Es gibt viele Arten, gesellschaftliche Entwicklungen und ihre politische Lenkung zu beschreiben. Eine der aussageärmstem ist das aus der Betriebswirtschaft zweckentfremdete Benchmarking und insbesondere dessen bei EU, OECD und IWF beliebte Verarbeitung zu internationalen Hitparaden. Die hierzulande vor allem durch Weihnachtskarten bekannte Kinderhilfsorganisation der Vereinten Nationen Unicef veröffentlichte soeben in ihrer Serie Innocenti Report Card einen vergleichenden Überblick des Wohlergehens der Kinder in reichen Ländern. Dazu wurden nationale Statistiken aus EU- und OECD-Staaten aufbereitet, gewichtet und verglichen.
Das Wohlergehen der Kinder in Luxemburg kommt in der Unicef-Hitparade auf Platz sieben unter 29 Staaten. Am besten schneidet die medizinische Betreuung der Kinder in Luxemburg ab, nachdem beispielsweise in den zurückliegenden Jahrzehnten große Fortschritte bei der Bekämpfung der Kindersterblichkeit gemacht wurden. Auch die vergleichsweise komfortablen Wohnbedingungen und die dank der Sozialtransfers niedrigere Armutsrate der Kinder in Luxemburg stehen eher beispielhaft da. Dass Luxemburg trotz seines im internationalen Vergleich hohen Prokopfeinkommens und gut entwickelten Sozialstaats aber mit einem bestenfalls ehrbaren Gesamtplatz vorliebnehmen muss, ist auf die sehr schlechte Benotung seines auf luxemburgische Mittelschichtskinder ohne Lernschwierigkeiten zugeschnittenen Bildungswesens zurückzuführen. Wobei die Schulbildung noch schlechter dargestellt wird, als sie ist, da das Unicef-Papier in einer Fußnote erklärt, nur jene Studien zu berücksichtigen, denen Jugendliche im Inland nachgingen, viele Luxemburger aber ihrer Bildung im Ausland abschließen.
Bei der auf ältere Kinder beschränkten Aufforderung, ihr Leben selbst zu benoten, erklärten sich über 85 Prozent der befragten Elf- bis 15-Jährigen hierzulande mit ihrer Existenz zufrieden. Das mag gerade für Pubertierende eine hohe Rate sein. Trotzdem erscheint das subjektive Wohlbefinden Luxemburger Kinder auf den ersten Blick merklich geringer als das indirekt gemessene Wohlergehen. Doch hier wird das internationalen Benchmarking völlig ad absurdum geführt, um so mehr als der Unterschied von einem Land zum anderen meist weniger als einen Prozentpunkt beträgt.
Unter dem Strich geht es laut Unicef den niederländischen Kindern, gefolgt von den skandinavischen, am besten. Zum Schluss kommen die Kinder in den USA, nur den litauischen, lettischen und rumänischen Kindern geht es noch schlechter. Dieses Ergebnis ist alles andere als überraschend. Denn daran lässt sich leicht ablesen, dass es den Kindern in jenen Ländern besser geht, die einen hoch entwickelten Sozialstaat besitzen, während es Kindern in Staaten schlechter geht, die sich keinen solchen Sozialstaat leisten können, wie Rumänien, oder wollen, wie die USA.
Die Erklärung liegt auf der Hand: Nach dem gesetzlichenVerbot der Kinderarbeit in den reichen Industriestaaten verfügen Kinder über kein eigenes Einkommen und nur ausnahmsweise über Vermögen. Zur Sicherung ihrer Existenz sind sie deshalb völlig von Transfers ihrer Familien und des Staats abhängig. Nicht die Gewerkschaften, nicht die Rentner und nicht die Staatsbeamten, sondern die Kinder sind die gesellschaftliche Gruppe, die mit Abstand das größte Interesse an der Umverteilung von Steuereinnahmen durch den Sozialstaat hat. Selbstverständlich ohne sich dessen bewusst zu sein, sind sie objektiv noch immer so sozialdemokratisch und antiliberal, wie sonst niemand mehr im Land. So dass böse Onkels ihnen schon glattweg die kostenlose Kinderbetreuung versprachen. Natürlich hielten sie ihr Versprechen nicht, wie böse Onkels das so tun.