Er ist schon gemein, dieser Georges Hausemer. Schwärmt einem vor von den Lichtstimmungen an der Costa de Luz, "das milchige Licht in der Morgendämmerung, der verschwenderische Glanz am Nachmittag, das scharlachrote Glühen vor Einbruch der Nacht". Und dann lässt er einen fallen in die Realität, die nur Regenwolken zu bieten hat "an diesem kühltrüben Maimorgen" - auch für ihn, den reisenden Schreibenden, unterwegs in der autonomen südspanischen Provinz Andalusien.
Im Land der Mauren und Olivenhaine - Andalusische Streifzüge ist die Reportagensammlung des luxemburgischen Schriftstellers betitelt, die nun in gebundener Ausgabe erschienen ist. Über Alltagsbeobachtungen, Landschaftsschilderungen und Begegnungen mit Einheimischen nähert sich Hausemer dem Landstrich abseits von Massentourismus und Hochglanzprospekten. Und er macht Lust auf eigene Erkundungen am Schnittpunkt arabischer und europäischer Kultur. Eine Region am Rande Europas, die in Hausemers Schilderung gleichzeitig spröde und idyllisch, historisch bewegt und heute politisch wie wirtschaftlich gefordert erscheint.
Mit umfassendem und genauem Blick schildert er nicht nur Landschaft und Leben, Historie und gesellschaftliche Gegenwart seines Lieblingslandes. Er schreibt mit Sympathie, ohne sich bei Klischees aufzuhalten und mit großer Kenntnis, ohne den Leser mit ausschweifendem Geschichtsunterricht zu langweilen. Hinweise und Hintergründe sind nicht schulmeisterlich, sondern lassen Gründlichkeit und tiefes Interesse durchscheinen, mit dem sich da einer vertraut gemacht hat mit einem Land.
Ganz selbstverständlich entwickelt sich aus einer morgendlichen Begegnung Hausemers mit einem einheimischen Kapitän ein Exkurs über die Bedeutung des Tunfischfangs für die Region. Persönliche Erlebnisse, die auf den ersten Blick nicht erwähnenswert scheinen, öffnen Einblicke in die Mentalität der Menschen und in die Stimmung dessen, der da unterwegs ist. Irritationen, die aufkommen, wenn einer mit offenen Augen Neuland betritt, bleiben schon mal einfach so stehen, ohne Erklärung - und lassen ein bißchen Nachdenklichkeit aufkommen, die den Leser sich selbst überläßt.
Nie verschleiert Hausemer, dass er zwar profunder Kenner der Region ist, aber doch - nein, eben nicht Tourist bleibt, sondern Reisender. Ein freundlich Neugieriger, nicht mehr ganz fremd, aber doch keiner von hier. Einer, der von außen kommt und sich in immer wiederkehrenden Begegnungen das Land zum Freund gemacht hat. Er erzählt nicht von den Dingen und Ereignissen, die ihm begegnen - er lässt das Land selbst sprechen, hört den Fischern zu und der Kellnerin, dem afrikanischen Flüchtling und dem Viehzüchter.
Ausgiebig und kenntnisreich wie mit Geschichte und Gesellschaft beschäftigt sich Hausemer auch mit den kulinarischen Köstlichkeiten des Landes. Kein Zweifel, da ist ein Genießer unterwegs ist, dem sich mit "Sherry und churros con chocolate, jamón ibérico" und einer Speisekarte, die ihn an ein Gedicht von García Lorca denken lässt, eine zusätzliche Dimension an andalusischer Lebensart auftut. Dass dann der Geheimtip des Autors, das Ausflugslokal Mayte II, von Einheimischen überschwemmt wird und dem genießerischen Sonntagnachmittag ein zu frühes Ende setzt, ist nur eine der augenzwinkernd ironischen Wendungen, die sich immer wieder auftun in Hausemers Streifzügen.
Vielleicht ist das ja alles nur sein Trick. Das mit dem Regen an der Costa de Luz, dem überfüllten Spezialitäten-Restaurant und den Abgasen über Huelva. Denn immer schwingt da noch etwas mit, was er nicht beschreibt, und lässt den Verdacht, dass er einfach nicht alles verraten will über Schönheiten und wohl bisweilen spröde Anmut seiner Winter-Liebe. Vielleicht will er sie doch für sich behalten, ganz allein. Ganz schön gemein.
Georges Hausemer: Im Land der Mauren und Olivenhaine - Andalusische Streifzüge,Serie "Picus Lesereisen", Picus Verlag, Wien