Das International Institute for Management Development in Lausanne veröffentlichte am Donnerstag die diesjährige Ausgabe seines 650 Euro günstigen World Competitiveness Yearbook, eine der jährlichen Bibel der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Produktionsstandorte. Das Jahrbuch versucht, mit ausgewählten Kriterien die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften zu messen und vor allem in einem World Competitiveness Ranking zu vergleichen. Dabei bescheinigt die Schweizer Privatschule Luxemburg auf der Grundlage von über die Handelskammer bezogenen Daten, seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert, die asiatischen Konkurrenten Malaysien und Taiwan überholt zu haben und vom 13. auf den elften Platz vorgerückt zu sein.
Dass die Wettbewerbsfähigkeit zu messen alles andere als eine exakte Wissenschaft ist, zeigen die unterschiedlichen Ergebnisse der Konkurrenzlisten. Nicht selten kommt es vor, dass der Luxemburger Volkswirtschaft für ein Jahr von den einen eine Verbesserung und von den anderen eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit bescheinigt wird. Im Growth Competitiveness Index des ebenfalls Schweizer, für seine Weltwirtschaftsgipfel in Davos bekannten World Economic Forum landet Luxemburg auf Platz 22, im Index of Economic Freedom der sehr konservativen amerikanischen Heritage Foundation auf Platz 16... Alles hängst selbstverständlich von der subjektiven Auswahl und Gewichtung der Kriterien ab, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit gemessen werden soll – und deren Ideal meist die US-Volkswirtschaft ist, so dass die USA am Ende oft auf dem ersten Platz rangieren.
Deshalb muss man dem genauen Stellenwert oder der Tatsache, dass ein Land einen Platz vorrückt oder zurückfällt, nicht unbedingt besondere Aufmerksamkeit beimessen. Aber es ist schon beachtenswert, dass Luxemburg, dem oft ein zu hohes Lohnniveau, zu hohe Steuern, ein zu teurer Sozialstaat, ein anachronistisches Indexsystem, ein zu einschränkendes Arbeits- und Umweltrecht oder eine zu schwerfällige Verwaltung bescheinigt werden, wettbewerbsfähiger zu sein scheint denn die als sehr wirtschaftsfreundlich geltenden asiatischen Tiger und Drachen, das sehr liberale Großbritannien und Dutzende andere Industriestaaten mehr.
Dass Luxemburg trotz all dieser angeblichen Verstöße gegen die ökonomische Doxa und auch dank seines großen Finanzplatzes zum Spitzenfeld von einem Dutzend der wettbewerbsfähigsten Staaten unter über 180 gezählt wird, muss jene überraschen, die der gängigen Debatte hierzulande folgen, laut der die Wettbewerbsfähigkeit auf eine Frage des staatlichen Rahmens hinausläuft, der den idealen Markt mehr oder weniger einschränkt: Schuld wäre dann immer die Regierung, auch wenn die nationale Wettbewerbsfähigkeit niemals das einzige Staatsziel ist, sondern, zusammen mit vielen anderen Politikfeldern, einer ständigen Güterabwägung unterliegt.
Vor allem aber zeigt nicht zuletzt die Kriterienliste des liberalen Lausanner World Competitiveness Ranking, dass zur Wettbewerbsfähigkeit auch die Produktivität, die Betriebsleitung, der Arbeitsmarkt, das Bildungswesen, die Gesundheitsfürsorge, die öffentlichen Infrastrukturen und vieles mehr beitragen. Deshalb entsteht am Ende das scheinbare Paradox, dass einzelne Kriterien im internationalen Vergleich als Mittel sogar als wettbewerbshemmend angesehen, aber im Index durch das Ziel, Wirtschaftswachstum und Außenhandel, ausgeglichen werden. So erklärt sich vielleicht auch, dass im Jahrbuch bei der Bewertung des internationalen Ansehens der Wirtschaftsfreundlichkeit Luxemburg ein 27. Platz hinter Kasachstan bescheinigt wird, aber auch den USA nur ein 24 Platz. Investitionsentscheidungen müssen also zum Glück von anderen Leuten als den Befragten getroffen werden.