Durchaus eine nützliche Erfindung: der Becher, in dem Eier auch gekocht werden können. Aus Plastik und farblich unterschiedlich, damit klar ist, welches Ei nach kurzer Zeit auf den Frühstückstisch kommen soll und welches hart gekocht werden wird. Sie sind formschön. Das Design stammt von einer Claudia Schäfer, die gerne auch Bambusmotive an Krankenhäuserwände malt. Der Griff des Eierbechers soll beim Kochen angeblich kalt bleiben. Die Plastikeierbecherkocher beleben jeden Frühstückstisch und die Auslage des Museumsladens der Akademie der Künste in Berlin. In der Bonner Bundeskunsthalle liegen sie als Bückware in irgendeiner der Aquarienregale und fallen nicht weiter auf. Im Mudam in Luxemburg hingegen sind sie als der Hingucker dekoriert.
In der Akademie läuft eine Ausstellung zum Lebenswerk des George Grosz, in Bonn wird an den Entdecker James Cook erinnert und in Luxemburg ist eine Schau mit dem Titel Schöne Neue Welt zu sehen. Ob George Grosz sich in seinem künstlerischen Oeuvre je einem Plastikeierbecherkocher angenommen hat oder James Cook das Utensil als Gastgeschenk für fremde Völker im Gepäck mitführte, ist kaum anzunehmen. Nur die schöne neue Welt wird ohne dieses Gadget des perfekt gedeckten Tischs kaum auszumalen sein. Doch keine Museumsshop ohne das Gerät, das zwar Designpreise gewonnen hat, dessen Bezug zur jeweils gezeigten Ausstellung an ganz dünnen Haaren herbeigezogen zu sein scheint. Nur im Mudam nicht. Zur schönen neuen Welt kann einfach alles gehören. Sogar Konfitüre in seltsamen Geschmacksrichtungen in Tuben. Oder, wie es das Luxemburger Museum auf seiner Webseite beschreibt: „Einmalige Stücke oder Serienprodukte, recycelte oder innovative Produkte, bunte Lappalie oder funktionelles Werkzeug, schick oder retro, Spielzeug oder Juwel.“ Das kracht wie Puppe. Das ist die schöne neue Welt. Das ist ein Museumsladen. Ein Krabbeltisch für das globale Bildungsbürgertum.
Ob nun schwedische Möbelmarke, Modekonzern oder amerikanischer Kaffeeladen: Die Globalisierung macht vor nichts, aber auch vor gar nichts mehr halt. Nicht mal mehr vor Museumsläden. Ob Bonn, Berlin oder Luxemburg, ob London, Paris oder Florenz: Wenn sich auch die Namen, Ausleuchtung und Regalfarben der jeweiligen Läden ändern, fällt es dem Kunstschaukäufer schwer zu unterscheiden, wo er denn eigentlich gerade einkauft. Wenig hilfreich ist da der obligatorische Stand mit den Ansichtskarten an der Kasse, denn auch die wurden längst von Mainstreamkünstlern und deren Oeuvre vereinnahmt. Dabei ist es nicht wirklich museumsshopentscheidend, ob nun tatsächlich ein Picasso im Saal nebenan hängt oder nicht.
Irgendwo im Basar für vermeintliche Designjunkies liegen pflichtschuldigst zwei, drei, vielleicht auch vier Bücher zum Leben und Werk des jeweiligen Künstlers aus dem Museumssaal nebenan, dann noch das Plakat oder ein Aufkleber. Wer im Mudam nach Literatur oder individuellem Material zur aktuellen Ausstellung sucht, darf sich auf einem Sideboard austoben. Im Historischen Museum der Stadt Luxemburg gibt es immerhin eine Resterampe, in der die Museen der Großregion ihre Ladenhüter verramschen. Kultur muss nicht teuer sein. Wenn das Geschäft in der Heiliggeiststraße etwas besser an das öffentliche Straßennetz angeschlossen, genügend Parkplätze vorhanden und Einkaufswägen angeschafft wären – Marktlücke: Noch kein Giftshop hat sich diesem De-signdebakel angenommen –, stünde dem Aufstieg des Städtischen Museums in die erste Liga der beliebtesten Läden nichts, aber auch gar nichts mehr im Weg.
Doch die Konkurrenz sitzt in der eigenen Stadt und schläft nicht: Immerhin wurde im Mudam das Andenkengeschäft von unten mit Eintrittskarten nach vorne mit ohne Eintrittskarte verlegt. Und das ist längst nicht alles: „Die Boutique ähnelt der Höhle des Ali Baba, in der ganzjährig Weihnachtsstimmung herrscht“, heißt es auf der offiziellen Webseite des Kunsttempels. Das ist eine Ansage. Doch welche Ernüchterung: Anfang März trägt die Kassenfee des Ladens keine Flügel mehr, ist der Boutique-Weihnachtsbaum längst abgeholzt und statt Jahresendhits ist die Verzweiflung zweier Angestellter zu vernehmen, die sich durch das Warenwirtschaftssystem mühen, um einem Käufling Postkarten mit historischen Ansichten zu verhökern. Karten, die es Bahnhofskiosk in ähnlicher Aufmachung durchaus günstiger gibt. Doch da fehlt beim Kauf die Aura, es an dem führenden Kulturort gekauft zu haben. Schließlich klingt die Einkaufsortsangabe „Museum“ besser als „Bahnhof“.
Wo auch immer auf diesem Globus: Die Ausstattung der Museumsläden ist lieblos, einfallslos, belanglos und steht damit im absoluten Gegensatz zum hehren Anspruch von Kunst, Kultur und Avantgarde, den diese Häuser in alle Welt posaunen. Es ist Mainstream. Es ist langweilig. Es ist wahnsinnig beliebig und unmuseal.
Das Gute an diesem globalen System der Kulturnebenvermarktung ist, dass die Besucher sich ausschließlich auf die aktuelle Ausstellung konzentrieren können, obwohl viele Kunstbeflissene dennoch zunächst – manche sogar einzig und allein – den Museumsshop stürmen, in der Hoffnung einen Schnapp zu machen. Die Boutique des Mudams wartet mit einer besonderen Preissensation für alle Giftshop-Hoppers dieser Welt auf: Claudia Schäfers Universal-Bunt-Eierkocher-Becherhalter ist hier zum unschlagbaren Preis von 80 Cent pro Stück zu haben (Stand: 14. März 2010). In der wahren Warenwirtschaftswelt kostet das Set mit den vier Plastikeierbecherkochern mehr als zehn Euro. Wermutstropfen: Das Luxemburger Mudam sucht darüber hinaus einen Menschen, der der deutschen Sprache mächtig ist, um den Internetauftritt des Musentempels zu überarbeiten, damit Weihnachten im musealen Design endlich wieder ein Saisongeschäft wird.