Automatischer Informationsaustausch? Der spiele in dieser Gegend keine Rolle, mokierten sich im Vorfeld viele Mitglieder im Tross der Werbetour in Dubai. Der betreffe doch nur die Gebietsansässigen der EU. Hier kenne man überhaupt keine Steuern. Und doch sollten die Schlagzeilen der vergangenen Wochen, die Abschaffung des Bankgeheimnisses und das missglückte Interview mit der Financial Times, dem zufolge Finanzminister Luc Frieden (CSV) den automatischen Austausch auf Firmenkonten ausweiten wolle, die von ihm angeführte Promotionsmission für den Finanzplatz überschatten. Auf mehreren Ebenen.
Zum ersten, weil die Mitreisenden im Zwiegespräch in den Hotelfluren bei Fruchtsaft und Kaffee versuchten, zu erkunden, was Friedens Ankündigung in der FT wohl hatte heißen sollen: „Das ergibt gar keinen Sinn?!“ „Nein, das ergibt keinen Sinn!“ Wortwechsel, die zeigen, dass Luc Friedens Kompetenzanspruch auch bei seiner Lieblingsklientel, den Finanzspezialisten, nicht mehr ganz unangetastet ist. Zum zweiten, weil sie bei den locals mindestens ebenso viele Fragen aufwarfen, wie in der Delegation. Zum dritten, weil es der Visite eine andere Bedeutung verlieh, als sie ohne die Geschehnisse der vergangenen Woche gehabt hätte.
Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass der Luxemburger Finanzplatz in Dubai für sich Werbung macht. Das Emirat gibt sich offiziell aufgeschlossen und international. Dass man im Mittleren Osten ist, verraten nur die Temperaturen. Sauberer sind die Straßen nur in der Schweiz. Die „Altstadt“ sieht aus, als sei sie 20 Jahre alt. Im Soukh, auf dem Gewürzmarkt, riecht es trotz Hitze nach gar nichts, nicht einmal nach Gewürzen. Zwischen den glitzernden Fassaden der Wolkenkratzer wächst akkurat gemähter, saftig grüner Rasen. Die Touristinnen tragen Minirock und Bikini, die internationale Arbeitnehmerschaft trinkt Cocktails und Importbier. In den Freizonen des Emirats dürfen Ausländer ohne obligatorische Beteiligung lokalen Kapitals Firmen gründen und Handel treiben.
Im Wüstenstaat mit seinen 2,3 Millionen Einwohnern – über 70 Prozent davon sind Zugezogene – gebe es nur zweierlei Arten Menschen, sagen die, die schon öfter hier waren: „Diejenigen, die Geld verdienen wollen, und diejenigen, die es ausgeben wollen.“ So gesehen, gehören die Teilnehmer der Promotionsmission zur ersten Kategorie, die ihre Dienste gerne denjenigen anbieten würde, die der zweiten Kategorie angehören. Dass sich wegen der Abschaffung des Bankgeheimnisses die Kundenbasis verändert – die Europäer ziehen ab –, gaben die Bankvertreter beim Seminar in Dubai unumwunden zu. Deswegen wird es für sie dringender, neue, andere Kunden anzuwerben, als noch vor wenigen Jahren, als ein ABBL-Präsident Jean Meyer Seminar-Teilnehmern in Bahrain noch sagen konnte, es sei ein Zeichen guten Willens, dass eine Luxemburger Delegation nach dem 11. September 2001 in die Region komme.
Auch wenn sich 2013 Tonfall und Einstellung geändert haben, bleibt die Kundensuche im Orient schwieriges Terrain für die Luxemburger Bankiers und ihren Finanzminister. Im Grunde wisse man vor Ort über Luxemburg noch nicht ganz viel, gestand Frieden am Montag ein. Die Reichen aus der Gegend ziehe es auf der Suche nach Vermögensberatern und sicheren Bankkonten in Europa reflexartig in die Schweiz, bedauerten die Bankiers vertraulich. Dabei sind die Luxemburg-Schlagzeilen der vergangenen Wochen in Bezug auf den automatischen Informationsaustausch im Nahen Osten nicht unbemerkt geblieben. Obwohl die Zielkundschaft dort überhaupt keine Steuern zahlt, sorgen sie vor Ort für ebensoviel Verwirrung wie in Europa. Denn auch ohne Steuern ist den Vermögenden dort die Diskretion sehr wichtig, berichten Experten wie lokale Journalisten, was und wo sie investieren soll nicht jedermann wissen. Deswegen läuten bei einem Schlagwort wie „automatischer Informationsaustausch“ die Alarmglocken. „Die Leute glauben, alles habe sich geändert. Zu erklären, welche Änderungen es ab wann für welche Kunden gibt, ist die große Herausforderung für uns überhaupt“, so François Pauly, CEO der Bil, in Dubai gegenüber dem Land.
