Im Vorzeige-Wohlfahrtsstaat Schweden zünden Jugendliche Autos an, liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Gebt uns Jobs, eine Wohnung, eine Perspektive, fordern sie. In Griechenland, Spanien, Portugal und Italien protestieren junge Menschen schon länger gegen die Politik ihrer Regierungen. Jeder Dritte unter 25 Jahren ist in Spanien ohne Arbeit, im Europa der 27 soll es jeder Vierte sein. Luxemburg steht besser da, aber auch hier liegt die Jugendarbeitslosenquote mit rund 18 Prozent auf hohem Niveau. Dass eine frustrierte Jugend nicht gut ist, für die Wirtschaft nicht, der Talente verloren gehen, aber vor allem nicht für die Demokratie, wenn sich die Empörten von der Demokratie ab- und sich Extremisten zuwenden, spricht sich allmählich herum. Jean-Claude Juncker mag in der Europaschule Zuhörer finden, doch noch nie war das Image Europas bei vielen Jugendlichen so schlecht wie heute.
„Wie Europas Jugend wieder Hoffnung schöpfen kann“, schreiben der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, sein französischer Homolog Pierre Moscovici, Frankreichs Arbeitsminister Michel Sapin und seine deutsche Homologin Ursula von der Leyen in einem gemeinsamen Brief, der anlässlich der deutsch-französischen Gespräche vergangene Woche von verschiedenen Tageszeitungen gedruckt wurde. Das geht nicht, ohne die aktuellen Politik zu loben, sonst müsste man sich ja selbst kritisieren. „Energische, mutige und visionäre Strukturreformen“ sollen die Europäer durchgeführt haben, feiern sich die Autoren selbst. Allein: Es fehlt der Beweis.
In Wahrheit stellt sich mehr denn je die Frage, ob die Austeritätspolitik, die Europa und vor allem Deutschland verfolgt und durchgesetzt hat, die Misere der Südländer nicht zusätzlich anheizt. Die EU-Regierungschefs beschlossen im Februar, sechs Milliarden Euro für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit bereitzustellen. Sie sollen durch Fördergelder der Europäischen Investitionsbank für Unternehmen, die Jugendliche einstellen, aufgestockt werden. Angesichts der Not ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Schwerer wiegt, und das gilt für Luxemburgs Jugend geradeso wie für die französische, dass Strukturreformen eben nicht durchgeführt wurden.
Das Lob, mit dem deutsche und französische Zeitungen die angeblich vorausschauende Politik Deutschlands überschütten, ist unangebracht. Nicht nur, weil ein Großteil der beschäftigt gemeldeten Jugendlichen in Beschäftigungsmaßnahmen untergebracht ist oder sich von Praktikum zu Praktikum hangeln muss. Außer Hartz IV ist an Reformen nicht viel geschehen. Der vermeintliche Erfolg ist zudem erkauft auf dem Rücken von Arbeitnehmern, deren Einkommen seit Jahren stagniert, und von Arbeitslosen, die ohne Sozialhilfe nicht mehr überleben können. Über das erhöhte Armutsrisiko deutscher Kinder sprach in Paris wohlweislich niemand. Als Erfolgsgeheimnis wird die duale Ausbildung angepriesen, die es auch in Luxemburg gibt. Aber was nützt die beste Berufsausbildung, wenn immer mehr Jugendliche eine Lehrstelle gar nicht erst antreten, weil sie schon vorher an den schulischen Anforderungen scheitern? Ganz zu schweigen davon, dass ein duales Ausbildungssystem in Ländern wie Spanien, Griechenland und Portugal nicht mal eben so aufgebaut werden kann.
Was Europa braucht, ist eine gemeinsame, aber differenzierte Beschäftigungsstrategie: Ein Pakt für mehr Arbeit, verbunden mit den nötigen Strukturreformen in den Mitgliedstaaten. Das kostet Geld, das Deutschland nicht ausgeben will; Strukturreformen will hingegen Frankreich nicht. Bleibt als Scheinlösung, den Sparkurs einseitig aufzukündigen, wie es EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso diese Woche tat. Freilich ohne sicherzustellen, dass politische Reformen endlich kommen. Woher also Hoffnung nehmen?