Handwerker? Kommen nie wie abgemacht, das weiß jeder, der schon einmal einen bestellt hat. „Das muss doch gehen“, dachten sich vor einigen Jahren die Verantwortlichen der Firma Luxforge. Der Metallverarbeitungsbetrieb aus Ulflingen hat kürzlich den Preis für Innovation im Handwerk gewonnen. Das Besondere: Luxforge hat nicht etwa ein neues Produkt oder ein neues Verarbeitungsverfahren erfunden, sondern die internen Abläufe umgestellt. Prozessinnovation heißt das im Manager-Sprech, und dass ein mittelständiges Handwerksunternehmen darin investiert, ist in Luxemburg keine Selbstverständlichkeit.
Als Dirk Treinen zusammen mit seinem Schul- und Studienfreund Jean-Louis Blanken 2001 die Firma übernimmt, die sein Vater Ende der Sechziger in Belgien gegründet hat, zählt Luxforge neun Mitarbeiter und ist auf den Bau metallener Tanks spezialisiert. 2013 liegt die Mitarbeiterzahl bei 65, davon 15 bis 17 im Büro, die anderen in der Produktion und der Montage. Auch jetzt fertigt sie noch Heizöltanks – vergangenes Jahr hat sie 900 davon verkauft–, hat aber in der Zwischenzeit im Design-Metallbau diversifiziert, baut Treppen, Geländer, Vordächer, alles nach Maß. „In der Zeit haben wir den Betrieb komplett umgestellt und informatisiert“, erzählen die Partner, „dennoch war das viel Wachstum in sehr kurzer Zeit. Da muss man den Überblick behalten.“ Das Geschäft läuft gut für Luxforge. So gut, dass die Firma mehr Aufträge hat, als sie ausführen kann und riskiert, die Kunden wieder zu verlieren. Was also tun? Noch mehr Mitarbeiter einstellen, um die Auftragslage in den Griff zu bekommen? Das ist für die Geschäftsführer kein Ziel an sich. Also holen sie sich externe Berater in Haus. Zusammen mit ihnen machen sie die Bestandaufnahme. In der Produktion läuft es rund, in neue Anlagen und moderne Produktionstechnik hat die Firma bereits investiert. Doch in der Produktion braucht man die Pläne, die von den vier technischen Zeichnern der Firma angefertigt werden. Hier befindet sich zum damaligen Zeitpunkt der Engpass: Die Zeichner können die notwendigen Pläne nicht schnell genug anfertigen.
Die Lösung der Unternehmensberater ist so simpel wie effizient: eine Planungstafel im Büro der Zeichner. Die Tafel ist in verschiedene Bereiche eingeteilt – Zeichner, Projektstand–, und bietet eine Übersicht über zwei bis maximal drei Wochen. Für jedes neue Projekt wird ein Papierformular angelegt, das oben auf die Tafel geheftet wird. Die Dringlichkeit bestimmt die Reihenfolge. Ein Farben- und Signalsystem zeigt an, ob alle Informationen vorhanden sind, um das Projekt zu bearbeiten, wer der zuständige Zeichner ist, ob es offene Fragen oder Probleme gibt. All diese Informationen mussten auch ohne Planungstafel vom Verkäufer, der im Kontakt mit den Kunden ist und den Auftrag entgegennimmt, und dem Zeichner, dr die Pläne macht, ausgetauscht werden. Die Tafel erst ermöglicht den Überblick über alle Projekte, die in Bearbeitung sind; das sind jederzeit etwa 20 bis 30 .
