Im New Yorker Büro eines Privatdetektivs öffnet sich die Tür. Eine junge Frau tritt ein, schaut sich kurz um. Sie lässt ihre linke Hand über das Kissen eines antiken Sessels gleiten. Der Globus, der auf einer antiken Kommode steht, scheint sie magisch anzuziehen. Sie dreht den Plastikball und schaut träumerisch in die Ferne. „To be continued“ steht plötzlich im Bild. Billy Rush: Private Eye nennt sich der Kurzfilm, in dem die luxemburgische Leila Anaïs Schaus nach ihrem Schauspielstudium in New York mitwirkte.
Obwohl die junge Frau ihre Leidenschaft für die Schauspielerei früh entdeckte, studierte sie zunächst andere Fächer. In die britische Hauptstadt kam sie eigentlich, um am London College of Fashion Kunst und Design zu studieren. Den Kurs schloss sie ab und hatte bereits einen Platz für ein weiterführendes Mode- und Fotografiestudium ergattert. Doch es sollte anders kommen. „Am meinem Gymnasium in Luxemburg gab es keine Theatergruppe, deswegen belegte ich in London Sommerkurse und Workshops auf der Royal Academy of Dramatic Arts. Ich war sofort verliebt!“, strahlt sie. „Obwohl Fotografie und Mode mich noch immer sehr interessieren, entschied ich mich spontan für die Schauspielerei“, erinnert sich die 25-Jährige. Also packte sie die Koffer und reiste ins nächste Abenteuer. In New York studierte sie am Lee Strasberg Theatre and Film Institute, wo sie neben Schauspiel- auch Tanz- und Sprachkurse belegte. Als ausländische Studentin musste sie drei der sechs Semester hintereinander abschließen. Für Leila kein Problem. „Das Studium machte mir derart Spaß, dass ich gleich alle sechs Semester hintereinander machte. Ich war zwar danach total erschöpft, aber es hat sich gelohnt“, erzählt sie. Doch nicht nur das Studium, sondern auch das Leben im Big Apple fand Leila faszinierend. „In New York hatte ich meine schönste Zeit, ich betrachte es immer noch als mein Zuhause“, schwärmt die Schauspielerin, die sich schnell ihr eigenes Leben dort aufbaute und in verschiedenen Projekten mitarbeitete. Eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten ausländische Studenten nach dem Studium in den USA jedoch nur schwer, und so ging es für Leila zurück nach Europa. Keine leichte Entscheidung für die junge Frau, die in Luxemburg jedoch bald Angebote erhielt. Sie spielte ein rollerskatendes Golf Fun Girl in Beryl Koltz Hot Hot Hot und ergatterte eine kleine Rolle in Tanya Wexlers Hysteria. In Glenio Bonders Belle du Seigneur mimte sie eine Stenografin, allesamt kleine Rollen. An ihre Rolle in Patrick Ridremonts Dead Man Talking erinnert sich die Berufsanfängerin deshalb besonders gern. „Ich hatte eine etwas größere Szene und war den ganzen Tag am Set.“ Eine lehrreiche und erfüllende Erfahrung, ein Schlüsselerlebnis. „In dem Moment war mir klar, dass Schauspielerei genau das ist, was ich machen will“, so Leila Anaïs.
Dass der Beruf, den sie gewählt hat, viele Auszeiten mit sich bringt, nimmt sie in Kauf. „Man ist als Schauspieler eigentlich länger arbeitslos, als man am Set ist. Das gehört leider dazu, und man muss positiv bleiben“, gibt sich die Londonerin gelassen. Obwohl erst am Anfang der Karriere, ist Leila Anaïs bei den Rollen wählerisch. „Nacktszenen kämen für mich nicht in Frage. Man wird schnell abgestempelt.“ Beschäftigt ist Leila Anaïs trotz der vielen Auszeiten. Sie malt gern, weil sie dort anders als am Set selbst die Kontrolle hat. Und weil ihr die Malerei als introspektive Kunst einen Ausgleich zur extrovertierten Schauspielerei bietet. In ihren Bildern ist der Bezug zur eigenen Person deutlich zu erkennen. Mitunter schreibt sie ihre Gedanken einfach auf die Leinwand. Die Werke wirken mal verspielt, mal melancholisch und nostalgisch. Ihre Bilder stellt sie regelmäßig aus, auch zum Verkauf. Mit dem Zusatzeinkommen bessert sie ihren Verdienst als Künstlerin auf. Und wenn es manchmal doch nicht reicht, jobbt Leila Anaïs nebenbei. „Das muss halt manchmal sein“, lacht sie unbekümmert. Doch egal, wie lang die Pausen sind, die Schauspielerei ist und bleibt ihre Berufung. „Wenn man es mit ganzem Herzen will, rechtfertigt die Arbeit alles andere. Nach einem Drehtag könnte ich glücklicher nicht sein“, schwärmt sie mit jugendlichem Idealismus. Ihre Ausdauer scheint sich auszuzahlen. Gerade probt sie unter der Leitung von Anne Simon für eine Hauptrolle in Tuvia Tenenboms The Last Virgin, das im März auf der Bühne des Théâtre National du Luxembourg zu sehen sein wird.