Wie funktioniert kulturelle Medien[-]kommunikation in Luxemburg?, so lautet die Hauptfrage, der Marion Colas-Blaise und Gian Maria Tore von der Uni Luxemburg in ihrem bei Editions Binsfeld erschienenen Sammelband nachgehen. In kurzen Aufsätzen erläutern im ersten und zweiten Teil verschiedene Mitspieler des kulturellen Lebens, wie sie ihre Rolle beziehungsweise die Rolle ihrer Institutionen im Kulturbetrieb verstehen, während die wissenschaftliche Beiträge von Forschern im dritten Teil offenbar ein analytisches Gegengewicht zu diesen persönlichen Einschätzungen schaffen sollen1. Eine die Begriffe auf anschauliche Weise erläuternde Einleitung von Tore und eine zusammenfassende Übersicht der Beiträge von Colas-Blaise am Ende des Buches rahmen das Projekt. Die Autoren werden auf je einer Seite zu Beginn ihres Beitrags mit Kurzvita und großem Photo vorgestellt, wobei sich allerdings zwei Autoren geweigert zu haben scheinen, auch bildlich in Erscheinung zu treten.
Ungefähr so viel lässt sich ganz allgemein und unverfänglicher Weise über das Buch sagen. Man müsste noch hinzufügen, dass das Buch über die interessante und nützliche Kuriosität verfügt, seine Rezension gleich mitzuliefern. Das geschieht in Form eines Beitrags von Morgan Meyer, der sich in den Aufsätzen wiederholende Argumentationsmuster aufspürt und auf Leerstellen hinweist, wie zum Beispiel die vielfach fehlenden Informationen über das jeweilige Zielpublikum, das von den kulturellen Institutionen anvisiert wird, wie dasjenige, das tatsächlich Gebrauch von dem kulturellen Angebot macht. Eine Leitfrage für die Lektüre könnte in der Tat sein: „[E]st-ce que les acteurs s’intéressent vraiment à savoir qui est leur public?2“ Indem Meyer die Selbstdarstellungen der Beiträge aus den ersten beiden Teilen des Bandes kritisch hinterfragt, stiftet er mit Sicherheit den Beitrag, der am ehesten dazu geeignet zu sein scheint, eine Diskussion über die luxemburgische Medienlandschaft anzustoßen.
Hält man sich an den Tenor der Beiträge, so ist die Integrierung einer selbstkritischen Rezension nahezu die einzige Möglichkeit, die Aufsätze überhaupt in einer kritischen Spiegelung zu betrachten. Wenn nämlich ein Aspekt des Kulturbetriebs in Luxemburg in diesem Buch schlecht wegkommt, dann die Kulturkritik. Entweder wird sie dem Leser als nicht besonders wünschenswert präsentiert, wie in dem Beitrag von Gaston Carré, der eine Gefahr darin sieht, dass zu scharfe Kritik, insbesondere in einer Zeitung mit so großem Marktanteil wie dem Luxemburger Wort, das kulturelle Leben schädigen könnte, oder es wird bemängelt, dass Kritiken oft in einem hochgestochenen Jargon verfasst und daher für zu viele Leser unzugänglich seien (Meyer), oder es wird, leider ausgerechnet von einer ehemaligen Literaturkritikerin, in Zweifel gezogen, ob und inwiefern es in Luxemburg überhaupt eine Literaturkritik gibt.
Diese Aspekte, der Mangel an Informationen über das Zielpublikum und die Kritik an der Kritik, gehören vermutlich eng zusammen, ist es doch gerade die Kulturkritik, deren Funktion eigentlich darin besteht, aus einem breiten Angebot Bücher, Filme, Theaterstücke undsoweiter auszuwählen und sie im Dienst des jeweiligen Publikums vorzustellen, zu analysieren und zu bewerten. Diese Funktion der Kulturkritik als „Mittler“ und „Vermittler“ macht sie daher ganz selbstverständlich zu einem wesentlichen Baustein im kulturellen Gefüge. Wer ihre Möglichkeit oder ihre Existenz negiert, wer ihr vorschreiben will, was sie zu tun und zu lassen hat, schadet diesem Gefüge vielleicht eher als das die Ultima Ratio der Kulturkritik, der Verriss, tut.
Dass die Arbeit des Kulturkritikers in Luxemburg womöglich mehr noch als in anderen (größeren) Kulturbetrieben eine undankbare Aufgabe darstellt, weil der Kritiker hier nicht nur meistens kaum von dieser Arbeit leben kann, sondern darüber hinaus, wo er steht und geht, dazu angehalten wird, höllisch aufzupassen, niemandem auf die Füße zu treten. Gern würde man mit Meyer die Tatsache als Chance begreifen, dass die kulturellen Akteure in Luxemburg (wozu natürlich auch die Mitarbeiter der Universität zählen) oft mehrere Aufgaben und Positionen im Kulturbetrieb übernehmen. Sicher, die unvermeidbaren persönlichen Kontakte erschweren es dem Kritiker bisweilen, eine kritische Distanz zu wahren, unmöglich ist das aber mitnichten.
Man hätte sich also einen Sammelband vorstellen können, in dem eine durch Fotoporträts unnötig unterstützte „Who is who“-Komponente durch einen stärker sachbezogenen Dialog überflüssig geworden wäre, etwa indem die Aufsätze in ihrer Gesamtheit allen Autoren schon im Vorfeld zur Verfügung gestanden hätten, so dass sie direkt auf die Positionen ihrer Mitspieler hätten eingehen können. Außerdem wird der Wissenschaftsoptimismus der Herausgeber nicht durch die wissenschaftlichen Beiträge eingelöst: Statt dass sich diese, wie es zum Beispiel in den Empirischen Kulturwissenschaften üblich ist, auf die Beiträge aus den ersten beiden Teilen bezogen hätten, bestehen sie zum größten Teil aus isolierten historischen Studien und der Benennung von Forschungsdesideraten. Darüber hinaus kann man sich fragen, wie es sein kann, dass ein Aufsatzband, der sich so intensiv mit Medien und Vermittlungstechnik(en) befasst, kein einziges Wort dazu verlauten lässt, warum man für einen rein französischsprachigen Band optiert hat, statt für einen zumindest zweisprachigen.