Was das konkret bringt? Auch bei sehr dringenden Projekten, welche die Zeichner prioritär bearbeiten sollen, sind nicht immer sofort alle Informationen beisammen, die sie dafür brauchen. Fehlt beispielsweise ein Aufmaß, können die Pläne nicht fertig gestellt werden. Auf der Tafel mit ihren Projektkarten und Signalen sehen die Zeichner auf den ersten Blick, ob alles da ist, was gebraucht wird. Wenn nicht, nehmen sie das nächste Projekt in der Dringlichkeitshierarchie vom Brett, das zur Bearbeitung bereit ist. „Pull-Prinzip“ nennen die Manager das. „Binnen vier Wochen“, erzählt Treinen, „war der Engpass im technischen Büro gelöst. Dann kam die Produktionshalle nicht mehr hinterher.“ Also entwirft man eine Planungstafel für die Produktion und schließlich für die Montage.
„Mit den Unternehmensberatern haben wir uns gefragt, was wünschen wir uns?“, sagt Blanken. „Toll wäre es, wenn die Monteure reinkommen, sehen, was zu machen ist, das Material laden und los zum Kunden fahren.“ So haben die Projektzettel – erst kürzlich wurden sie wieder angepasst, um das System weiter zu vereinfachen –, ihren Weg von den Verkäufern über die Produktion und die Montage bis zur Buchhaltung gefunden.
Darauf vermerkt ist jeweils, wer das Geländer, die Treppen, den Tank verkauft hat. Der Zeichner ist mit Initialen und Farbcode markiert. Er ist es, der das Material bestellt, das nach dem Just-in-time-Prinzip bestellt wird, um Lagerplatz und -kosten zu sparen. Gelagert wird – wie bei Ikea – nach dem Chaos-Prinzip. Also da wo Platz ist. Der Lagerist verzeichnet seinerseits penibel, in welchem der genau nummerierten Regale das projektbezogene Material gelagert ist. Ist alles da, können sich die Produktionsmitarbeiter wieder nach dem Pull-Prinzip, den nächsten Auftrag von der Tafel holen und ihn bearbeiten. Sind sie fertig, können die Monteure übernehmen. Auch sie finden auf dem Projektzettel wieder die Information, wo die Teile gelagert sind, ob sie zur Montage zu zweit sein müssen, ob sie ein Hängegerüst brauchen oder nicht. Sind die Teile eingebaut, bringt der Monteur den Zettel wieder mit Farbcode gekennzeichnet an die Tafel an. Grün heißt dann, dass Verkäufer und Buchhaltung abrechnen können, gelb, dass noch etwas zu klären ist, rot, dass es ein Problem gibt. Beispielsweise Dellen oder Schrammen, die entfernt werden müssen, bevor der Auftrag endgültig abgeschlossen ist.
Der Vorteil? Jeder weiß immer, was er als nächstes zu tun hat. Ob Zeichner, Produktionsmitarbeiter oder Monteure, niemand muss noch lang bei den Kollegen herumfragen, welches Projekt als nächstes auf den Leist genommen wird. Er geht einfach zur Tafel. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Produktion an sich, erklärt Blanken, sondern auch auf die Psychologie. Der Stressabbau, sei beachtlich sagt er, der Motivationsschub spürbar. Und es gebe deutlich weniger Wirbel in Büros und Hallen. Das gilt nicht nur für die Mitarbeiter. „Vorher konnten sich die Monteure im Computer ansehen, welchen Auftrag sie am nächsten Tag montieren würden. Aber die Tafel gibt nicht nur ihnen den Überblick und die Möglichkeit zu sehen, dass genug Arbeit da ist. Sondern auch mir“, erklärt Treinen.
