Kinderbetreuungssektor

Qualität kostet

d'Lëtzebuerger Land vom 02.03.2012

Mehr finanzielle Eigenbeteiligung, im Tausch dafür eine bessere Qualität. Das schien die Taktik der schwarz-roten Koalition Anfang Februar 2012 zu sein – der sie dann offenbar selbst mehr nicht über den Weg traute. Denn dass die Regierung gleichzeitig Maß-nahmen zur Qualitätsentwicklung im Kinderbetreuungssektor plant wie sie über eine Erhöhung des Elternbeitrags nachdenkt, wollte sie dann doch lieber nicht publik machen.

Ein solcher Schritt ist politisch heikel: Damit ist das vollmundige Bekenntnis des Premiers zu einer Gratis-Kinderbetreuung in spe wohl für längere Zeit ad acta gelegt. Die Krise, vor allem aber die steigende Staatsschuld, lassen solche Angebote unrealistisch erscheinen. Der Staat gibt derzeit schon über 212 Millionen Euro für die Kinderbetreuung aus. Gleichzeitig werden die Stimmen, die eine unzureichende Qualität im boomenden Betreuungssektor anprangern, immer lauter. Und sie erklingen, anders als die Regierung das jetzt scheinheilig glauben machen will, nicht erst seit einer kurzen Zeit: Bedenken gegenüber dem eilig übers Knie gebrochenen Maison-relais-Gesetz gab es von Anfang an. Selbst die LSAP war über den hektisch vor der Sommerpause 2005 gelandeten Coup ihres schwarzen Koalitionspartners gar nicht froh, hat es allerdings, von einigen wenigen Stimmen abgesehen, selbst versäumt, aus den offensichtlichen handwerklichen Mängeln politisches Kapital zu schlagen.

Dabei war sehr schnell klar, spätestens mit der Einführung der Dienstleistungsschecks, dass die Gemeinden (darunter zahlreiche sozialistische), den Ansturm auf die Kinderbetreuung kaum würden bewältigen können. Ausgerechnet die Jugend- und Familien[-]ministerin fand Turnhallen als Ausweichmöglichkeit für Kinder akzeptabel. Auch da blieb die Empörung weitgehend aus.

Dass der Gesetzgeber nun doch Qualität verpflichtend vorschreiben will, kann man als – begrenzte – Einsicht werten. Einsicht darin, dass ein weitgehend ungeregelter Betreuungsmarkt nicht funktioniert. Wer nicht wenigstens vorschreibt, dass es pädagogische Konzepte und Richtlinien geben muss – eigentlich ein Must, um überhaupt von Betreuung statt purer Ver-wahrung sprechen zu können; wer auf Flexibilisierung setzt, ohne ihr Grenzen zu geben, darf sich nicht wundern, wenn in den Haupt- und Nebenstraßen durch das Land Kinderbetreuungsstrukturen wie Pilze aus den Boden schießen, deren Qualität teils mit Recht infrage gestellt wird. Wer dazu weiß, dass viele Betriebsgeneh[-]migungen im Vorfeld vergeben wurden, ohne dass sicher gestellt war, dass wirklich alle Sicherheitsstandards erfüllt waren, der darf mit den politisch Verantwortlichen aufatmen, dass, außer vom tragischen Todesfall in Steinsel, wenig geschehen ist.

Dass also nun Qualitätsauflagen kommen, ist eine gute Sache. Und längst überfällig. Die Frage ist nur: Reichen sie aus? Es wird entscheidend darauf ankommen, was für Leitlinien die neue Kommission (siehe Text) vorgeben wird, die, man höre und staune, offenbar ohne Experten aus der Wissenschaft und aus der Berufs-praxis auskommen soll. Stattdessen sitzen voraussichtlich jene Verantwortlichen darin, die es bislang versäumt hatten, rechtzeitig die nötigen Qualitätsstandards einzuziehen.

Ob die Qualität der Betreuung steigt, hängt zudem davon ab, ob und wie die Einrichtungen diese Vorgaben umsetzen werden. Dass für Niedrigqualifizierte, die weniger als 20 Stunden arbeiten, keine verpflichtende Weiterbildung vorgesehen ist, ist eine Schwäche. Der erlaubte Schlüssel für Niedrigqualifizierte in den Maisons relais bleibt zudem unverändert.

Und die wenigen Prüfer, die das Monitoring der Einrichtungen begleiten sollen, könnten heute schon kaum die über 1 100 genehmigten Kindergärten, Maisons relais, Foyer scolaires, Crèches, Tageseltern und wie sie alle heißen, wirksam prüfen. Auch das ist eine Botschaft: 2,5 Millionen Euro Personalkosten für 22 Prüfer, ja. Aber nicht mehr. Wenn aber Eltern für die Betreuung mehr bezahlen sollen, muss die Qualität stimmen. Und die hängt, das zeigen schwarze Schafe in der Branche, entscheidend von einer wirksamen Kontrolle ab. Damit Eltern aber als mündige Bürger die jeweils beste Betreuung für ihre Kinder wählen können, ist Transparenz gefordert. Deshalb müssen sie auch das Recht bekommen, die Ergebnisse der Qualitätstests einzusehen.

Ines Kurschat
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