Dabei ist dies längst nicht der einzige Punkt, in dem es Erklärungsbedarf gibt. Finanzminister Luc Frieden wirbt auch an der Heimatfront um Verständnis, macht sich Sorgen darum, wie die Promotionsanstrengungen im Nahen Osten beim Wahlvolk zu Hause ankommen. „Verstehen Sie, warum wir hier sind? Verstehen Ihre Leser das?“, fragte Luc Frieden die Luxemburger Journalisten beim morgendlichen Briefing, und wie das Publikum es sehe, wenn man in der Gegend Werbung für Luxemburg mache. Nach der Kritik, die Frieden für den von ihm eingefädelten und gescheiterten Cargolux-Qatar-Airways-Deal einstecken musste, keine unschuldigen Fragen. „Ich bin ja nicht naiv in dieser Region hier“, rechtfertigte sich der Finanzminister. Die Investoren aus der Region seien „manchmal anderer Meinung als wir“. Man müsse aber „nicht unbedingt unsere Regeln den ihren anpassen.“ „Es ist ganz einfach: Diese Länder haben extrem viel Geld“, holte Frieden zur Erläuterung aus. „Da wir ja gerne einen Sozialstaat mit hohen Löhnen und Renten hätten, müssen wir sehen, wie das Geld reinkommt.“
Allerdings sind auch in Dubai die Straßen nicht mehr mit Gold gepflastert. Die weltweite Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat auch die Arabischen Emirate empfindlich getroffen. Neben dem Jumeirah Emirates Towers Hotel, dem Hauptquartier der Luxemburg-Delegation am Rande des Finanzdistrikts, klafft eine Bauruine im Boden, auf der Baustelle wird seit zwei Jahren nicht mehr gearbeitet. Zwar erholt sich Dubai von der Krise. Doch in den zweistelligen Bereich haben die Wachstumsraten noch nicht zurückgefunden. Um 3,7 Prozent soll die Wirtschaft 2013 wachsen – weniger als Luxemburg braucht, um seine Sozialversicherungssysteme aufrecht zu erhalten. Dass sich die Bemühungen der Regierung und ihrer Promotionsagentur Luxembourg for Finance dennoch auf Dubai richten, liegt nicht nur am wirtschaftlichen Öffnungsgrad des Emirats, sondern auch daran, dass die politischen Verhältnisse im regionalen Vergleich relativ stabil sind. Was nicht zuletzt an den religiösen Verhältnissen liegt. Die Herrscherfamilie um Sheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum, der grimmig von Plakaten, Fassaden und Buchumschlägen blickt, sind Sunniten, die „einheimische“ Bevölkerung auch. In Bahrain, wo der Luxemburger Finanzplatz in der Vergangenheit viel Werbung machte, herrscht ein sunnitisches Königshaus über eine schiitische Bevölkerung; während des arabischen Frühlings kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Das ist Gift für die Geschäfte. Die Promotionsbemühungen in Bahrain werden seither nicht mehr an die große Glocke gehängt. Die Bil, seit Jahren in Bahrain präsent, hat beschlossen, ihre dortige Zweigstelle zu schließen und sich stattdessen in Dubai niederzulassen.