Seit bald zwei Jahren sind die Planungstafeln bei Luxforge im Einsatz. Welchen Anteil der Umsatz- und Gewinnzuwächse von zwischen 15 und 18 Prozent jährlich in den vergangenen Jahren darauf zurückzuführen sind, vermögen Blanken und Treinen nicht genau zu sagen. Aber: „Wir haben die Durchlaufzeit eines Projektes deutlich verkürzt, von 15 Wochen auf acht bis zehn Wochen Lieferzeit. Das ist natürlich noch eine gewisse Dauer, aber wir arbeiten daran.“
Bei Luxforge sind das keine leeren Worte. Die Partner haben das Prinzip des „Kaizen“ verinnerlicht. „Kaizen“ ist japanisch und bedeutet in etwa „ständige Verbesserung“. Großkonzerne wie Toyota sind mit Kaizen zum Weltmarktführern geworden. Im Vergleich dazu ist Luxforge ein Mikrounternehmen und Managementtheorien à la Kaizen bei Handwerkerkollegen der gleichen Größenordnung nur ein Fremdwort. Doch Treinen und Blanken versuchen, die große Theorie mit minimalem Aufwand und Kosten auf ihre Ebene zu übertragen. Am Firmensitz in Ulflingen werden derzeit die Produktionshallen umgebaut. Wenn die Baustelle abgeschlossen ist, soll die Stahlverarbeitung in sieben identisch ausgerüstete Boxen eingeteilt werden. Das Werkzeug hängt jeweils an Schablonen an der Wand. Ein kleines, aber wichtiges Detail. „Da sieht man sofort, ob der Schlüssel, den man braucht, da ist oder nicht, statt dass man in einer Schublade kramt, ihn nicht findet, dann die Kollegen fragt, ob sie ihn gebraucht haben...“, erklärt Treinen. Von den sieben Boxen sollen zu jeder Zeit vier belegt und drei frei sein. In der Rotation kann in den freien Boxen das jeweils nächste Projekt vorbereitet werden. Vom neuen Boxen-System erwarten sich die Partner wieder mehr Effizienz und deswegen auch neue Produktivitätszuwächse.
Ein Planungssystem, wie es Luxforge eingeführt hat, setzt eine gewisse Disziplin beim Eintragen der Informationen auf die Projektzettel voraus. Die Mitarbeiter haben sich schnell daran gewöhnt, berichtet Blanken. „Mittlerweile sind wir in der Defensive, sie haben ständig Verbesserungsvorschläge.“ Ein solches System ist auch für andere Firmen leicht umzusetzen, sind die Geschäftpartner überzeugt. Bei der Tochterfirma in Trier, so Treinen, habe man dazu nur zwei Wochen gebraucht.
Für Luxforge war die Entscheidung, die Unternehmensberater um Rat zu fragen, die richtige. „Man muss sich natürlich bewusst sein, dass dies etwas kostet“, sagt Blanken. „Und man muss die richtigen Berater finden.“ Für Luxforge war das die Firma Traxxion, in der sich ehemalige Mitarbeiter des Maschinenbauers Husky selbstständig gemacht haben. „Wir hatten vorher schon andere Berater gefragt“, so Verwaltungschef Blanken. „Die konnten gut mit Zahlen spielen. Das war auch interessant. Aber ein Handwerksunternehmen umstellen, konnten sie nicht.“
Dass dies mit einer Magnettafel und handgeschriebenen Zetteln möglich ist, es dafür einen Innovationspreis gibt, mag in der zunehmend computergesteuerten Welt überraschen. Ob Luxforge sein System irgendwann informatisieren will? „Noch ist es im Wandel, weil wir immer noch Verbesserungen vornehmen“, gibt Blanken zu bedenken. Sie sind auf Papier leicht umzusetzen. Eine Zukunft, in der die Monteure mit dem Tablett-Computer zur Baustelle fahren, schließen Treinen und Blanken nicht aus. Aber noch sind die Geräte nicht baustellentauglich, und bei ihren vielen ausländischen Kunden sind allein die Roaming-Gebühren ein Faktor, den es zu bedenken gilt. Bis es so weit ist, ist es für die Produktionsmitarbeiter und Monteure auch einfacher, einen Zettel von der Tafel zu nehmen, als auf einer Tastatur oder einem touch screen nach den Projekten zu suchen, schlussfolgert Blanken. Und darum geht es der Firma schließlich. Die Abläufe so einfach wie möglich zu gestalten.