Planung um Düdelingen und Bettemburg

Die Fünferbande

d'Lëtzebuerger Land vom 13.07.2006

Auf den ersten Blick scheint die Nachricht nicht sonderlich spektakulär: AmDienstagvormittag haben die Bürgermeister von Bettemburg, Düdelingen, Kayl, Roeser und Rümelingen eine "politische Absichtserklärung"unterzeichnet, laut der die fünf Gemeinden in Zukunft "systematisch zusammenarbeiten" wollen. "Systematisch" liest sich dann aber doch bemerkenswert, und noch bemerkenswerter ist, wo man kooperieren will: zum einen in Siedlungsfragen, zum zweiten im Verkehrsbereich, drittens beim Umwelt- und Naturschutz sowie viertens in derWirtschaftsförderung, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Betrieb von Gewerbezonen. Käme die Zusammenarbeit tatsächlich so zu Stande, hätte sie vermutlich einigen Einfluss auf die gesamte Landesplanungspolitik. Seit der Verabschiedung des nationalen Programme directeur mit seinen landesplanerischen Leitlinien durch die Chamber im Jahre 2003 und der Vorstellung des Integrativen Verkehrs- undLandesentwicklungskonzepts IVL ein Vierteljahr vor den letzten Landeswahlen, ist es zumindest in der Öffentlichkeit wieder ziemlich still geworden um die hierzulande noch junge Politikdisziplin. Dabei versucht derzeit die Regierung, in eben jenen Bereichen, in denen die Gemeinden um Düdelingen und Bettemburg miteinander kooperieren wollen, das ganze Land zu "überplanen"; mit so genannten "Plans sectoriels" für Verkehr, Wohnungsbau, Landschaftsschutz und Gewerbezonen. Dass öffentlich nicht bekannt ist, was da geplant wird, liegt in der Natur der Ausarbeitung dieser Pläne: Erstellt werden sie von einem interministeriellen Komitee unter Vorsitz des jeweiligen Ressortministers. Erst wenn sie als "Avant-projet" vorliegen, werden die von den Planungen betroffenen Gemeinden um ihren Avis gefragt. Das interministerielle Komitee entscheidet abschließend, und nach Verabschiedung durch den Regierungsrat werden die Sektorpläne per großherzoglicher Verordnung rechtskräftig. So steht es im neu gefassten Landesplanungsgesetz, das kurz vor den Chamber-Wahlen 1999 verabschiedet wurde und noch die Unterschrift des damaligen LSAP-Ministers Alex Bodry trägt. Bereitet der frühere Landesplanungsminister und heutige Düdelinger Bürgermeister Bodry demnach nun als Leader einer Fünferbande sozialistisch regierter Südgemeinden den Aufstand gegen das vor, was die Regierung will? Kaum, denn dann geriete der LSAP-Präsident auch in Konflikt mit den LSAP-Ministern Lucien Lux und Jeannot Krecké, die bei immerhin drei der vier Sektorplänen (Verkehr, Landschaftsschutzgebiete, Gewerbezonen) federführend sind. Oder sein werden: Die Arbeiten für den Verkehrsplan hatten bereits unter der CSV-DP-Regierung begonnen. Mit einem Vorprojekt ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Mit den Entwürfen für den Wohnungsbau- und den Landschaftsschutzplan bis etwa 2008, und mit viel Glück kommt der Entwurf zum Gewerbezonenplan nochvor den nächsten Wahlen - das interministerielle Komitee hierfür steht noch nicht. In diesen Langwierigkeiten aber liegt das große Problem gar nicht. Sonderndarin, dass es an Initiativen wie der am Dienstag aus dem Düdelinger Eck' verkündeten mangelt. Denn das Landesplanungsgesetz ermächtigt nicht nur die Regierung zur Top-down-Erstellung von Sektorplänen über beispielsweise Korridore für dieses und jenes Transportmittel, über bevorzugt mit Wohnsiedlungen und Gewerben zu belegende Flächen oder besonders erhaltenswerte Grünräume. Es sieht auch vor, dass innerhalb der sechs Planungsregionen, in die Luxemburg seit Verabschiedung des Programme directeur zur Landesplanung eingeteilt ist, eine Regionalplanung erfolgen kann, die zu Regionalplänen führt, welche ebenfalls rechtskräftig werden. Wegen seines Bottom-Up-Ansatzes kann man den Regionalplanungsgedanken für demokratischer und auf jeden Fall für transparenter halten als den sektoriellen: Regionalpläne würden laut Gesetz erstellt von einer gemischten Arbeitsgruppe aus Vertretern der betreffenden Gemeinden und zuständiger Ministerien und Verwaltungen. Vorentwürfe bedürfen einer öffentlichen Konsultation in den Kommunen, ehe der Landesplanungsminister sie definitiv absegnet und an den Regierungsrat weitergibt, damit eine großherzogliche Verordnung sie in Kraft setzt. Bislang jedoch existiert nur in der Südregion das Planungssyndikat Pro-Sud. Womöglich ist es zu groß, da es alle zwölf Südgemeinden umfasst, und sind die Interessen der Gemeinden, in denen immerhin ein Drittel der Landesbevölkerung wohnt, zu unterschiedlich - 2003 gegründet, einigte sich Pro-Sud erst vor ziemlich genau einem Jahr auf ein "Leitbild" der Region mit vielen Absichtserklärungen und versuchte, gegenüber dem einen Drittel der Landesbevölkerung durch die Einladung zu einem Fotowettbewerb auf sich aufmerksam zu machen. Die besten