„Für die Kunden ändert sich nichts“, bemühte sich Verwaltungsratspräsident Luc Frieden am Mittwoch Ängste zu beschwichtigen. „Die Bil wird jetzt keine chinesische Bank.“ Vergangene Woche konnten die Banque internationale à Luxembourg und ihr neuer Mehrheitseigner, die chinesische Legend Holdings, nach zehn Monaten bekannt geben, dass die Europäische Zentralbank (EZB) und die CSSF den Aktionärswechsel nach zehn Monaten genehmigt haben. Demnach kauft Legend Holdings rund 90 Prozent der Bil-Anteile für 1,483 Milliarden Euro, ein Preis, demzufolg die Bank insgesamt 1,6 Milliarden Euro wert wäre und der den Verkäufern satte Gewinne beschert.
Denn Precision Capital, der Investment Fonds, der Mitgliedern der katarischen Herrscherfamilie gehört, stieg 2011 für im Endeffekt 648,7 Millionen Euro bei der Bil ein und verdient demnach 834,3 Millionen Euro am Verkauf, ein Gewinn, der, wie die Direktorin der Steuerverwaltung, Pascale Toussing, vergangenen Oktober der Finanz- und Wirtschaftskommission im Parlament erklärte, gemäß des Schachtelprinzips nicht besteuert würde (d’Land, 27.10.2017). Zählt man noch die Dividenden hinzu, die Bil in den vergangenen Jahren an Precision Capital auszahlte, 278,9 Millionen Euro Geschäftsjahr 2017 inklusive, hat die Familienholding an ihrer Bil-Beteiligung innerhalb von knapp sieben Jahren 1,113 Milliarden Euro verdient.
Dass die neuen chinesischen Aktionäre eine ähnliche Wertsteigerung erzielen, ist eher unwahrscheinlich. Wenn die Bil in den kommenden Jahren vergeichbare Gewinne erzielt und dem Mehrheitsaktionär Dividenden zahlt wie vergangenes Jahr (53,9 Millionen Euro), müssen die Chinesen ihre Beteiligung mindestens 27 Jahre halten, bis sie den Einkaufspreis wieder eingenommen haben. Da wundert es nicht, wenn Li Peng, der für Legend Holdings in den Bil-Verwaltungsrat einzieht, immer wieder betont, das Unternehmen engagiere sich langfristig.
Wieso Legend Holdings eine derart hohe Summe für eine Bank bezahlt, deren Kernmarkt das kleine Luxemburg ist, das Legend-Gründer Liu Chuanzhi bis vor kurzem auf keiner Landkarte lokalisieren konnte, und wo der Marktanteil der Bil nach Angaben des CEOs Hughes Delcourt je nach Segment zwischen zwölf und 25 Prozent beträgt, ist auch Branchenkennern nicht ganz klar. Denn obwohl Vertreter von Bil und Legend wiederholt unterstrichen, wie gut sich die Bank in den vergangenen Jahren entwickelt habe, ist das so eine Sache. Für vergangenes Jahr zum Beispiel meldete Bil einen Reingewinn nach Steuern von 117 Millionen Euro, ein Plus von 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch die Jahresergebnisse von 2017 stützen nur auf den ersten Blick die These, dass die Bank ihre Rentabilität rasant steigern würde. Denn das gute Nettoergebnis hat die Bil erreicht, indem sie auf ihrem Vorsteuerergebnis, das mit 136 Millionen Euro 13 Prozent unter dem von 2016 lag, alte Verluste geltend gemacht hat und so die Steuerlast auf 19 Millionen Euro gedrückt, beziehungsweise einen effektiven Steuersatz von 14,82 Prozent erreicht hat.
Von dem großen Jahresverlust von 1,9 Milliarden Euro 2011, den die Bil im Zuge der Zerschlagung von Dexia und dem Abzug des großen Wertpapierportfolios verbuchte, bleiben der Bil Ende 2017 noch rund 240 Millionen an Steuergutschriften, die sie in den kommenden Jahren nutzen kann. Außerdem wurde mit der Bil auch ihr Immobilienportfolio verkauft, wie Legend-Vertreter am Mittwoch bestätigten, wozu neben dem Firmensitz an der Route d’Esch beispielsweise auch noch fünf Bürogebäude in Esch Belval gehören. Das Investment Property Portfolio der Bank wurde von Immobilienexperten Ende 2017 auf 134 Millionen Euro geschätzt, der Wert der Immobilien, die die Bank für eigene Zwecke benutzt, ist in den Büchern mit 96 Millionen Euro eingetragen. Immobilienportfolio einerseits und Steuergutschriften wegen vergangener Verluste andererseits helfen hohen Kaufpreis in Zeiten zu erklären, in denen sich um europäsichen Bankwerte nicht gerade gerissen wird.
