Sie soll für mehr Gerechtigkeit sorgen: die Gemeindefinanzreform, deren Grundzüge Innenminister Dan Kersch (LSAP) diese Woche vorgestellt hat. Schon sein Vorgänger Jean-Marie Halsdorf (CSV) hatte sich daran versucht, kam aber nicht weit. Dan Kersch meint, das lag daran, dass die damalige Regierung nicht bereit war, dem Gemeindesektor mehr Geld zuzugestehen. Die DP-LSAP-Grüne-Regierung dagegen werde ihn um Ausgaben von 90 Millionen Euro entlasten.
Ob Dan Kerschs Reformansatz erfolgreicher sein wird, ist trotzdem nicht sicher. Zum einen sollen die zwei Hauptquellen der ordentlichen nicht zweckgebundenen Einnahmen der Gemeinden zusammengefasst werden. Die kommunale Gewerbesteuer (600 Millionen Euro im Jahr 2015) und der staatliche Dotationsfonds FCDF, über den die Gemeinden Anteile vom Steueraufkommen des Staats erhalten und der im vergangenen Jahr rund eine Milliarde schwer war, sollen in einem einzigen Fonds aufgehen und gemeinsam umverteilt werden. Finanzpolitisch unterstellt das die Gemeinden stärker dem Staat. Zum anderen will der Innenminister es noch mehr als heute von der Bevölkerungszahl vor Ort abhängig machen, wie viel an wen umverteilt wird. Vor allem dadurch sollen 74 der 105 Gemeinden mehr erhalten, während 31 etwas abgeben. Die Pro-Kopf-Einkünfte würden damit nach oben nivelliert. Schließlich soll die Umverteilung künftig auch sozialen Kriterien folgen, wie der lokalen Arbeitslosenquote, der Zahl der Alleinerziehenden und ob eine Gemeinde kommunale Sozialwohnungen bauen lässt oder unterhält. Dagegen soll es keine Zuwendungen mehr für besonders viele Grünflächen geben. Das Geld solle „dahin, wo die Leute wohnen“, sagte Dan Kersch am Dienstag vor der Presse.
Das klingt plausibel und deckt sich mit dem landesplanerischen Ziel, die Städte und vor allem bestimmte „Entwicklungszentren“ zu stärken, Landgemeinden dagegen im Wachstum zu bremsen. Wirken soll das ab 2022. Bis 2021 würde der Staat garantieren, dass auch keine der 31 „Verlierergemeinden“ weniger Einnahmen hätte als 2015.
Doch dass der Präsident des Gemeindeverbands Syvicol am Mittwoch gegenüber dem Wort klagte, er vermisse „genaue Zahlen“, zeigt, dass die Reform nicht unproblematisch ist: Welchen Finanzierungsbedarfen der neue Finanzausgleich entspricht, kann der Minister nicht zeigen. Da fragt sich, wie gerechtfertigt die neuen Pro-Kopf-Einstufungen sind. Hat es vielleicht mit dem politischen Gewicht der Stadt Luxemburg zu tun, dass deren Einnahmen weiter steigen sollen? Warum soll Clerf pro Kopf mehr Geld erhalten als Wiltz: Entwicklungszentren sind beide, aber in Wiltz sind soziale Probleme notorisch. Erfüllen die neuen Sozialkriterien ihren Zweck etwa nicht?
Diese Frage enthält noch eine besondere Note. Sozialkriterien für den Finanzausgleich einführen zu wollen, steht dem Innenminister gut zu Gesicht, der sich gern dem linken Flügel der LSAP zurechnet. Doch es sind nicht zweckgebundene Gemeinde-Einnahmen, die er an soziale Parameter binden will. Das würde aus ihnen Subventionen machen und die Gemeinden zu bestimmten Politiken verpflichten. So gut sich das anhören mag: Wahrscheinlich verletzt es die Gemeindeautonomie.
Das kann man auch von der Idee behaupten, den Flächengemeinden auf dem Land ihr Grünland-Kriterium zu nehmen, das in der Praxis die Erschließung dieser Gemeinden unterstützt. Dass die Nord-CSV dagegen schon protestiert hat, überrascht nicht. Aber die Reform ist letztlich ein Notbehelf. Strukturell ändern muss sich etwas, will man den Bevölkerungszuwachs kanalisieren. Im EU-Vergleich verfügen die Luxemburger Gemeinden nur über durchschnittlich viele Finanzmittel, während sie immer neue Missionen übernehmen. Doch eine große Gemeindefinanzreform ist nur denkbar im Rahmen einer großen Steuerreform. Die Regierung aber unternimmt lediglich eine punktuelle. Und sie will lieber doch nichts an der kommunalen Grundsteuer ändern. Dabei hätte das die Kommunalfinanzen wesentlich aufbessern können. Da die Dinge so liegen, muss der Innenminister halt improvisieren.