Das einzige weltweit bekannte Museum der Großregion dürfte das in ein Museum umgewandelte Geburtshaus des Philosophen Karl Marx in Trier sein – auch wenn die Trierer bis heute ihre Porta Nigra bevorzugen. Es zieht jährlich rund 40 000 Besucher aus allen Kontinenten an, davon viele aus der Volksrepublik China. Doch nun droht es rapide mit dem Museum bergab zu gehen.
Ende letzten Jahres trat die Direktorin, die Professorin für Neuere und Neuste Geschichte Beatrix Bouvier, in den altersbedingten Ruhestand. Bouvier, die auch zur Redaktionskommission der 114-bändigen Marx-Engels-Gesamtausgabe (Mega) gehört, hatte nach dem Ende des Kalten Kriegs die Ausstellung erfolg-reich modernisiert und an die propagandistischen Bedürfnisse der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angepasst. Doch die Direktionsstelle wird nicht mehr neu besetzt. Stattdessen beschloss die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD, der das wiederholt bis zur Unkenntlichkeit umgebaute Haus in der Brückenstraße gehört, das Museum von Bonn aus mitzuverwalten. Verantwortlich ist dort nun die Leiterin des Archivs der sozialen Demokratie, die Historikerin Anja Kruke. Um das Tagesgeschäft in Trier soll sich einer der bisherigen Museumsangestellten, der Betriebswirt Karl P. Salm, kümmern.
Gleichzeitig wurde die bis in die letzten Jahre ergänzte und rund 80 000 Bände umfassende Bibliothek des Karl-Marx-Hauses aus-geräumt und nach Bonn gebracht. Ihr gehörten, neben zahlreichen Werken zur Geschichte des Sozialismus, der Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, wertvolle Erstdrucke, frühe Ausgaben und Übersetzungen von Marx und Engels an. Diese in den Sechziger- und Siebzigerjahren antiquarisch zusammengekauften Werke zählten zu den wichtigsten Exponaten des Museums, bis die Ausstellung 2005 weitgehend auf Schrift- und Fototafeln sowie die unvermeidlichen Bildschirmkonsolen umgestellt wurde (d’Land, 19.8.05).
Die Bibliothek gehörte seit 1981 zu dem in einem Nebengebäude des Karl-Marx-Hauses untergebrachten Studienzentrum. Dort konnte nicht nur in der zur Verfügung gestellten Literatur geforscht werden, sondern das Haus organisierte auch wissenschaftliche Kolloquien und öffentliche Vorträge. Das Zentrum pflegte eine eigene Schriftenreihe, in der historische, bibliographische und politische Studien veröffentlicht wurden – auch wenn der Andenkenladen des Karl-Marx-Hauses in letzter Zeit weniger die eigenen Schriften anbot, als Moselwein mit Marx-Etiketten und knallbunte Marx-Gipsköpfe. Weil es nicht mehr länger nötig ist, der DDR das Monopol der Marxologie streitig zu machen, wurde das Studienzentrum nun geschlossen und aufgelöst. Die SPD-Stiftung will das Gebäude, in dem es untergebracht war, bei der nächstbesten Gelegenheit verkaufen.
Mit diesen Entscheidungen verliert die Trierer Institution ihre letzte Autonomie. Der wissenschaftliche Anspruch wird aufgegeben. Das Museum wird zu einem toten Haus, durch das bestenfalls Touristenströme geschleust werden. Der Kalte Krieg ist siegreich beendet, das Karl-Marx-Haus der SPD hat seine Rolle erfüllt, nach der DDR wird nun auch das Marx-Museum abgewickelt.