Die Anlegerversammlung der Beteiligungsgesellschaft BIP hat am Dienstag in der Handelskammer dem Einstieg der Investmentbank Goldman Sachs in den Fonds zugestimmt. Goldman Sachs darf maximal 49,9 Prozent der frei verfügbaren Aktien kaufen und bietet 50 Euro die Aktie. Berücksichtigt man die Dividende von 31 Euro, die vergangenen März ausgezahlt wurde, erhalten Aktionäre, die aus BIP aussteigen möchten, 81 Euro pro Aktie.
BIP, vor 16 Jahren als BGL Investment Partners gegründet und zeitweise die meist gehandelte Aktie an der Luxemburger Börse, wird in den kommenden vier Jahren abgewickelt, alle bestehenden Beteiligungen werden verkauft. Der Erlös wird den verbleibenden Aktionären als Dividende ausgezahlt. Parallel entsteht ein neuer Risikokapitalfonds, in dem Goldman Sachs und bestehende Aktionäre Seite an Seite investieren und der auch für neue Anleger geöffnet werden soll. Allerdings nur für diejenigen, die als qualifiziert gelten, also mindestens 125 000 Euro mitbringen. Das schließt die große Zahl der Kleinanleger aus, die vor Jahren BIP-Aktien als Alternative zum Sparbuch gekauft hatten. Bei der Anlegerversammlung im Februar hatte BIP-Präsident Michel Wurth die Zahl der Aktionäre auf zwischen 1 200 und 1 500 geschätzt, obwohl sich 90 bis 95 Prozent des Kapitals in den Händen einiger großer Aktionäre, beziehungsweise in den Büchern der BIP befinden.
Dass die US-Investmentbank Goldman Sachs in die Luxemburger Sicav einsteigt, ist darauf zurückzuführen, dass der mit 15 Prozent bisher größte Aktionär, die Compagnie financière La Luxembourgeoise (CFLL), raus wollte. Offen darüber reden, was vorgefallen ist, will niemand so richtig, obwohl alle betonen, dass sie sich immer noch gut verstehen.
Dabei gibt es einige Hinweise, dass so manche Unstimmigkeit zwischen den Beteiligten, also der CFLL, der BGL, mit rund zehn Prozent der zweitgrößte Aktionär, und den Inhaberfamilien, die im Verwaltungsrat durch Michel Wurth, Marc Giorgetti, Nicolas Buck und Georges Prost vertreten sind, gab.
Bei der Anlegerversammlung im Februar hatte Pit Hentgen, Direktor der CFLL, das Wort ergriffen, um zu erklären warum die Beteiligungsgesellschaft der Luxembourgeoise über die vom Verwaltungsrat vorgeschlagene Dividende von 31 Euro hinaus eine Sonderdividende von neun Euro pro Aktie gefordert hatte, ein Antrag, den BIP-Präsident Michel Wurth laut Sitzungsprotokoll ausdrücklich bedauerte. Er empfahl der Versammlung, dagegen zu stimmen. Der Antrag wurde abgelehnt. Dabei war das Kalkül von CFLL ziemlich durchsichtig. Ende 2015 schätzte BIP den Wert einer Aktie auf 90 Euro. Die geforderten zusätzlichen neun Euro hätten die Dividende auf 40 Euro gesteigert. Mit einem Kaufangebot von 50 Euro pro Aktie wäre der Erlös pro Aktie für Verkäufer wie CFLL auf 90 Euro gestiegen, also auf den geschätzten Wert der Aktie.
Dabei war die Dividende von 31 Euro für 2015 schon überraschend hoch – laut Jahresbericht 2015 hatte BIP seit der Gründung im Jahr 2000 insgesamt 28,40 Euro Dividenden pro Aktie ausgezahlt. Vergangenen März nun zahlte BIP rund 111 Millionen Euro an Dividenden aus. Deutlich mehr Geld, als die 13,7 Millionen Euro, welche die Sicav im vergangenen Geschäftsjahr hauptsächlich durch den Verkauf ihrer Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen verdient hatte. Den Rest nahm sie aus den Reserven.