Doch Legend Holdings gelingt mit dem Kauf der Bil ein großer Coup, wodurch sie vielleicht gewillt war, einen Aufpreis zahlen: Bei der Bekanntgabe war es die bis dahin größte Beteiligung eines chinesischen Investors als Mehrheitseigner an einer europäischen Universalbank mit Schalterkundschaft. Die Übernahme ist nicht nur Legend Holdings eine große Sache, die mehr als ihren Jahresgewinn aus dem Vorjahr investiert. Sondern sie dürfte auch Signalwirkung in China selbst haben. Möglicherweise ist dies ein Ansporn für Legend, einen Erfolg aus der Beteiligung zu machen, um die europäischen Aufsichtsbehörden nicht zu verschrecken. Denn die Regierung in Peking hat in den vergangenen Jahren die Bremse eingelegt, was Auslandsinvestitionen chinesischer Konzerne angeht, die beispielsweise nicht in Immobilien und Sportvereine investieren dürfen. Doch Anlagen im Finanzbereich und solche, die den Aufbau der neuen Seidenstraße, der Belt and Road Initiative, unterstützen, also der Sicherung der Transportwege für Waren zwischen China und Europa. So gesehen, ist die Vorstellung der neuen Bil-Aktionäre, die parallel zum Aufmarsch einer 100-köpfigen chinesischen Handelsdelegation in der Handelskammer verlief, bei der ein neues Abkommen zwischen den Flughäfen Findel und Zhengzhou unterzeichnet wurde, symptomatisch für die aus Peking verordnete Außenhandelspolitik.
Dass es nicht immer ein gutes Ende nimmt, wenn ausländische Investoren bei Luxemburger Unternehmen einsteigen, zeigen die Erfahrungen mit Qatar Airways bei Cargolux. Doch die chinesischen Cargolux-Aktionäre von HNCA verhalten sich bisher sehr zurückhaltend, und auch bei der Bil ist man offensichtlich zuversichtlich, dass der Einstieg der chinesischen Aktionäre mehr Chancen als Risiken für die Bank birgt. Angesichts immer strengerer regulatorischer Anforderungen an die europäischen Banken durch die Bankenunion – laut Luc Frieden wartet man derzeit auf Bestätigung, dass die Bil auch ohne Precision Capital mit der Filiale KBL in Zukunft eine direkt von der EZB beaufsichtigte signifikante Bank bleibt –, die höhere Kapitalanforderungen stellt, strenge Regeln zur Klassifikation notleidender Kredite und liquide Mittel im Rahmen der Resolutionspläne verlangt, sind künftige Kapitalerhöhungen nicht ausgeschlossen. Li Peng beruhigte am Mittwoch, Legend Holding sei bereit, Kapital nachzuschießen, falls es aus aufsichtsrechtlichen Gründen erforderlich werde, oder um die Weiterentwicklung der Bank zu fördern und Investitionen zu finanzieren.
Denn sollte Legend in Zukunft weiter in die europäische Finanzbranche investieren, stellten die Vertreter der Holding am Mittwoch klar, würden solche Transaktionen künftig über die Bil abgewickelt. Die neuen Aktionäre versuchten auch sonst Vorbehalte auszuräumen, die in Europa gegenüber chinesischen Investitionen im Finanzbereich gelten. Gegenüber der EZB und der CSSF habe man im Rahmen des Genehmigungsprozesses versichert, die Bil solle kein „company financing“ für Legend machen, sondern ihren Geschäften nachgehen wie bisher und sich engagiert, die geltende Firmenstrategie zu respektieren. Diese kleine Bemerkung am Rande ist nicht unwichtig – in der EU ging in den vergangenen Jahren verstärkt die Sorge um, chinesische Firmen würden sich in Europa einkaufen, um deren Know-How und Technologie anzuzapfen, um danach billig in China zu produzieren. Die EU-Kommission hat daher eigens einen Vorschlag gemacht, um direkte Auslandsinvestitionen in europäische Firmen unter Aspekten der europäischen Sicherheit zu prüfen.
