Aufgepasst bei der Materialwahl

Energiesparen und gesundes Wohnen? Kein Widerspruch

d'Lëtzebuerger Land du 25.02.2010

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist in Luxemburg der Energiepass Pflicht. Dieses Gesetz sieht vor, dass ein Hauseigentümer beim Verkauf oder der Vermietung einer Wohnung eine Berechnung der Wärmeverluste durchführen lässt. Dadurch erhalten der Käufer beziehungsweise der Mieter Informationen über die anfallenden Energie- oder Heizkosten. Indirekter Zweck des Gesetzes ist eine Optimierung der Wärmedämmung oder anderer Maßnahmen zur Reduzierung der Energiekosten und somit eine Einsparung der fossilen Energieträger Heizöl und Heizgas.

Bereits Anfang der Siebziger gab es eine Energiekrise, welche eine weitgehende Wärmedämmung der Gebäude zur Folge hatte. Gleichzeitig markierte dies die Geburtsstunde der Baubiologie beziehungsweise des Sick Building Syndroms (SKS), das heißt gesundheitlicher Symptome wie Schleimhautreizungen (Nase, Augen), Reizungen der Atemwege (Husten, Asthma) oder des Nervensystems (Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Depressionen) welche durch das Gebäude respektive durch vom Gebäude ausgehende Schadstoffe verur­sacht werden. Durch die zusätzliche Wärmedämmung der Außenwände wurde der natürliche Luftaustausch zwischen den Innenräumen und der Außenluft stark reduziert, was einerseits zu einer Anreicherung von chemischen Schadstoffen aus Baumaterialien, Einrichtungsgegenständen und Möbeln innerhalb der Wohnräume führte und andererseits die Abführung der Raumluftfeuchte nach außen verminderte, so dass es in den Gebäuden zu Schimmelpilzbefall kam.

Der jetzt in Kraft tretende „Energiepass“ birgt demnach die Gefahr einer weiteren Verschärfung des SBS, besonders wenn die Energiesparmaßnahmen nicht fachgerecht ausgeführt werden. So sind Nullenergiehaus, Passivgebäude, Niedrigenergiebauweise mittlerweile zu Standards in der Baubranche geworden. Das Prinzip baut auf einer optimalen Wärmdämmung, gepaart mit einer auf Energieeinsparung ausgerichteten mechanischen Ventilation samt Wärmetauscher.

Dabei wird die natürliche Lüftung möglichst komplett unterbunden, da sie mit Energieverlusten einhergeht. Selbst Fenster werden im Prinzip möglichst wenig geöffnet, um Wärmeverluste zu vermeiden. Da ein Gebäude jedoch unweigerlich eine Frischluftzufuhr braucht, um einerseits eine Sauerstoffversorgung zu gewährleisten und andererseits die abgestandene Raumluft nach außen abzuführen, werden Nullenergiehäuser mit einer mechanischen oder technischen Lüftungsanlage ausgestattet. Dabei wird die Außenluft zu einer zentralen Lüftungsanlage angesaugt und von dort in die verschiedenen Räume weitergeleitet. Gleichzeitig wird über die zentrale Lüftungsanlage ebenfalls die abgestandene Raumluft nach außen abgesaugt. Innerhalb der Lüftungsanlage wird die Wärme aus der Abluft auf die einströmende kalte Zuluft übertragen. Dies passiert im so genannten Wärmetauscher.

Dieses Prinzip des Wärmetauschers funktioniert allerdings nur, wenn die Geschwindigkeit der Luft, also der Luftstrom nicht zu groß ist. Demnach handelt es sich um eine langsame und damit begrenzte Lüftung. So werden durch solche technische Lüftungsanlagen Luftaustauschraten von 0,6 pro Stunde angestrebt, das heißt, dass jede Stunde 60 Prozent der Raumluft erneuert werden. Eine komplette Lufterneuerung mit Frischluft dauert demzufolge fast zwei Stunden (zum Vergleich: Bei einer Stoßlüftung mittels geöffnetem Fenster, erreicht man einen vollständigen Luft­austausch nach einigen Minuten).

Aufgrund dieses begrenzten Luft­aus­tausches kommt den Schadstoff­emissionen aus Möbeln oder Bau­materia­lien eine besondere Bedeutung zu. Chemische Schadstoffe, wie Formaldehyd, Lösemittel, Biozide, Weichmacher oder Flammschutzmittel aus Linoleumfußböden, Teppichen und Teppichböden, Holzverkleidungen oder Holzbalken, PVC-Tapeten und Farben, Holzschränke, Regale mit Spanplatten, Matratzen und Putzmitteln reichern sich in der Raumluft vermehrt an, so dass es zu einer erhöhten Raumluftbelastung kommt. Die reduzierte Lüftung vermag die Schadstoffe nur unvollständig und verzögert nach außen abzutransportieren.