Alain Georges, ehemaliger BIP-Präsident und selbst Aktionär, hielt deshalb bei der Anlegerversammlung im Februar eine wütende Rede, die er dem Sitzungsprotokoll beifügen ließ. BIP zahle keine Gewinne aus, sondern höhle die Substanz der Firma aus, erklärte er. Dadurch, dass die Reserven angezapft würden, fehle der Firma in Zukunft Geld für den Kauf neuer Beteiligungen, beziehungsweise, um die Firmen zu unterstützen, in die BIP bereits investiert habe. Die vorgeschlagene Dividende von 31 Euro nannte Georges einen „schlechten Kompromiss“, um den Aktionär zu besänftigen, der aussteigen wolle. Damit meinte er die CFLL.
Doch mangels Alternativen stimmten am Dienstag 99 Prozent der Aktionäre für das Kaufangebot von Goldman Sachs. Viel Widerstand gab es demnach nicht mehr. Denn auch die BGL BNP Paribas steigt aus der Sicav aus, obwohl das „B“ in BIP für BGL steht.
BGL Investment Partners war 2000, zwei Jahre nach der Übernahme der BGL durch die niederländisch-belgische Bank- und Versicherungsgruppe Fortis, gegründet worden, um die direkten Beteiligungen der BGL an Luxemburger Firmen auszulagern, die nicht länger zu den Prioritäten der Bank gehörten. Darunter waren die Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen wie RTL Group und SES, aber auch an der Cargolux. Es war die Zeit, als die Aktienkultur beschworen wurde, als die Loi Rau den Steuerpflichtigen einen Freibetrag in Höhe von 60 000 Franken jährlich für Investitionen in Luxemburger Firmenaktien ermöglichte und auf die Privatisierung und Börsennotierung von Staatsbetrieben gehofft wurde, durch die „Volksaktien“, wie die der Telekom in Deutschland entstehen könnten.
Am 6. Juni 2000 gingen die Aktien der BGL Investment Partners an der Luxemburger Börse in den Handel. Der Emissionspreis betrug 75 Euro. Der Handelsstart hatte nicht ganz den erhofften Erfolg beim Publikum, so dass die BGL statt der angepeilten Beteiligung von 40 Prozent auf 44 Prozent der BIP Aktien sitzen blieb. Im ersten Geschäftsjahr konnte BIP einen Gewinn von 4,1 Millionen Euro erzielen. Doch kurz danach gab es erste schlechte Nachrichten für BIP.
Mit der Steuerreform von 2002 wurde die Loi Rau auf Druck der Europäischen Kommission, die eine solche Bevorzugung nationaler Firmen nicht länger durchgehen lassen wollte, abgeschafft. Aktien wie die der BIP wurden dadurch deutlich weniger interessant für Kleinanleger. 2003 startete BIP ein Aktien-Rückkaufprogramm, um die Liquidität der Aktie zu erhöhen und den Börsenpreis zu stützen, der innerhalb von zwei Jahren um über 50 Prozent abgestürzt war. Das Platzen der Dot-Com-Blase und die Kursverluste an den Börsen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gingen an BIP nicht spurlos vorbei, so dass schon im zweiten Geschäftsjahr die eigens für den Notfall angelegten Reserven angezapft wurden, um die Wertberichtigungen der Beteiligungen zu kompensieren und einen Gewinn auszuweisen. Hinzu kam die Übernahme der RTL-Anteile der Groupe Bruxelles Lambert und von Pearson durch Bertelsmann, was den Wert der RTL-Beteiligung von BIP ruinierte.