Im Falle der Bil wird dem Technologie-Transfer zwischen Europa und Asien ebenfalls ein hoher Stellenwert beigemessen, allerdings in die umgekehrte Richtung. Seit Jahren sucht die Bank nach Lösungen, um ihre IT auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Dass man sich von Legend Holdings, Muttergesellschaft des Computerherstellers Lenovo, die sich 2004 in IBM einkaufte, dabei Unterstützung erwartet, war einer von zwei Vorteilen der neuen Aktionärsstruktur, die Bil-CEO Hughes Delcourt am Mittwoch besonders hervorhob. Denn beim Umbau der IT hatte Precision Capital das Management bisher ausgebremst und bereits abgemachte Geschäftsvereinbarungen wieder abgesagt.
Dass der Einstieg beim Management für gute Laune sorgt, liegt allerdings auch daran, dass es sich vom neuen Eigentümer Unterstützung bei der Eroberung neuer Kundschaft fürs Private Banking in Asien erhofft. Delcourt schwärmte nicht nur davon, wie viele reiche und ultra-reiche Chinesen es mittlerweile gibt, sondern ließ durchblicken, dass man mit dem Management von Legend konkret eine potenzielle Kundschaft von chinesischen Unternehmerfamilien identifiziert hat, denen man bei ihrer Expansion in Europa helfen möchte und deren Vermögen man verwalten will. Das ist wichtig, weil Precision Capital das unter CEO François Pauly gesteckte Ziel, in Asien zu wachsen für nichtig erklärt, die Filiale in Singapur auf Eis gelegt, den CEO ausgewechselt und die Strategie für die Vermögensverwaltung geografisch auf Osteuropa und den mittleren Osten beschränkt hatte. 2015 erklärte Delcourt dem Land dazu kurz nach Amtsantritt, der Bil fehle es in Asien an der kritischen Masse: „Ich bin überzeugt, dass man in Asien 20 Milliarden Kundenaktiva braucht, um eine Basis für eine gewisse Rentabilität zu haben und eine gewisse Qualität an Kundenservice gewährleisten zu können.“ Wie genau und über welche Firmeneinheiten der asiatische Markt demnächst in Angriff genommen werden soll, ist derzeit noch nicht festgelegt.
Legend Holdings hält aber seinerseits am aktuellen Management und an Verwaltungsratspräsident Luc Frieden fest, schickt lediglich zwei Vertreter in den Verwaltungsrat und hat dort ein unabhängiges Mitglied bestimmt. Die Bank solle unbedingt als unabhängige Einheit funktionieren, unterstrichen die Vertreter von Legend am Mittwoch, so mache man das auch mit anderen Beteiligungen, die man bis zum Börsengang gebracht habe. Für einen erneuten Börsengang der Bil gebe es derzeit keine konkreten Pläne, dass es in Zukunft dazu kommt, wollte aber auch niemand ausschließen. Legend Holding selbst ist an der Börse in Hongkong notiert, rund 16 Prozent der Aktien sind im freien Handel verfügbar. Rund 17 Prozent gehören den Beschäftigten der mittleren und oberen Gehaltsstufen, ein Drittel der Chinese Academy of Sciences, einer parastaatlichen Einrichtung, 16 Prozent der China Oceanwide Holdings, und 20 Prozent dem Aktienplan für Mitarbeiter Lian Chi Zhi Yuan.
Die Beteiligung der Mitarbeiter habe bei Legend bisher sehr gute Ergebnisse gebracht, erklärte Firmengründer Liu Chuanzhi, vielleicht könne man dies auch bei der Bil ins Auge fassen. Das ging Verwaltungsrat Luc Frieden alles ein bisschen zu schnell, der meinte: „Wir haben gerade erst die neuen Aktionäre begrüßt!“ Mit ihnen im Rücken, so Frieden, könne sich die Bank entwickeln und Zukäufe machen, weil die Bil für Legend eine strategische Investition darstelle. Woraus man schließen kann, dann man an der Route d’Esch nicht allzu traurig ist, von Precision Capital Abschied zu nehmen.