Wie Krippenfiguren sitzen Lucien Czuga und Roger Leiner in einer Scheune, wenn die Freunde der Strichmännchen und Sprechblasen wieder einmal den Belagerungszustand über Contern verhängt haben. Andächtig pilgert die Fan-Gemeinde des Comic-Festivals dann an ihnen vorbei, und wie am Fließband unterzeichnen sie ihre Superjhemp-Alben.
Superjhemp, der nach der Rechtschreibreform vom 30. Juli 1999 eigentlich Superjemp heißen müsste, ist die mit Abstand bekannteste Comic-Figur der Luxemburger Literatur. Selbst als Merchandising existiert sie, und eine von Andy Bausch geplante Verfilmung des Stoffes mit Thierry van Werveke in der Titelrolle scheiterte nur, weil die Filmförderung das allzu miserable Drehbuch ablehnte.
Der 1988 entstandene rotweißblau gekleidete Übermensch Superjhemp ist gleichzeitig ein erfolgreiches Produkt und eine Persiflage des neuen Nationalismus der Achtzigerjahre. Er ist die Luxemburger Variante von Marcel Gotlibs und Jacques Lobs 1977 entstandenem Super Dupont, jenes mit Camembert gedopten Durchschnittsfranzosen und Anti-Astérix - der wiederum Jerry Siegels und Joseph Shusters aus dem Himmel herabgestiegene Erlöserfigur Superman persifliert, welche 1938 die USA vor den moralischen Folgen der Weltwirtschaftskrise zu retten begann.
Superjhemp rettet jedes Frühjahr in den hinteren Spalten der Revue die Heimat, so dass rechtzeitig für den Weihnachtsmarkt die Fortsetzungsgeschichte als Album erscheinen kann. Dabei verulkt der mit übermenschlichen Kräften versehene Spießer als fliegender Siggy vu Lëtzebuerg nach einem festen Erzählschema sämtliche Attribute des in einem Zwergstaat ohnehin nur als Karikatur möglichen Nationalismus. Wie in Pol Greischs Theaterwelt bewegen sich auch die Superjhemp-Figuren im Staatsbeamtenmilieu, als gehöre es zum Nationalcharakter, verbeamtet zu sein.
Auch der eben erschienene 14. Band, Lescht Chance fir Luxusbuerg, wiederholt das erfolgreich erprobte Muster: Wie ein Weihnachtsbaum wird ein gerade aktuelles Thema der Popkultur, meist Kino oder nationale Mythen - diesmal Godzilla, Batman und Entrapment - mit Anekdoten behängt, die zur Entstehungszeit des neusten Abenteuers gerade in den Schlagzeilen waren - Thronwechsel, Regierungswechsel, Bankgeheimnis, Geiselnahme von Wasserbillig, Escher Neuwahlen... Hinzu kommen zur Bedienung des Wiedererkennungseffekts jede Menge mehr oder weniger bekannte Zeitgenossen als Statisten sowie Wortspiele mit bekannten Personen- und Markennamen, aber auch sexistische und rassistische Stereotypen und andere running gags, deren Satire jedoch nie den politischen und gesellschaftskritischen Konsens der nationalen Stammtische aufkündigt.
In Lescht Chance fir Luxusbuerg bedroht, als Fortsetzung des vorherigen Albums Terror ëm den Troun, schon wieder eine Usurpatorin die Nassauer Thronfolge, ein Thema, das fast regelmäßig wiederkommt, seit für den zweiten Band, Dynamit fir d'Dynastie, die Geschichte des Grafen Georg von Merenberg ausgegraben wurde. Es geht der starken und damit im Déckkäpp-Weltbild bösartigen Frau jedoch nur um ein im Palais verstecktes Dinosaurier-Ei, aus dem ein Riesenreptil schlüpft, das die Stadt niedertrampelt. Völlig zusammenhanglos wollen irgendwann auch noch finstere Gestalten das Bankgeheimnis lüften.
Während Roger Leiners Zeichnungen im Laufe der 14 Alben plastischer und farbiger, seine Knollennasen-Männchen in der Tradition der belgisch-französischen Schule dynamischer wurden, hat sich die immer gleiche Geschichte von nationaler Bedrohung und Errettung totgelaufen. Die Handlung wird von Album zu Album immer wirrer, beliebiger und zerfahrener, so als sei sie bloß noch eine lästige Pflicht für Lucien Czuga, der damit Einzelszenen und Kalauer aneinander reihen kann.
Lucien Czuga, Roger Leiner: De Superjhemp. Lescht Chance fir Luxusbuerg. Éditons Revue, Luxemburg 2000, 48 S., 325 Fr.