„Die Templer hatten begriffen, dass es bei dem Geheimnis nicht nur darum ging, den globalen Plan der Erdstrahlen zu besitzen, sondern auch den kritischen Punkt zu kennen, den Omphalos, den Umbilicus Telluris oder Nabel der Welt, den Zentralen Befehlsstand“, berichtet Umberto Eco in seinem Verschwörungsroman Das Foucaultsche Pendel (S. 531). Und im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass der Nabel der Welt der Aufhängepunkt des Pendels ist, mit dem Léon Foucault 1851 die Erdrotation veranschaulichte.
Ab dem 9. Juli und ein halbes Jahr lang, während der Présidence des Europäischen Ministerrats, soll sich der Nabel der Welt auf dem Kirchberg befinden. Dann hängt ein in Paris ausgeliehenes Foucaultsche Pendel in der großen Eingangshalle des Mudam, das eine der ehrgeizigsten Ausstellungen seiner Geschichte zeigt, Eppur si muove, art et technique, un espace partagé.
Die Idee zur Ausstellung ist aber schon lange vor dem Ratsvorsitz aufgekommen. „Wir bekamen über einen Umweg Kontakt mit dem Pariser Musée des arts et métiers“, erinnert sich Mudam-Direktor Enrico Lunghi. Also fuhr man in diesen unter der Französischen Revolution gegründeten Tempel des technischen Fortschritts, wo man auf Schritt und Tritt Jules Verne zu begegnen glaubt. „Wir reisten aber nicht mit einem fertigen Konzept nach Paris, sondern die Idee nahm erst in der Diskussion mit den Pariser Kollegen Form an. Dieser Austausch erklärt auch die ungewöhnlich hohe Zahl von Exponaten, die sie uns für eine ebenfalls ungewohnt lange Zeit überlassen. Und sie suchen nach einem Ort, wo sie zumindest Teile der Ausstellung anschließend in Paris zeigen können.“
Kunst und Technik waren sich schon immer nahe, von da Vinci bis zu Marinetti. Aber wie sieht dieses Verhältnis heute aus, da Technik mehr Ersatzreligion als für die Futuristen ist? Da der Apple-Konzern die Welt mit elektronischen Amuletten überschwemmt und Techniker eine Piratenpartei gegründet haben, um die Welt am Internet genesen zu lassen? Da platter Positivismus und ökologische Maschinenstürmerei die beiden Seiten einer obskurantistischen Medaille sind?
Für Enrico Lunghi, der gemeinsam mit Marie-Noëlle Fracy, Christophe Gallois, Clément Minighetti, Marie-Sophie Corcy, Vincent Crapon und Lionel Dufaux einer der sieben Ausstellungskommissare ist, stehen solche Fragen nicht im Mittelpunkt von Eppur si muove. Ihn interessiert der schöpferische Akt, der sowohl in der Kunst als auch bei einer technischen Erfindung ausschlaggebend ist: Es gehe „jedes Mal um den Versuche, eine abstrakte Idee in eine Form zu kleiden“, sei es mit technischen oder ästhetischen Mitteln. Oder eben mit beiden: „Diese Form ist manchmal ganz poetisch, sogar in der Technik. Wenn man vor einem unbekannten Apparat steht, fragt man sich auch nach seinem Sinn, genau wie bei einem Kunstwerk. Und umgekehrt, wenn man etwa Peuchots 1882 gemalte Interferenzmuster anschaut, glaubt man, ein modernes Gemälde abstrakter Malerei zu sehen.“
Poetisch liest Enrico Lunghi auch den Titel der Ausstellung, Eppur si muove, er spiele auf den Kampf gegen „die natürliche Neigung zur Trägheit“ an. „Und sie bewegt sich doch“ ist aber zuerst ein apokryphes Zitat, das Galileo Galilei zugeschrieben wird, nachdem seine Feststellung, dass die Erde sich um die Sonne dreht, von der katholischen Kirche zur Ketzerei erklärt worden war. Der trotzige Satz drückt jenen alten Widerspruch zwischen Wissen und Glaube aus, der mit der angekündigten Zusammenlegung von Religionsunterricht und Laienmoral wieder ganz aktuell ist.
Für seine Schau stellt das Mudam in Zusammenarbeit mit dem Musée des arts et métiers 70 historische Vorrichtungen für physikalische Experimente und Vorführungen aus dem 18. Jahrhundert bis heute aus. Diesen schlau ausgetüftelten und nun mild belächelten Kunstwerken aus Holz, Glas und Eisen, den blitzblank polierten Ikonen der Steampunks, werden rund 100 Werke zeitgenössischer Künstler gegenübergestellt, darunter Wim Delvoye, Ólafur Elíasson, On Kawara, Carsten Nicolai, Nam June Paik, Panamarenko und Jean Tinguely, aber auch Luxemburger wie Paul Kirps, Marco Godinho und Sophie Krier.
Sophie Krier fertigte den runden Messtisch an, über dem das Foucaultsche Pendel ausschlägt. Eine andere Auftragsarbeit ging an Paul Grandjean, der mit einem Roboter als Museumsführer experimentiert. Michel Paysant fertigte ein mikroskopisch kleines Porträt des großherzoglichen Paares auf einer 150 bis 250 Mikrometer breiten Siliziumplatte an. Einige Werke stammen aus der Sammlung des Mudam, wie Attila Csörgös wahnwitzige Apparatur Untitled (1 tetrahedron + 1 cube + 1 octahedorn = 1 dodecahedron) oder Franciso Tropas Projektion Lantern.
Erstmals seit Brave new World vor fünf Jahren füllt eine einzige Ausstellung das gesamte Museum. „Jeder Saal soll jedoch seine eigene Atmosphäre erhalten“, so Enrico Lunghi. Im Erdgeschoss des Museums geht es um die „Vermessung der Welt“, Apparate zur Messung von Zeit und Raum, im Untergeschoss um die „Enthüllung der Materie“, optische und akustische Einrichtungen, und im Obergeschoss um „angewandte Erfindungen“, Energie und Maschinen.
Vom 15. bis 17. Oktober findet ein internationales Kolloquium unter dem Titel Fabrique des sciences, fabrique des arts über Kreativität und Erfindung, die unvermeidliche „Transversalität“ statt. Ein zweisprachiger Katalog soll zur Ausstellungseröffnung erscheinen. An der Universität wird außerdem ein vom Nationalen Forschungsfonds bezuschusstes Forschungsprojekt über den Einsatz neuer Techniken für die Vermittlung in Museen durchgeführt, sie werden dann im Mudam getestet.