Das Lied Echad Mi Yodea geht unter die Haut. Die Choreografie von Ohad Naharin, dem künstlerischen Leiter der Batsheva Dance Company, berührt durch den kraftvollen Tanz wie durch das Lied, das Juden auf der ganzen Welt zum Pessachfest singen, um an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei zu erinnern. In 7 Tage in Entebbe dient diese Choreografie als Rahmen. Regisseur José Padilha hat sie in den Film eingeflochten, um die ohnehin schon dramatischen Geschehnisse rund um die Flugzeugentführung in Entebbe – am 27. Juni 1976 wurde ein Flugzeug der Air France nach dem Start in Athen entführt mit dem Ziel der Freilassung von insgesamt 53 Terroristen – melodramatisch zu untermalen. Das geht allerdings so schief, wie der Rest des Films. Denn so wirkt die gesamte Militäroperation wie ein martialisches blutiges Fest: eine Befreiungsaktion der israelischen Armee, die über Leichen gehe, wenn es um das Leben israelischer Bürger geht.
Obwohl Regisseur Padilha, der mit dem Favela-Thriller Tropa de elite (rund um den Kampf einer Spezialeinheit der Militärpolizei gegen die Drogenmafia in den Favelas Rio de Janeiros) 2008 bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann, als dezidiert politisch gilt, scheint es ihm mit 7 Tage in Entebbe weniger um die Rekapitulation historischer Ereignisse und deren Erklärung zu gehen als um einen reißerischen Actionthriller. So ließe sich zumindest erklären, wieso der Film in sämtliche Klischees abgleitet und konsequent auf Stereotype setzt.
Nicht nur Ugandas diktatorischer Staatspräsident Idi Amin wirkt in dem Film geradezu grotesk überzeichnet und erinnert an die Darstellung von Afrikanern in Tintin au Congo. Die Revolutionäre Wilfried „Boni“ Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) wirken wie naive, fanatische Kinder, die nicht wissen, wieso sie sich eigentlich den revolutionären Zellen angeschlossen haben. Kuhlmann rennt meist mit irrem Blick durch den Gang der entführten Air-France-Maschine, schluckt Pillen und versichert sich selbstgewiss, während sie ihren Kumpan Boni als Flasche beschimpft: „Ich bin Revolutionärin“. Als am Flughafen in Entebbe die jüdischen Passagiere von den anderen getrennt werden (eine Szene, die natürlich Assoziationen an die Selektionen in Konzentrationslagern während der NS-Zeit weckt), sind Kuhlmann und Böse überrascht. „Ich bin doch kein Nazi“, sagt Böse, bevor er sich auf die Forderungen der zwei Mit-Entführer, zwei palästinensischen Angehörigen der Volksfront zur Befreiung Palästinas, einlässt.
Derart platte Dialoge und hanebüchene Aussagen ziehen sich durch den Film wie ein roter Faden. So sagt Daniel Brühl als Wilfried Böse aka Boni „Die Araber“ seien „ein sozialistisches Volk“, und ein junger Soldat der israelischen Eliteeinheit, der Teil der „Operation Entebbe“ sein wird, versichert seiner Freundin, Tänzerin in Ohad Naharins Tanz ensemble: „Ich kämpfe, damit du tanzen kannst.“ Während Israels Kabinett emsig hinter den Kulissen verhandelt, monologisiert Lior Ashkenazi (Hauptdarsteller in dem preisgekrönten Film Foxtrot und der einzige souveräne Schauspieler in Padilhas Action-Thriller) in der Rolle des Premierministers Yitzhak Rabin: „Wenn wir nicht verhandeln, wird dieser Konflikt nie aufhören.“
Abgesehen davon bemüht sich der Film nervig um Ausgewogenheit in einem Konflikt, der einer Parteinahme bedarf, der sich ja letztlich auch Padilha nicht entzieht. Seine pädagogische Message: Jede Figur in dem überfrachteten Drama hat Gründe für ihr Handeln, will zeigen, dass die Figuren nicht eindimensional gut oder böse sind, sondern dass sie alle irgendwelche (persönlichen) Motive haben. Kurze Rückblenden, in denen die beiden deutschen Revoluzzer in einem palästinensischen Trainingscamp gezeigt werden und beim Planen der Flugzeugentführung in einer verstaubten Buchhandlung, müssen als Erklärung dafür ausreichen, dass sich die behüteten Bürgerkinder der RAF anschlossen. Fanatismus als Selbstweck und Protesthaltung und sowas halt. Kein differenzierter Blick auf die 68er Bewegung, deren anti-israelische Haltung – wiederentfacht durch den Sechstagekrieg – sich bis heute beständig in weiten Teilen der „Linken“ hält, sich allerdings wohl kaum in 100 Minuten erklären lässt und keinerlei Bezug zu aktuellem Terrorismus und seinen Wurzeln. 7 Tage in Entebbe macht es damit gerade vermeintlichen Weltverbesserern wieder einmal einfach, Israel zu dämonisieren. Und Naharins Choreografie verstärkt, eingebettet in den martialischen Kontext einer Militäroperation, leider das Klischee eines Volks religiöser Fanatiker. Der Film dürfte den kritischen Dialog damit wohl kaum befördern, sondern die Fronten nur noch vertiefen.