Seltsam, während in den Dörfern und Städten des Landes mehr denn je denkmalpflegerische Gedanken durch Abwesenheit glänzen, wird an einer Stelle im Lande um den Erhalt von etwas gerungen, was so nur noch in der Vorstellung der Beteiligten existiert. Die Rede ist von den beiden Hochofen-Karkassen auf dem Site Belval. Dabei haben diese die Aussagekraft und den historischen Wert einer alten Autokarosserie, ohne Kotflügel, ohne Motor, ohne Lenkrad und Sitze, dazu ein Modell aus den 60-er Jahren. Wer die Chance zur Begehung der Ruinen hat, wird feststellen müssen, dass dies bereits jetzt nur durch neue Sicherungs- und Ergänzungsmaßnahmen möglich ist. Auch wenn die vorgesehenen astronomischen 25 Millionen Euro, die ja nur die Vorhut der Folgekosten darstellen, investiert würden, hätten wir als Ergebnis einen Ort der vordergründig lediglich Aussagen der Art „hoch“, „groß“, „verwinkelt“, „rostig“ undsoweiter bietet.
Das, was wir jetzt sehen können, ist eine bis zur Ruine zurückgebaute ehemalige Eisenindustrieanlage – Zurückbauen ist ein Euphemismus für Abreißen –, die in keiner anderen Denkmalschutzverordnung der Welt genügend Kriterien für eine Unterschutzstellung finden würde. Wäre das Erscheinungsbild weniger spektakulär, gäbe es, wie beim Abriss anderer Industrieruinen, die auch einmal von Bedeutung waren, in denen ebenso gearbeitet, geschwitzt und gelitten wurde, keine größere Diskussion. Die schiere Dimension, die uns emotional berühren mag, lockt hier manchen in die Falle der Erhaltungswürdigkeit. Es ist dieser Reflex, der ein von Generationen teuer zu bezahlendes Wahrzeichen produziert, das kein Denkmal im Sinne des Denkmalschutzes sein kann.
Das Engagement derer, die sich für den Erhalt der Belval-Reste einsetzen, beruht sicher auch auf einer Spiegelung des imposanten Weltkulturerbes Völklinger Hütte, wobei man Ähnliches vielleicht auch gerne bei uns in Miniatur hätte. Der grundlegende Unterschied ist aber, dass es sich dort um eine nahezu vollständig erhaltene historische Anlage handelt, die auch geschützt wurde, um der strukturschwachen Region einen Anziehungspunkt zu geben. Dazu werden Teile des Areals geschickt als Raum für publikumswirksame kulturhistorische Ausstellungen genutzt. Aber auch dort hat man sich, wie an anderen Stellen in Europa, gegen einen Dauerschutz, sondern vielmehr für den „kontrollierten Verfall“ entschieden, das heißt, man trägt nach und nach verwitterte und lose Teile ab, ohne sie zu ersetzen. Die Pflege betrifft somit nur wenige, zunächst tragende Teile. Das Vorgehen beruht auf dem Konsens, dass ein Gesamterhalt technisch und finanziell den kommenden Generationen nicht zuzumuten ist.
Aus dem Bedauern über das Verschwinden der hiesigen Eisenindustrie und den dabei „gefühlten“ Identitätsverlust gerade in Belval den Imperativ des Konservierens zu zücken, ist unseren Nachkommen nicht zumutbar. Die Wichtigkeit, die es verständlicherweise für die Befürworter des Erhaltes heute hat, wird es in 20 oder 30 Jahren so nicht mehr geben. Die Nachvollziehbarkeit der Funktion und die Bedeutung der Anlage Belval besteht nur in und durch die noch frischen Erinnerungen der ehemals am Ort Tätigen, beziehungsweise ihres sozialen Umfeldes. Nachfolgende Generationen oder auch heutige Besucher können die komplizierten Arbeitsprozesse allenfalls medial aufgearbeitet verstehen, was ja auch ursprünglich als Institution vor Ort in Form des Centre national de la culture Industrielle (CNCI) geplant war. Die vorgesehene Verschiebung des Projektes CNCI lässt Böses ahnen: Der Plan einer kompetenten Industriekultur-Forschungsstätte erscheint in diesem Zusammenhang rückblickend eher als Übergangs-Alibi denn von grundsätzlichen kulturpolitischen Überlegungen getragen gewesen zu sein. Umso mehr wären die Hochofentürme in Zukunft nur noch kostspielige Zeichen ohne dokumentarische Qualität.
Die geplante Bebauung des Uni-Geländes mit sorgsam ausgewählter zeitgenössischer Architektur werden die Hochöfen als umbaute „Obstacles“ und als seltsame „Colocataires“ erscheinen lassen, zumal die Gesamtbebauung von Belval recht dicht werden wird. Als Wahrzeichen für das Vergangene, wo an der Stelle doch Zukunft gelebt und geplant werden soll, sind die Eisengebilde zu aufdringlich und überdimensioniert. Da vorgesehen ist, den Hochofenbereich als öffentlichen Raum zu nutzen, Menschen sich alltäglich in nächster Nähe aufhalten und sogar unter ihnen durchgehen werden, wird eine kostenintensive Dauerwartung von Nöten sein. Ginge man konform mit den aktuellen Arbeitsschutzverordnungen, würde man dann jedem Studenten und Besucher beim Betreten von Belval einen gelben Bauhelm überreichen müssen.
Es gibt neben den lauten Befürwortern des Erhaltes der Hochöfen A und B auch einige leise Ehemalige, die aus eigenem Wissen, allein schon wegen der starken Verseuchung der erhaltenen Bauteile und deren Umgebung mit diversen Schwermetallen, einen kompletten Abriss mit Tiefenabtragung des betroffenen Erdreichs befürworten würden. Dazu passt die Meldung, dass Esch-Belval eine Kooperation mit der „Eco-Cité“ anstrebt, die im angrenzenden Frankreich geplant ist.