Fotos sollen kommenden Herbst vorgestellt werden, meldet Pro-Sud als Schlagzeile auf seiner Homepage - sonst nicht allzu viel, denn so manche Kommune steht dem Syndikat trotz Mitgliedschaft noch immer reserviert gegenüber. Das Problem ist nur: Findet eine Regionalplanung nicht statt, können Sektorpläne keinen Input für Regionalpläne liefern, sondern riskieren nach dem Top-down-Prinzip lediglich, Kommunal- planungen auszuhebeln. Anders gesagt: Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass die Vorentwürfe zu den verschiedenen "Plans sectoriels" zu langen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Gemeinden führen werden. Diese Gefahr würde geringer, falls es Alex Bodry und seinen Partnern gelingt, sich in einem kleinräumigeren Ansatz innerhalb der Südregion aufeinander abzustimmen und das nicht nur Pro-Sud belebt, sondern den Planungsgedanken in anderen Regionen ebenfalls. Dann müsste die gesamte Regierung es Bodry danken. Fragt sich nur, ob in der "Fünferbande" die Interessen ähnlich genug gelagert sind, um genügend viele pragmatische Argumente zu liefern, die für eine derart enge Kooperation, wie beabsichtigt, sprechen. Am Dienstag bemühten die Bürgermeister sich, nicht zu viele Erwartungen an ihr Vorhaben zu wecken. Man werde sich vorerst keine Struktur geben, kein Syndikat gründen, betonte Alex Bodry, und zum Planungsmanagement sei auch zunächst kein Extraperson nal nötig. Erst einmal soll eine vergleichende Studie die Entwicklungspotenziale der fünf Kommunen und ihre Bebauungspläne untersuchen. Eines ist sicher: Mit 44 000 Einwohnern bilden die fünf Gemeinden eine beachtliche Agglomeration. Ihre Entwicklungspotenziale, wie das IVL sie erhoben hat, sind ebenfalls groß; sowohl zum Einwohner- als auch zum Arbeitsplatzzuwachs durch Gewerbeansiedlungen. Bereits heute sind die fünf Kommunen stark aufeinander bezogen als Wohn- und Arbeitsorte. In der zur letzten Volkszählung 2001 über 9100 Bewohner zählenden Gemeinde Bettemburg gab es zugleich rund 4 500 Arbeitsplätze, in Düdelingen 6 772 Arbeitsplätze auf knapp 17 500 Einwohner. Roeser und Rümelingen sind ebenfalls recht arbeitsplatzintensiv, Kayl dagegen ist eher einWohnort mit 7 150 Einwohnern und 741 Arbeitsplätzen. Nur im geografisch der Hauptstadt am nächsten liegenden Roeser sind mehr als 45 Prozent der Einwohner auch in Luxemburg-Stadt berufstätig, in den anderen vier Kommunen liegt dieser Anteil bei 25 bis 35 Prozent. Soll es bei dieser Ratio bleiben, die darauf hindeutet, dass der Großteil der Bewohner der fünf Gemeinden im Süden arbeitet, wenn nicht gar in einer der Nachbargemeinden, und sollen sich gleichzeitig alle fünf als Wohn- und Wirtschaftsstandorte fortentwickeln, würde sich auf jeden Fall ein Verkehrsproblem stellen. Das aber ist schon heute beträchtlich und am größten vielleicht in Bettemburg: Ende letzten Jahres erhob eine Studie über die Erreichbarkeit von Orten durch öffentliche Verkehrsmittel innerhalb der Südregion (1), dass Bettemburg, obwohl Bahnknotenpunkt, eher schlecht an seine Nachbargemeinden angebunden ist. Die Agglomeration um Düdelingen und Bettemburg ist schon jetzt so stark verdichtet, dass es womöglich eines Buskonzepts bedarf. Probleme wie dieses lassen sich im Verbund mit den Nachbar- gemeinden wahrscheinlich lösen. Wie eng die Kooperation der fünf Partner letzten Endes ausfallen wird, dürfte sich aber zu einem guten Teil an wirtschaftlichen und finanziellen Fragen entscheiden. Nach dem Stand der Dinge der landesplanerischen Vorgaben müsste ein Konsens darüber hergestellt werden, wer wie stark wachsen darf - sowohl an Einwohnern wie auch an Wirtschaftsaktivitäten und Infrastrukturen -, ohne dass dies zum Nachteil Düdelingens wäre. Denn laut Programme directeur ist Düdelingen als regionales Unterzentrum bevorzugt zu entwickeln. Das könnte auch heißen, auf die Entwicklung bestimmter Gewerbezonen zu verzichten oder die Gewerbe in regionalen Zonen zu konzentrieren. Ambitionen zu wirtschaftlichem Ausbau gibt es aber nicht nur in Bettemburg und in Düdelingen, wo besonders viele Gewerbeflächen ausgewiesen sind, sondern etwa auch in Roeser, wo um die "Poudrerie de Luxembourg" ein Hightech-Park entstehen soll, die Gemeinde darüber hinaus aber noch weitere Gewerbeflächen ausweisen will. Gelingt es den fünf Bürgermeistern, die Wirtschaftsinteressen ihrer Gemeinden auszutarieren, hätten sie schon ein großes Stück regionaler Planung vollbracht, ehe es an weitere Entwicklungsdetails geht. Aber auch, ehe ein sektorieller Plan der Regierung sie vor vollendete Tatsachen stellt. (1) Alain Kies, Sylvain Klein: Erreichbarkeitsanalyse des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) am Beispiel der Südregion Luxemburgs, Reihe Population [&] Territoire, N° 8, Ceps/Instead, Dezember 2005

Peter Feist
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