Populistische Bewegungen verjagen Kuratoren, die nicht patriotisch genug sind. Ehrwürdige Gemälde von nackten Nymphen müssen abgehängt werden, weil sie nun als sexistisch empfunden werden. Neonazis beklatschen Exponate aus der NS-Zeit. Die Leiterin eines ethnografischen Museums lädt Indigene ein; die weigern sich aber, mit einer Frau ins Depot zu gehen. So hatten sich Museumsleute die lange beschworene „Öffnung zur Gesellschaft“ nicht vorgestellt.
Wie sehr politische Konflikte und gesellschaftliche Umbrüche die Musentempel verunsichern, zeigen einschlägige Konferenzen. Bereits 2018 stellte der Deutsche Museumsbund seine Jahrestagung unter das Motto „Eine Frage der Haltung. Welche Werte vertreten Museen?“. Der Verband der Museumspädagogen folgte mit der Tagung Politische Dimensionen musealer Vermittlung. Im Rahmen der EU-Trio-Ratspräsidentschaft von Deutschland, Portugal und Slowenien organisierten jetzt der Deutsche Museumsbund und die europäische Museumsvereinigung NEMO eine Konferenzreihe zum Thema Museen und soziale Verantwortung.
„Werte neu aufgegriffen“, das erste dieser Treffen, ging am 17. und 18. September 2020 über die Bühne, wegen der Corona-Krise nur online. Die finnische Museumsvereinigung zum Beispiel berichtete, dass ein neues Gesetz in Finnland die Museen dazu verpflichtet, die „Demokratie zu fördern“. Die Staatlichen Museen zu Berlin stellten ein Pilotprojekt für „politische Bildung in Museen“ und „Empowerment“ junger Menschen vor. Vertreter von Europarat, EU-Parlament und Unesco erörterten, wie „die wertvolle Arbeit der Museen im Hinblick auf eine europäische Gesellschaft optimiert werden“ könne.
Ebenfalls von der deutschen Regierung gesponsert war Anfang September Museum Futures, ein Martin Roth Symposium zu Ehren des ehemaligen Direktors des V&A-Museums in London, der aus Enttäuschung über den Brexit gekündigt hatte. Fünf Tage lang wurde diskutiert: „Welchen Beitrag zur Demokratisierung können Museen in Zeiten wachsender antiliberaler Tendenzen weltweit leisten?“ Der Architekt David Chipperfield etwa empfahl, künftig weniger und leichter zu bauen und Museen besser an ihr gesellschaftliches Umfeld anzupassen.
„Museen und Misserfolge“ war das Abschluss-Thema des Symposiums. Aussterben sei das ultimative Scheitern, warnte Sarah Darwin, eine Nachfahrin des Naturforschers. Malgorzata Ludwisiak, eine geschasste Museumsdirektorin aus Polen, forderte allgemein mehr politisches Engagement. Die Museen selbst seien jedoch „sehr fragile Institutionen“, die gegen autoritäre Regierungen nichts ausrichten könnten. Die Kunstjournalistin Julia Grosse maulte, die Diskussion kreise schon ewig um die gleichen Fragen: neues Publikum, Diversität, Inklusion von Minderheiten - „aber im Museum arbeiten immer noch nur Weiße, abgesehen von der Putzfrau.“