Das Prinzip des Wärmetauschers beinhaltet außerdem das Risiko von Kondensierungsfeuchte und, damit verbunden, von Schimmelpilzbildung. Tatsächlich kann die Luft nur begrenzt Feuchtigkeit als Wasserdampf aufnehmen. Diese relative Luftfeuch­te der Luft hängt von der Temperatur ab; warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte Luft. Umgekehrt wird die wasserdampfartige Feuchtigkeit bei abkühlender Luft wieder flüssig, sie kondensiert. Dieses Phänomen kennt jeder Brillenträger, wenn er im kalten Winter in einen warmen Raum eintritt: Die Brille läuft an, da die kalten Gläser die Raumluft plötzlich abkühlen.

Auch im Wärmetauscher kühlt die warme Abluft ab, so dass zumindest während der kalten Wintermonate potenziell Kondensierungsfeuchte in den Ventilationsrohren entstehen kann. Besonders im Falle von nicht fachgerecht installierten Lüftungsanlagen wird die anfallende Kondensierungsfeuchte nicht durch eine entsprechende Neigung der Rohre nach außen abgeführt, sondern sammelt sich in den Leitungsrohren an und führt zu Schimmelpilzwachstum – die Schimmelpilzsporen gelangen durch die Abluftrohre zurück in die Raumluft.

Durch die Erwärmung der zugeführten kühlen Außenluft verringert sich die relative Luftfeuchte dieser Frischluft. Warme Luft nimmt 17,3 Gramm pro Kubikmeter Feuchte, kalte Luft 4,8 Gramm auf. Dementsprechend sinkt die relative Luftfeuchte bei einer Erwärmung der Zuluft von 80 Prozent bei 0°C auf 21 Prozent relative Luftfeuchte bei 20°C. Dadurch besteht bei Nullenergiehäusern das Risiko, dass durch die Aufheizung der kalten Frischluft mittels Wärmetauscher, die relative Feuchte der Zuluft und somit die Atemluft innerhalb der Wohnräume austrocknet. So ergaben Messungen in Niedrigenergiegebäuden in Frühjahr oder Herbst relative Luftfeuchten von knapp 30 Prozent, während zur gleichen Zeit in baubiologischen Wohnungen in Durchschnitt 55 bis 65 Prozent relative Luftfeuchte gemessen wurden.

Werte zwischen 50 und 65 Prozent relative Luftfeuchte sind optimal für die menschliche Gesundheit, da die Schleimhäute der Nase und Atemwege nur im feuchten Zustand einen optimalen Schutz gegen Viren, Bakterien oder Staubpartikel in der Atemluft gewähren.

Schadstoffansammlungen, Schimmelpilzbildung durch Kondensierung sowie trockene Raumluft müssen jedoch nicht sein. Durch den Einsatz baubiologischer Baustoffe und Baumateria­lien können diese potenziellen Nachteile der Niedrigenergiebauweise vermieden und ausgeglichen werden.

So erlauben Lehmziegel anstelle von Beton oder Zementziegeln, Massivparkett anstelle von Laminat, Marmor anstelle von Granitsteinen, Mineralfarben statt Dispersionsfarben, unbehandelte Holzbalken, Raufaser statt PVC-Tapete, ins Mörtelbett verlegte anstelle von verklebten Bodenfliesen, geölter statt versiegelter Parkettboden, mechanisch und ohne schadstoffhaltigen Montageschaum befestigte Fenster und Türen, Verzicht auf offenkantige Regale ohne Spanplatten, gegen Motten behandelte Teppiche und Teppichböden oder Schränke ein gesundes Wohnen ohne Belastung der Raumluft durch chemische Schadstoffe.

Offenporige, diffusionsoffene oder atmungsaktive Baumaterialien wie geöltes Holz, Kalk- oder Lehmputz sowie Mineralfarben haben feuchtigkeitsregulierende Eigenschaften, das heißt dass sie bei hoher Raumluftfeuchte die Feuchtigkeit aufnehmen und anschließend verzögert wieder an die Raumluft abgeben können. Somit puffern sie die Feuchtigkeit und wirken einer Austrocknung der Raumluft entgegen.

Der Autor ist Diplombiologe und Baubiologe. Er hat vor kurzem das Buch Biologie am Bau veröffentlicht, in dem es genauere Informationen über baubiologisches Bauen und schadstoffarme Bau-stoffe gibt. Anhand von vier verschiedenen Bau- und Umbauprojekten, d
Ralph Baden
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