Mitte 2014 war es so weit. Da waren in sämtlichen RGTR-Überlandbussen Bildschirme installiert. Über sie sollten die Passagiere erfahren, an welchen Haltstellen ihr Bus demnächst ankommt und wie lange er dorthin noch unterwegs sein würde. Auch die Busse des Süd-Transportsyndikats Tice wurden mit der neuen Technik versehen. Alles in allem wurden 1 140 Fahrzeuge bestückt, eine stolze Leistung.
Im Hintergrund sollte RBL zu Werke gehen, ein „rechnergestütztes Betriebsleitsystem“, das der Verkéiersverbond Ende 2012 für 16,7 Millionen Euro bei der Firma Init aus Karlsruhe eingekauft hatte. RBL würde von allen Buslinien Soll-Fahrpläne erhalten. Per GPS würde erfasst, wo ein Bus sich befindet und wie lange er, verglichen mit dem Soll-Fahrplan und je nach Verkehrslage, zu den nächsten Halten zu fahren hat. Das Prinzip funktioniert schon seit 2010 beim kommunalen Busbetrieb AVL in Luxemburg-Stadt. Der hatte 2008 für seine Busse ein Leitsystem einer Schweizer Firma angeschafft. Ab Mitte 2014 sollte das RBL von Init allen anderen Busverkehr im Land abdecken. Die CFL betreiben für ihre Züge ein eigenes Leitsystem mit dem schönen Namen Aramis.
Doch zwei Jahre nach dem geplanten landesweiten Start des Bus-RBL hat nur der Tice es vor ein paar Monaten in Betrieb genommen. Seitdem werden in den Tice-Bussen die nächsten Haltestellen und die verbleibenden Fahrzeiten in „Echtzeit“ angezeigt, und an Knotenpunkten wie dem Bahnhof von Esch-Alzette geben elektronische Anzeigetafeln Auskunft, in wie viel Minuten welcher Bus abfährt. In den Überlandbussen der CFL und der über 30 Privatbusbetriebe dagegen sind die Bildschirme noch immer schwarz oder es werden Werbe-Dias für Initiativen des Verkéiersverbond wie „Mam Vëlo op d’Schaff“ eingeblendet.
„Das ist natürlich nicht gut, dass die Busse noch immer bloß Reklame spazieren fahren“, sagt Gilles Dostert, der Direktor des Verkéiersverbond. Genau genommen wurde der große Start des RBL schon zwei Mal verschoben. Als absehbar war, dass er Mitte 2014 nicht klappen würde, sollte es ein Jahr später so weit sein als in der Hauptstadt die Großbaustelle Royal Hamilius in Angriff genommen wurde und die Bushaltestellen des Aldringer verlegt werden mussten. Heute ist der Verkéiersverbond vorsichtig mit Prognosen. „Nach und nach“ werde das System auf den Überlandlinien aktiviert, kündigt Gilles Dostert an. Kürzlich geschah das auf der Linie 165, Luxemburg-Medingen. Im Herbst würden weitere folgen. Spätestens 2018 will man fertig sein.
Das wäre nicht nur wegen der dann anstehenden Wahlen ganz praktisch. Ende 2017 soll der erste Abschnitt der Hauptstadt-Tram zwischen den Messehallen und der Roten Brücke in Betrieb gehen. Anschließend beginnen die Bauarbeiten Richtung Hauptbahnhof. Aber während die Schienenbaustelle auf dem Kirchberg mit seinen breiten Straßen nur auf der Roten Brücke den Verkehr stört, wird sie sich im Stadtgebiet stärker auswirken. Umfangreiche Busverspätungen werden nicht zu vermeiden sein, würden aber für weniger Unmut sorgen, könnten die Passagiere in Echtzeit erfahren, wie es um ihren Bus steht.
Doch das ist aufwändig. Denn das Leitsystem soll nicht nur informieren, sondern auch – leiten. Schon die Technik für den Hauptstadt-Busbetrieb aufzubauen, war eine Heidenarbeit. Sie zu betreiben, ist arbeitsintensiv und wird es bleiben. Dabei umfasst das Hauptstadt-Busnetz nur 31 Linien. Im RGTR sind es mehr als 300.
