ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Wirtschaftspilier

d'Lëtzebuerger Land du 29.11.2024

Anfang des Monats organisierte Luxinnovation den ersten „Defence Technology and Innovation Day“. Luxinnovation wird vom Staat finanziert. Um die Innovation in der Privatindustrie zu fördern. Neuerdings auch im Kriegshandwerk.

Über 200 Vertreter von Regierung, Armee, Rüstungsfirmen nahmen an der Tagung teil. Auf kleinen, runden Partytischen stellten sie ihre Produkte aus. Eher Hightech als Tellerminen. Die Offiziere trugen Uniform. Sie redeten wie Anlageberater. Sie nannten Militärsatelliten „space assets“: Im Himmel zirkuliert fixes Kapital.

Die Tagung fand in der Maison des arts et des étudiants in Belval statt. Das Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust der Universität zählte zu den Ausstellern. Die Universität ist kein friedlicher Hort von Forschung und Lehre. Das Luxembourg Institute of Science and Technology (List) warb mit der Losung „Excellence for impact“.

Nach dem Bankenkrach 2008 hemmten Austerität und Lohnmäßigung die Massenkaufkraft. Große Mengen überakkumulierten Kapitals suchten andere Anlagemöglichkeiten. Nicht nur in Immobilien und Wertpapieren. Die europäischen Staaten entdeckten den Rüstungs-Keynesianismus: statt privaten Warenkonsums staatlichen Waffenkonsum. Erst zaghaft. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ungehemmt.

2023 betrugen die russischen Militärausgaben 109 Milliarden Dollar. Diejenigen der Nato-Staaten 1 341 Milliarden Dollar (Sipri Fact Sheet, April 2024, S. 1). Noch mehr Milliarden machen militärisch wenig Sinn. Geschäftlich schon.

Wo nichts zu holen ist, verlangt die Handelskammer Sparmaßnahmen: Im Haushaltsgutachten für 2007 forderte sie „de reconsidérer le montant des crédits alloués et un échelonnement du renouvellement des équipements militaires“ (S. 138). Heute wirbt ihr Direktor für „D’Verdeedegung als neie Wirtschaftspilier“ (RTL, 11.10.24).

Carlo Thelen verlangt, „dass ee groussen Deel vun de Steiersuen, déi an d’Verdeedegung investéiert ginn, direkt oder indirekt an eis Wirtschaft fléissen“. In drei Jahren will die Regierung die Rüstungsausgaben auf eine Milliarde jährlich erhöhen. Die Handelskammer wacht, damit „och Lëtzebuerg sech hei ee spierbaren ‚retour sur investissement‘ séchert“. Mit „Lëtzebuerg“ sind die Industrien und Start-ups der Branche gemeint. Das Verteidigungsministerium zählte deren fast hundert.

Der Direktor der Handelskammer wünscht sich einen zweiten „Verdeedegungsfong“. Um nach Namsa, WSA ausländische Waffenschmieden nach Luxemburg zu locken. „Hir Produkter an Technologië kéinten da vum Lëtzebuerger Staat kaaft ginn, an dës Ausgabe kéinten dann als Nato-Effort ugerechent ginn.“ Die Militarisierung der Europäischen Union verspricht zudem Geld aus Brüssel. Nur an Diplomatie, Verhandlungen, Entspannung ist nichts zu verdienen.

Um an der Aufrüstung zu verdienen, gründete die Handelskammer Arbeitsgruppen. Im September verbreitete sie die gute Nachricht in einem Rundschreiben: „Dépenses de défense: le Luxembourg va doubler son effort en six ans“ (Eco News Flash N° 17). Ende Oktober organisierte sie eine Prospektionsreise nach Kanada. Für die „secteurs du spatial, de la cybersécurité et de la défense“.

Die Luxemburger Rüstungsindustrie florierte im 19. Jahrhundert. Nun blüht sie wieder auf: „We also promoted the Luxembourg defence industry via a national pavilion at the global defence and security event Eurosatory.“ Heißt es im Rechenschaftsbericht 2022 von Luxinnovation (S. 16).

Nächstes Jahr wird der staatliche Klima- und Energiefonds mit 216 Millionen Euro gespeist. Der Fonds d’équipement militaire mit 390 Millionen. Klima-Keynesianismus war gestern. Die Zukunft gehört dem Rüstungs-Keynesianismus.

Romain Hilgert
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