Finanzminister Pierre Gramegna (DP) hatte während der Haushaltsdebatten vergangene Woche angekündigt, dass das Parlament „in den kommenden Wochen“ das Gesetz über die Verwaltung der Staatsfinanzen samt der darin vorgesehenen Defizitbremse verabschieden werde. Das wird nicht zu früh sein, denn der vor zwei Jahren unterzeichnete Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion schrieb vor, dass die oft Schuldenbremse oder Règle d’or genannte Defizitbremse spätestens zum 1. Januar 2014 in Kraft treten muss. Die Verspätung erklärt sich aus der parteiübergreifend geringen Begeisterung für diesen Knüppel zur ökonomischen Disziplinierung, dem Rätselraten um die angemessene Ratifizierungsprozedur, den vorgezogenen Kammerwahlen – die CSV/LSAP-Regierung brachte den Gesetzentwurf eine Woche nach ihrem Sturz ein –, den verspäteten Haushaltsdebatten und schließlich der Weigerung der Zentralbank.
Nach monatelangem Hin und Her legte die Regierung vor zwei Wochen 15 Änderungsanträge zum ursprünglichen Gesetzentwurf vor. Viele befassen sich auf Anraten des Staatsrats mit präziseren Formulierungen einzelner Bestimmungen. Die auffälligste Änderung betrifft die vom Stabilitätspakt vorgeschriebene unabhängige Kontrollinstanz über die Entwicklung der Staatsfinanzen. Im ursprünglichen Entwurf war die Zentralbank kurzerhand mit dieser Aufgabe beauftragt worden. Aber nach dem Meutern der Zentralbank soll nun ersatzweise ein Conseil national des finances publiques geschaffen werden, dessen sieben Mitglieder vom Parlament, dem Rechnungshof, den Berufskammern und der Regierung ernannt werden. Was an Entschädigungen und Sekretariatskosten jährlich um die300 000 Euro teurer wird.
Außerdem soll das Gesetz über die mehrjährige Finanzplanung die Beiträge festlegen, welche die Gemeinden und die Sozialversicherung zur Einhaltung der vom Stabilitätspakt vorgegebenen Haushaltsnormen, das heißt Sparziele, liefern müssen. Das ist eine strengere Verpflichtung als die unverbindliche Feststellung im ursprünglichen Entwurf und dürfte die Anhänger der Gemeindeautonomie und der Selbstverwaltung der Sozialversicherung alles andere als erfreuen.
Weil die Frage, was genau ein strukturelles Saldo ist, auch nach der Exegese des Stabilitätspakts, des Six-Pack und des Two-Pack eine theologische bleibt, soll das Gesetz über die mehrjährige Finanzplanung bloß noch die Entwicklung der nominalen Salden vorgeben. Ursprünglich sollten noch die nominellen und die strukturellen Salden festgelegt werden.
Doch ansonsten bleibt die neue Regierung bei der Politik der alten: Die Defizitbremse bleibt weiterhin in einem unauffälligen Verweis auf den Stabilitätspakt in Artikel 2 versteckt, und auch bei der Prozedur zu ihrer Einführung soll geschummelt werden: Weil die Schuldenbremse möglichst klein gehalten werden soll, laut Stabilitätspakt aber Verfassungs- oder verfassungsähnlichen Rang haben muss, soll das Gesetz mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten verabschiedet werden. Aber der Staatsrat und die Handelskammer wiesen in ihren Gutachten schon darauf hin, dass die Verfassung qualifizierte Mehrheiten für Gesetze gar nicht vorsieht, und vielleicht merkt das auch der Europäische Gerichtshof.