„Wir haben jede Linie mehrfach mit den Bussen abgefahren, Streckenverlauf und Zeitaufwand dokumentiert und verschiedene Betriebsmodi festgehalten“, erklärt AVL-Chef Lex Bentner. Aus diesen Grunddaten entstanden Betriebsfahrpläne. Den für seine Linie gültigen erhält jeder Busfahrer an ein Computer-Terminal in seinem Cockpit übermittelt und erfährt so, wie er zu fahren hat. Per GPS wird jeder Bus geortet und sein Vorankommen mit dem Betriebsfahrplan verglichen. Die Information wird für die Passagiere zur Anzeige gebracht, aber auch an die AVL-Zentrale in Hollerich gesendet. Dort wird auf großen Bildschirmen der gesamte Busverkehr permanent überwacht. Bei Störungen greifen die Mitarbeiter der Leitzentrale ein, lassen Busse Umleitungen fahren oder setzen Verstärkungsbusse ein. Weil über einen Werktag betrachtet die Verkehrslage in der Hauptstadt sehr verschieden ist, gelten beim AVL drei unterschiedliche Betriebsfahrplan-Modi: einer für die Nachtstunden und bis morgens halb sieben, ein zweiter für die Spitzenzeiten im Berufsverkehr, ein dritter für die Lage sonst.
Generell werde der Verkehr in Luxemburg-Stadt immer komplexer, sagt der AVL-Chef. Die Einwohnerzahl nimmt zu, der Autoverkehr ebenfalls, und es gibt immer neue Baustellen. Dass ein Bus 20 Minuten Verspätung hat, kann vorkommen. Umso wichtiger sei die „Datenpflege“, unterstreicht Lex Bentner. Gemeint ist damit, Änderungen in die Betriebsfahrpläne einzuarbeiten oder beispielsweise „Baustellen zu antizipieren“. Mit der Datenpflege sind beim AVL sechs Mitarbeiter ständig beschäftigt.
Dass der Aufwand für das RGTR-Netz riesig sein muss, wenn er für 31 Buslinien schon hoch ist, wurde offenbar unterschätzt. Das Transportministerium hat kürzlich eine neue Software zur Fahrplanerstellung und zur Ermittlung der Grunddaten für das Überlandbus-Leitsystem angeschafft. Damit, erklärt Christian Mousel, stellvertretender Direktor und Technik-Chef des Ver-kéiersverbond, lasse sich jeder Fahrtverlauf „bis ins kleinste Detail erfassen“. Erst dadurch habe der Verkéiersverbond mit den Busbetrieben Testfahrten unternehmen, die Grunddaten für jede Linie erheben und daraus Betriebsfahrpläne aufstellen können, die im Leitsystem „hinterlegt“ wurden.
Nun stellt sich anscheinend vor allem die Frage, ob jeder Busbetrieb seine Daten immer gut pflegen wird. Denn während das Transportministerium die Grunddaten gewinnen lässt, soll der Umgang mit Störungen und mit Baustellen den Busbetrieben obliegen. Im Prinzip soll jede der 34 Busfirmen sowie der CFL-Busbetrieb ihre Leitzentrale erhalten und ihre eigenen Daten pflegen.
Anscheinend aber glaubt das Transportministerium nicht, dass jeder immer für gute Daten sorgen könnte: Die Leitzentralen der Busfirmen sollen durch „regionale“ Zentralen des Ministeriums überwacht werden. Am Konzept dafür wird derzeit noch gearbeitet, laut Verkéiersverbond ist es „fast fertig“.
