„Alle Beteiligten an einem Tisch zu versammeln.“ So lässt sich Premier Xavier Bettels Vorstellung von Politik zusammenfassen und er wird nicht müde, sie ständig zu wiederholen, getreu der alten Diplomatenregel, dass man, so lange man miteinander rede, nicht aufeinander schieße. Doch am Dienstag hatte die Union des entreprises luxembourgeoises (UEL) zu einer etwas feierlichen Erklärung eingeladen, und ihr Vorsitzender, Michel Wurth, meinte, der Dachverband aller Unternehmervereinigungen wolle lieber nicht mehr mit allen Beteiligten an einen Tisch geladen werden. Man solle den Sozialdialog auf Landesebene doch bitte in der Tradition der Tripartite auf wirtschaftliche Krisensituationen beschränken.
Der nationale Sozialdialog, ob er nun Tripartite genannt wird oder nicht, sei zu sehr „mediatisiert“ und versetze die Regierung und die Sozialpartner deshalb unter politischen Zugzwang. Aus diesem Grund ziehen die Unternehmer eine Rückkehr zu der traditionellen Praxis aus dem Bürgerkundebuch vor, laut der ein Minister einen Gesetzesvorentwurf ausarbeiten lässt, Unternehmer und Gewerkschaften getrennt empfängt, um sie dazu anzuhören, und dann den Gesetzentwurf auf den Instanzenweg bringt, den die Berufskammern begutachten können. Die Erklärung im Namen der UEL sollte zeigen, dass sich alle Unternehner in dieser Frage einig sind, selbst auf die Gefahr hin, wieder des Boykotts bezichtigt zu werden, nachdem sie bereits unter der CSV/LSAP-Koalition verschiedene sozialpartnerschaftliche Gremien verlassen hatten
Grund für diese Klarstellung war selbstverständlich die von Premier Xavier Bettel in der Erklärung zur Lage der Nation angekündigte Reform des Arbeitszeitgesetzes, die „politisiert“ worden sei, so Michel Wurth. Die Unternehmer fühlen sich von der Regierung verraten, weil sie sich nicht an den ihnen vorgestellten Kompromiss gehalten, sondern nachträglich die Zahl der Urlaubstage erhöht habe, mit denen der Verzicht auf Überstundenaufschläge ausgeglichen werden soll. Michel Wurth bemühte sich, den Unterschied zwischen dem nationalen Sozialdialog zu betonen, der „nicht so gut klappt“, und dem Sozialdialog auf Betriebsebene, wo Unternehmer und Personalvertreter anscheinend im besten Einvernehmen zusammenarbeiten. Damit will die UEL aber nicht nur die markigen Worte mancher ihrer Funktionäre gegenüber einer Regierung herunterspielen, die doch irgendwie als befreundet gilt, wenn sie nicht gerade nach der Pfeife des OGBL zu tanzen scheint.
Mit dem Lob des betriebsinternen und der Verabschiedung aus dem nationalen Sozialdialog will der Dachverband seiner alten Forderung Nachdruck verleihen, die Verhandlungen über die Arbeitszeit und die anderen Arbeitsbedingungen in die einzelnen Betriebe zu verlagern. Dort lassen sich leichter Regelungen finden, die den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Unternehmens Rechnung tragen. Vor allem aber ist auf Betriebsebene das Kräfteverhältnis für die Unternehmerseite günstiger und dies umso mehr in einer Volkswirtschaft, die vor allem aus Klein- und Mittelbetrieben besteht.
Der seit Wochen andauernde Sozialkampf um die „loi travail“ in Frankreich dreht sich nicht zufällig um die gleiche Frage: wie weit bisher durch Gesetz oder nationale Abkommen und Branchentarifverträge geregelte Arbeitsbedingungen auf Betriebsebene oder gar in individuellen Arbeitsverträgen ausgehandelt werden sollen. Hierzulande schwörten Unternehmer und Gewerkschaften jahrzehntelang auf das Luxemburger Modell der Sozialpartnerschaft bis hin zu Rufen nach einer nationalen Lohnpolitik. Doch nun erweist es sich als unnützten Kostenfaktor, so dass sich seine Privatisierung aufdrängt.