Dass sich die Golfstaaten auch untereinander nicht grün sind, obwohl es die Farbe des Islam ist, macht es für die Geschäftsleute nicht einfacher zu entscheiden, wo sie ihre Anstrengungen konzentrieren sollen. Emiratis erzählen gern unaufgefordert, was sie von Katar halten: „An die USA ausverkauft“ oder: „Die kaufen Harrods, aber was haben sie denn schon selbst gemacht?“ Auch das Verhältnis zum großen Nachbarn Saudi-Arabien, das vor Ort alle nur rüde mit „the Saudi“ bezeichnen, kann man nur bedingt als entspannt bezeichnen. Mit Saudi-Arabien hat Luxemburg am Dienstag ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Doch Luc Frieden zur Unterzeichnung in die saudische Hauptstadt begleiten, wollten nur Wenige. Riad ist das Anti-Programm zur Glitzer-Stadt Dubai. „In Riad gibt es drei Sehenswürdigkeiten: Die größte Moschee der Welt, zu der nur Gläubige Zutritt haben, die Shopping-Mall und den Exekutionsplatz“, so ein Bankier. So duster wie das Unterhaltungsprogramm sind auch die Aussichten, Geschäfte zu machen. Saudi-Arabien ist für Investoren aus dem Ausland weitestgehend geschlossen. Ebenso wenig ist der saudischen Arbeitsbevölkerung erlaubt, im Ausland zu investieren, sie darf deswegen keine Anteile an Luxemburger Investmentfonds kaufen, wie die Luxemburger Fondsspezialisten in Dubai bedauern. Das muss nicht immer so bleiben. Weil die Petrodollars ungleich verteilt werden und in die Taschen der engeren und weitläufigeren Mitglieder der Herrscherfamilie fließen, drohten dem saudischen Staat in absehbarer Zeit Haushaltsdefizite, erklärte ein Mitglied der Task Force des Fondsverbandes Alfi beim Briefing in Dubai. Daher könnte sich das Land auf der Suche nach Fremdkapital ausländischen Investoren öffnen und den Saudis erlauben, privat für die Rente vorzusorgen. So könnten sich neue Möglichkeiten für die Luxemburger Fondsbranche auftun.
Zwar stand die Luxemburger Fondsbranche in der Vergangenheit oft im Fokus der Promotionsbemühungen, hat LFF mit der Verwaltung des Finanzdistrikts Dubai International Financial Center ein Abkommen abgeschlossen, ebenso wie die Aufsichtsbehörden CSSF und Dubai Financial Services Authority. Dennoch gibt es auch in Dubai regulatorische Hürden, beziehungsweise ein regulatorisches Vakuum, die den Verkauf von Luxemburger Fondsanteilen im großen Stil bisher verhindern. So dass die Aktivitäten der Fondsexperten vor Ort eher darauf hinauslaufen, Fondsstrukturen für Kunden einzurichten, die in Europa investieren.
Was also kann Luxemburg der reichen Kundschaft aus der Golfregion überhaupt anbieten? „Stabilität“, sagt Luc Frieden, „ein AAA-Rating“. Doch was ist dieses Versprechen noch wert, wenn sich Luxemburg als Zugangstor zu Europa, beziehungsweise als größtes internationales Finanzzentrum der Eurozone präsentiert, während die Eurozone bröckelt? Der Finanzminister mühte sich vor dem lokalen Publikum in Dubai mit Sätzen ab wie: „Der Euro ist eine Zukunftswährung und wird auch in Zukunft eine Reservewährung bleiben“, oder: „Es gab kein (Krisen)treffen, bei dem wir geglaubt haben, der Euro würde verschwinden“. Trotzdem fragten ihn die lokalen Journalisten, wie sich denn Luxemburg von Zypern unterscheide.
So versuchte LFF den Emiratis, – welche einheimischen Bankiers zufolge vorrangig in dieser Reihenfolge investieren: lokale Immobilienprojekte, lokale Firmen, lokale Firmenanleihen – Luxemburg als Plattform für ihre Investitionen in europäische Immobilienprojekte anzudienen. Und als Vermögensverwaltungszentrum. Hilfreich sein, sagte Varouj Nerguizian, Chef der emiratischen Bank of Sharjah, Joint-venture-Partner der Luxemburger Commerzbank, könnten dabei die ausgereiften juristischen Instrumente, über die Luxemburg verfüge. „Denn dies ist keine Region hochentwickelter legaler Strukturen.“
Doch welche Bankendienstleistungen sind für Kunden wichtig, deren Sorge es nicht ist, reich zu werden, sondern reich zu bleiben und die ohnehin ihren eigenen Berater haben, wie François Pauly hervor strich? Die Bank sei als zentrale Verwahrungsstelle für die Anlagen und Investitionen ihrer Kunden zu sehen. Diese rund um den Globus zu ordnen und ordnungsgemäß zu versteuern, damit hätten „die Luxemburger“ ohne Heimatmarkt Erfahrung, so der Bil-CEO. „Da haben wir einen Mehrwert anzubieten.“ Ein griffiger und gut verdaulicher Verkaufsslogan ist das nicht. Weder für die reiche Kundschaft in den aufstrebenden Wirtschaftsmächten, noch für das Wahlpublikum zu Hause.