Dass Transportministerium und Verkéiersverbond auf Datenqualität Wert legen, leuchtet ein: Am Ende sollen sämtliche Verkehrsdaten zusammenspielen und den Passagieren zuverlässige Informationen liefern. In einer nicht allzu fernen Zukunft sollen an landesweit verteilten „Umsteige-Polen“ Anschlüsse „garantiert“ werden. Gäbe ein Busbetrieb schlechte Daten in sein System ein und würde diese Information weitergereicht, könnte das verheerende Folgen haben. Geschähe das öfter, käme die „smarte“ Mobilität womöglich schnell in Verruf. Und es könnte der Eindruck entstehen, das landesweite Leitsystem sei ein ähnliches Millionengrab wie die Elektro-Tickets E-Go und das Autobahn-Leitsystem Cita.
Andererseits klingt der Plan, viele kleine Leitsysteme durch ein paar größere überwachen zu lassen, nicht nur nach Dezentralisierung, sondern auch nach Aufwand. Vielleicht liegt es daran, dass niemand sagen kann, oder will, wie groß der Personalbedarf für die Leitsysteme sein wird. Und vielleicht hat es mit den noch ungelösten Fragen zu tun, dass das Transportministerium, obwohl es den RGTR-Verkehr bestellt, bezahlt und auch zuständig ist für die Grunddatenerhebung zum RGTR-Leitsystem, Fragesteller an den Verkéiersverbond verweist.
Der wiederum geht vorsichtig an die Aktivierung der neuen Technik: In der Pilot-Buslinie 165 werden zunächst nur die Passagiere im Bus in Echtzeit informiert. Weitergereicht ins Internet und an Anzeigetafeln an Haltestellen wird noch nichts. Eines Tages sollen auch an Überlandbus-Haltestellen elektronische Anzeigen installiert sein, wie das in der Hauptstadt für den AVL schon seit sechs Jahren der Fall ist. Auf den AVL-Tafeln im Stadtgebiet sollen dann auch Echtzeit-Informationen über dort haltende RGTR-Überlandbusse zu sehen sein.
Dass dem noch nicht so ist, können Benutzer der Stater Busse sogar bemerken, ohne es zu wissen: Für manche AVL-Linien geben die Anzeigetafeln an, in wie viel Minuten ein Bus fährt. Für andere Busse steht die Abfahrtzeit laut Fahrplan auf der Tafel. Hat so ein Bus Verspätung, verschwindet er von der Anzeige und man kann meinen, er sei verschollen. Das sind Busse privater Betriebe, die auf AVL-Linien über das Stadtgebiet hinausfahren. In ihnen ist nicht die Technik des AVL, sondern die des Verkéiersverbond installiert. Schnittstellen zwischen beiden Systemen existieren zwar und haben 160 000 Euro extra gekostet, mit der AVL-Zentrale kommunizieren diese Busse aber nicht.
Die Leitsystem-Vielfalt wirft auch die Frage auf, inwiefern die geplanten regionalen Zentralen eingreifen dürften, falls etwas Unvorhergesehenes passiert und die Verspätung eines Verkehrsträgers sich auf andere auszuwirken droht. Als im Transportministerium noch die CSV das Sagen hatte, sprach niemand von regionalen Zentralen. Da sollte ein großes Leitsystem des Verkéiersverbond Chef über alle anderen, auch die von CFL und AVL, sein. Prompt ergab sich ein politisches Problem mit dem DP-Grünen-Schöffenrat der Hauptstadt (d’Land, 28.06.2013). Heute sagt der Verkéiersverbond-Direktor, politische Probleme gebe es keine mehr. Entschieden ist über die Hierarchie bei der intelligenten Verkehrsführung aber noch nicht. In der Zwischenzeit treibt die Leitsystemfrage schon mal seltsame Blüten: Für die Tram war im Gespräch, ein eigenes System anzuschaffen, das weder dem des AVL noch dem für RGTR und Tice entsprochen hätte. Erst unlängst wurde entschieden, in den Tram-Zügen das des AVL zu installieren, weil die Tram sich mit den Stater Bussen immerhin einen Verkehrsraum teilen wird. Eine eigene Leitzentrale für eine einzige Tramlinie wird Betreiber Luxtram aber dennoch erhalten.