Außenminister Jean Asselborn schenkte uns vergangene Woche ein neues theoretisches Konzept, das der „offenen Tripartite“. Gemeint ist damit weniger eine „ergebnisoffene“ Tripartite, wie schier unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten euphemistisch genannt werden, als teilweise vor der Öffentlichkeit ausgetragene Tripartite-Verhandlungen. Der LSAP-Minister weiß, wovon er redet, denn er gehörte zu den ersten Leidtragenden dieser neuen Offenheit. Bisher, das heißt in Zeiten der geschlossenen Tripartite, diskutierten die Sozialpartner hinter verschlossenen Türen über die unterschiedlichsten Vorschläge, nahmen die einen an und verwarfen andere. War man sich schließlich über ein „Maßnahmenpaket“ einig und gingen am Ende die Türen auf, wurde, zur Erleichterung vieler vor ihren Wählern oder Mitgliedern verantwortlichen Teilnehmer, der Frage nach den Urhebern der guten und der schlechten Ideen höchstens noch anekdotische Bedeutung beigemessen.
Das hielten die LSAP-Minister auch so, als sie vor zwei Wochen im Kabinett CSV-Finanzminister Luc Frieden grünes Licht gaben, um der Tripartite eine Serie Sparvorschläge vorzulegen. Schließlich sollten die Sozialpartner noch immer die Wahl haben, die einen „Pisten“ anzunehmen und die anderen abzulehnen, und die Geschichtsbücher erinnern sowieso nur an die Namen der Sieger. Doch das sollte sich als Fehler erweisen. Denn die sozialistischen Minister hatten nicht mit der offenen Tripartite gerechnet. Noch während der laufenden Verhandlungen machte der OGB-L die wichtigsten Regierungsvorschläge publik und verwarf sie derart einmütig, dass auch eine Mehrheit der LSAP-Delegierten sie ablehnen könnte. Worauf CSV-Minister Frieden seinerseits an die Öffentlichkeit trat, nicht um seine Vorschläge zu erläutern, sondern um im Gegenzug die LSAP-Minister bloß zu stellen.
Seither sitzen die LSAP-Minister zwischen allen Stühlen und sind sich sogar untereinander uneinig, wie bequem das ist. Sparvorschläge, die sie für eine geschlossene Tripartite akzeptabel hielten, finden sie für eine offenen Tripartite plötzlich unannehmbar. Auf der einen Seite wollen sie eine Regierungskrise vermeiden, auf der anderen Seite zerren Partei, Fraktion und OGB-L an ihnen. Und das alles so geräuschvoll, dass die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der CSV und die Ratlosigkeit der Opposition glatt überhört werden.
Der OGB-L war offenbar überzeugt, dass er unter den Spielregeln der geschlossenen Tripartite nur verlieren konnte, wie sich auch seine neue Verbündete, die CGFP, immer mehr in die Ecke gedrängt fühlt. Deshalb änderten die Gewerkschaften einseitig die Spielregeln und luden mit der Erfindung der offenen Tripartite einen gewichtigen Alliierten an den Verhandlungstisch: die wahlberechtigte und steuerzahlende Öffentlichkeit. Und bisher war in der Öffentlichkeit kein gutes Wort über Luc Friedens ziemlich improvisierte und inkohärente Sparvorschläge zu hören. Das weiß auch die CSV und es macht sie um so wütender. Denn sie kann der LSAP noch so oft und berechtigt Verrat vorwerfen – wenn eine Mehrheit im Land gegen die nur noch von ihr verteidigten Sparvorschläge ist, hat sie den Schwarzen Peter. Deshalb macht ausgerechnet das Luxemburger Wort der LSAP Mut, wenn es zu Neuwahlen aufruft und die Sozialisten so an ihre erfolgreichen Index-Wahlkämpfe erinnert.
Kein Wunder, dass beide Parteien ein Interesse daran haben, sich zusammenzuraufen und ihre Vorschläge so abzuändern, dass sie auch in einer offenen Tripartite oder notfalls in der Öffentlichkeit ohne Tripartite Bestand haben könnten. Nach den Gemeindewahlen muss man sowieso weitersehen.