Die Regierung will „Deeler vum Aarbechtsrecht och iwwerpréiwen. Dat ass e moderne Staat“. So Premier Luc Frieden nach der Kabinettsitzung vom 25. Oktober. Kollektivverträge sollten nicht bloß mit Gewerkschaften ausgehandelt werden. Auch irgendwie mit „Personaldelegéierten an de Betriber, déi net an enger Gewerkschaft sinn“.
Dazu müsse untersucht werden, ob „een net verschidden Detailer méi um Niveau vun den Entreprisë“ regeln soll. Weil Gesellschaft, Wirtschaft, Arbeit sich veränderten. Sowie „dat, wat nach alles op eis zoukënnt mat der kënschtlecher Intelligenz“.
Das Ansinnen ist ein Jahrhundert alt. Damals forderte das Écho de l’Industrie, dass „die Arbeitgeber mit ‚betriebskundigen Vertretern‘ (d.h. Ausschußleuten) statt mit ‚betriebsfremden Elementen‘ (d.h. Gewerkschaftsvertretern) diskutierten [...], die wirtschaftlich von ihnen unabhängig waren“ (Marc Lentz, in: 75 Joër fräi Gewerkschaften, Esch-Alzette, 1992, S. 198).
95 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten gegen Lohn und Gehalt. Sie werden Arbeitnehmer genannt. Doch Arbeitnehmer nehmen keine Arbeit, sondern verkaufen sie. Arbeitgeber geben keine Arbeit, sondern Geld. Um sie zu kaufen.
Ein Stahlarbeiter verkauft dem Schmelzherrn Lakshmi Mittal seine Arbeitskraft. Die liberale Lehre nennt sie zwei freie, gleiche Vertragsparteien. Im Leben können die Stahlarbeiter sich nur kollektiv Gehör verschaffen.
Deshalb waren die Unternehmer lange gegen Kollektivverträge. Deshalb strafte Artikel 310 des Strafgesetzbuchs jene, die sich eines „Eingriffs in diereiheit der Arbeitgeber oder der Arbeiter schuldig machen, durch Zusammenrottung“, um „das Steigen oder Fallen der Löhne zu erzwingen“.
1921 ließen Schmelzherrn und Regierung den März-Streik von französischen Soldaten niederschlagen. Hierauf boten die Gewerkschaftsführungen Sozialpartnerschaft an. Die Unternehmer winkten dankend ab. Sie waren in einer Position der Stärke.
Die Arbeiter und Angestellten wollten den Vorteil eines Kollektivvertragsgesetzes. Sie erhielten bloß dessen Nachteil – die Friedenspflicht. Die Großherzoglichen Beschlüsse vom 8. Mai 1925 über Arbeiterausschüsse, vom 23. Januar 1936 über den Nationalrat der Arbeit, vom 6. Oktober 1945 über das Nationale Schlichtungsamt sollten die Gewerkschaften entwaffnen: Mit langen Prozeduren Streiks verhindern oder deren Dynamik brechen. Um eine Schwächung der Unternehmer bei Lohnverhandlungen zu verhindern.
Am 12. Januar 1936 forderten 40 000 Demonstranten Lohnerhöhungen, die Anerkennung der Gewerkschaften. Am 14. Juli 1936 traten die Bergarbeiter in den Streik. Die Unternehmer waren in einer Position der Schwäche. Sie boten Sozialpartnerschaft an. Am 23. Juli 1936 unterzeichneten sie den ersten Kollektivvertrag in der Schwerindustrie.
Durch das Gesetz vom 11. Mai 1936 wurde Artikel 310 des Strafgesetzbuchs abgeschafft. 2002 scheiterte Justizminister Luc Frieden mit der Wiederbelebung als „Lex Greenpeace“.
Das Parlament wollte am 17. Dezember 1935 ein Kollektivvertragsgesetz verabschieden. Premier Joseph Bech drohte mit der Vertrauensfrage, um die Abstimmung zu verhindern. Gegen den Willen seiner Partei. Die Unternehmer waren zufrieden. Im April 1987 erhielt Luc Frieden ein Joseph-Bech-Stipendium.
Das Kollektivvertragsgesetz wurde erst am 12. Mai 1965 verabschiedet. Artikel 2 besagt: „Ne peuvent être parties à une convention collective [...] que les organisations syndicales les plus représentatives sur le plan national.“
Das hat Arbeitsminister Georges Mischo nun zu ändern. Einer Europäischen Richtlinie gemäß hat er die Tarifbindung auf 80 Prozent zu erhöhen. Ohne mittelständische Unternehmerinnen mit Branchenkollektivverträgen zu ärgern.