der Film doch eher den experimentellen Versuch, das Publikum in den Kopf des berühmten Malers zu versetzen.