Seine Kunden brauche er gar nicht zu kennen, sinniert Ossi in Vaduz, als er um 1950 als Treuhänder anfängt: „Ich gründe ihnen eine Anstalt, sie zahlen die Gebühren und jeden Handschlag, den wir für sie tun. Danach lösche ich die Anstalt wieder, und guat ganga isch.“ Das Lesestück Krötenarie (Chronos Verlag, Zürich), das der Schriftsteller Stefan Sprenger bei der letzten Buchmesse in Frankfurt vorstellte, schildert den Aufstieg des Finanzplatzes Liechtenstein – bis das große Geld ab den 1970er Jahren das ganze Ländchen „in Geiselhaft genommen“ habe.
Heute will das Fürstentum am Alpenrhein nichts mehr wissen von seinen rustikal-zwielichtigen Anfängen. Seine Geschäfte sollen nun ganz legal und transparent sein. Und nachhaltig. Und schnell und innovativ! Groß rauskommen wollen die Liechtensteiner aber nach wie vor. Patrick Bont von der Finanzmarktaufsicht FMA freut sich über Fintechs: „Ein relativ kleiner Finanzplatz hat durch die Skalierungsmöglichkeiten in der digitalen Welt plötzlich eine Reichweite, wie sie in der analogen Welt nur die ganz großen Finanzplätze hatten.“
In Liechtenstein verwalten Banken, Versicherungen, Fonds und Treuhänder mit rund 6 350 Angestellten um die 300 Milliarden Schweizer Franken. Sie erwirtschaften dabei ein Viertel der Wertschöpfung und mehr als die Hälfte der Steuern des Mini-Staats. Das lässt sich noch steigern, hofft die Regierung in Vaduz: Am 21. Februar veröffentlichte sie eine neue „Finanzplatzstrategie“. Das Papier folgt der „Liechtenstein-Erklärung“ von 2009, die Transparenz und Steuer-Kooperation gelobte, und einer Regierungserklärung von 2013 zum automatischen Austausch von Steuer-Informationen.
Die Hauptthemen sind nun „Konformität mit internationalen Standards“ und „Digitalisierung“. Konkrete Maßnahmen kündigt die Finanzplatzstrategie in vier Bereichen an. Angefangen bei der Governance und Anerkennung: Um möglichst früh an der internationalen Standardsetzung beteiligt zu sein, prüft die Regierung einen Beitritt zum Internationalen Währungsfonds und zur OECD. Um OECD und EU-Finanzaufsichtsbehörden näher zu kommen und weil Frankreich mit dem Brexit an Bedeutung gewinne, will Liechtenstein in Paris eine ständige Vertretung eröffnen. Um unschöne Skandale zu vermeiden, soll die Kontrolle von Treuhändern und Stiftungen verschärft werden – das sei auch gut für den „Philanthropie-Standort“.
Um seinen Marktzugang zu garantieren will Liechtenstein außerdem weitere Doppelbesteuerungs- und Freihandelsabkommen abschließen. Das „weltweit erste Rahmengesetz für die Token-Ökonomie“ soll Besitzansprüche im Blockchain-Zeitalter regeln und die rechtliche Grundlage für den „Digitalen Finanzplatz“ schaffen. Ein „Passport auf Basis elektronischer Identität“ soll „die durchgehend digitale Geschäftsaufnahme mit liechtensteinischen Unternehmen erleichtern“. Liechtenstein setzt auch auf Kommunikation: Eine neue Public-Private-Partnerschaft von Regierung und Finanz-Verbänden soll die Standortvorteile „aktiver nach außen“ vermitteln. Liechtensteins Sichtbarkeit in internationalen Statistiken, Indizes und Rankings soll verbessert werden.
Der Image-Politur hilft auch, dass Fürst Hans-Adam II, der als reichster Monarch Europas gilt, eine der größten Kunstsammlungen um die Welt touren lassen kann. Das 300-Jahr-Jubiläum seines Ländchens wird heuer besonders in Wien gefeiert, quasi offshore: Garten- und Stadtpalais Liechtenstein öffnen für Sonderführungen. In der Albertina, wo Leihgaben des berühmt-berüchtigten Vaduzer Treuhänders Herbert Batliner schon länger die Hauptattraktion sind, können noch bis zum 10. Juni mehr als 200 Werke aus der Fürstensammlung bewundert werden. Woher einst das Geld für die goldene Pracht wohl kam, das müssen die Besucher gar nicht so genau wissen.