Darauf folgten einige gute Jahre, BIP konnte vom Wirtschaftsaufschwung profitieren. Und von der Übernahme von Arcelor durch Mittal, an der BIP 2006 37 Millionen Euro verdiente. BIP investierte nicht nur in der Großregion, beispielsweise in das Kommunikationsunternehmen VSE oder in Voxmobile, sondern weit darüber hinaus. Doch die guten Zeiten währten nicht lange. Als die Finanzblase platzte, rächte sich, dass das BIP-Portfolio zu 20 bis 25 Prozent aus Fortis-Aktien bestand, die der Sicav ein stetiges Einkommen sichern sollten. So wurde 2008 zum „rabenschwarzen Jahr für die BIP“, wie das Tageblatt im Februar 2009 titelte. Durch den Niedergang von Fortis und die staatliche Rettung wurden die Aktien wertlos, BIP wies 2008 einen Jahresverlust von 94 Millionen Euro aus. In der Panik steigerte BIP seine Bargeldeinlagen und begann 2011 einen Prozess, der zur Strategieänderung führte: Statt in börsennotierte Unternehmen werde BIP künftig eher in private Firmen investieren, sich zur Risikokapitalgesellschaft wandeln. Weil das Handelsvolumen der BIP-Papiere an einem Handelstag vielleicht noch „zehn bis 20 Aktien“ entsprach, wie ein Aktionär sagt, beschloss die Anlegerversammlung 2013 den Rückzug von der Börse. Die BIP verabschiedete sich mit einem Preis von 55 Euro aus dem Handel – trotz des Rückkaufsprogramms, über das die Firma bis heute über 20 Prozent der Firmenanteile aufgekauft hat –, was 73 Prozent des Emissionspreises von 2000 entsprach. BIP selbst hielt ihre Aktie nach wie vor für unterbewertet und berechnete den theoretischen Wert auf 84 Euro das Stück.
2015 beschleunigte das Management den beschlossenen Verkauf der Anteile börsennotierter Firmen, verdiente am Verkauf der RTL-Titel. Das Firmenportfolio reicht vom Notizbuchhersteller Moleskine über Tenside-Produzenten in Deuschland, Laborketten in Österreich bis zu Enzymherstellern in Israel. Dass dies nicht mehr ihren Vorstellungen entspricht, damit hatte CFLL bei der Anlegerversammlung im Februar den gewünschten Ausstieg begründet. Auch BGL BNP Paribas verlässt deshalb die einst von ihr gegründete Gesellschaft. Die Beteiligung an einer Risikokapitalgesellschaft passe nicht ins Bild einer Bank, erklärt BGL-CEO Carlo Thill gegenüber dem Land. Zumal „nur noch eine marginale Verbindung zur Luxemburger Wirtschaft“ bestehe, so Thill weiter. Eine solche Beteiligung kommt eine Bank nach den Baseler Eigenkapitalregeln darüber hinaus teuer zu stehen, denn ihre Gewichtung zur Berechnung der Eigenkapitalquote beträgt 100 Prozent. Für jeden Euro, den BGL in BIP investiert hat, muss sie einen Euro Kapital zurücklegen. Außerdem, erklärt Thill, verlange die BNP-Paribas-Gruppe eine Rendite von zehn Prozent auf dem eingesetzten Kapital. Erwartungen, die BIP nicht erfüllen konnte.
So hat sich BIP, die einst als Sammelstelle für die Sparguthaben Luxemburger Kleinanleger gegründet wurde und die durch ihre Investitionen in die Luxemburger Wirtschaft das heimische Unternehmertum unterstützen wollte, in eine Vermögensverwaltungsgesellschaft einiger wohlhabender Familien verwandelt. Zusammen mit Goldman Sachs wollen sie in der neuen Risikokpaitalgesellschaft 150 Millionen Euro sammeln, um Investitionen zu tätigen. Bis Ende September sollen alle notwendigen Genehmigungen vorliegen und die Goldman-Sachs-Operation abgeschlossen sein.