Kundenservice

Groundhog Day

d'Lëtzebuerger Land du 28.03.2014

Es begann im Mai 2013, als ich ein neues Smart­phone kaufte. Der Verkäufer meines Anbieters machte mir ein Angebot, steckte die vier Jahre alte Sim-Karte mit dem längst nicht mehr aktuellen Firmenlogo in das neue Gerät. Er verkaufte mir auf das ansonsten unveränderte 50-Euro-Abo noch eine Versicherung für neun Euro monatlich.

Damit, dachte ich, müsste ich für alle möglichen Un- und Ausfallszenarien gerüstet sein. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte. Denn das neue Telefon mit Versicherung tat eines nicht: Bei eingehenden Anrufen klingeln. Diejenigen, die versuchten, mich anzurufen, hörten erst gar kein Freizeichen, mir zeigte das Telefon danach einen verpassten Anruf an. Eine nicht ganz ideale Situation, die sowohl privat als auch beruflich Probleme nach sich zog. In der Folge musste ich lernen, dass mein Mobilfunkoperateur und ich eine völlig unterschiedliche Auffassung davon haben, was wir in diesem Zweijahresvertrag, den ich unterzeichnet hatte, ausgemacht hatten. In meiner grenzenlosen Naivität war ich davon ausgegangen, dass ich darin den Tausch einer nicht unwesentlichen Menge Geld gegen eine Dienstleistung vereinbart hatte. Mein mittlerweile Ex-Mobilfunkoperateur ist da flexibler und sieht sich anscheinend, trotz direktem Zugriff auf Kundenbankkonten, nicht dazu verpflichtet, einen funktionierenden Service anzubieten.

Die Einsicht, dass der Kunde heutzutage nicht mehr König, sondern ein Feind ist, den es unter allen Umständen abzuwehren gilt, dämmerte bei den ersten Versuchen, mit der Kundendienstabteilung Kontakt aufzunehmen. Einer Kundendienstabteilung, die prinzipiell nur über eine Standard 800-er-Nummer, mehreren Wahlgängen im automatischen Optionsmenü und minutelangem Warten zu erreichen ist. Ein System, das, davon bin mittlerweile fest überzeugt, darauf ausgelegt ist, die Kunden mit wenig Zeit so zu entmutigen, dass sie gar nicht erst ausharren, bis ihnen am anderen Ende der Leitung ein menschliches Wesen antwortet.

Die reagieren leider auch nicht immer nach den Regeln der Vernunft, weshalb sich zwischen mir und meinem Operateur ein Kommunikationsmuster entwickelte, das über Wochen und Monate wie in einer Endlosschleife lief: Ich rufe die 800-er-Nummer an, um darauf hinzuweisen, dass mein Telefon nicht klingelt. Irgendein Mitarbeiter, der seinen vollen Namen nicht nennen will – sonst wüsste man ja, mit wem man sich unterhalten hat –, nimmt die Beschwerde entgegen. Er oder sie verspricht, sich die Sache anzuschauen und dann zurückzurufen. Daraufhin sage ich: „Bitte auf der Festnetznummer, denn mein Telefon klingelt nicht, deshalb werde ich ihren Anruf nicht bemerken.“ Er oder sie schreibt die Festnetznummer auf. In der Folge habe ich keinen Anruf auf der festen Leitung, dafür aber einen verpassten Anruf auf dem Handy von der 800-er- Nummer. Die rufe ich dann zurück, kämpfe mich durchs Optionsmenü, harre aus, bis ein Mensch antwortet, dem ich erkläre, dass ich einen verpassten Anruf von dieser Nummer habe, und der mich dann fragt: „Von wem?“, was ich ohne hellseherische Kräfte natürlich nicht wissen kann. Er oder sie verspricht, nachzufragen und zurückzurufen. Ich sage: „Auf der Festnetzleitung.“ Was die Mobilfunkoperateurmitarbeiter gewissenhaft ignorieren.

Flehen, betteln, schreien, fluchen, drohen – alles umsonst, bis mich der Pressesprecher meines Mobilfunkoperateurs zu erreichen versuchte. Natürlich vergeblich, weil mein Handy nicht klingelte. Da wurde mein Problem zu seinem Problem und es bestand kurzzeitig die Hoffnung auf eine Lösung. Kurzzeitig. Denn auch die Leute, die sich fortan mit der Sache beschäftigten und sicherlich deutlich gewarnt worden waren, dass diese spezifische Kundin schon mehrmals angekündigt hatte, zur Firmenzentrale zu kommen, bis in die hinteren Büros durchdringen zu wollen, um sich vor Ort, Auge in Auge erklären zu lassen, warum sie ihrem Operateur monatlich 60 Euro überweisen sollte, anstatt das Geld einfach zu verbrennen, ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen und sahen sich keineswegs veranlasst, vor einem Gespräch die Fallgeschichte anzusehen.

So entwickelte sich neben der Endlosschleife im Kommunikationsmuster eine zweite, inhaltliche: „Sie müssen Ihre SIM-Karte ersetzen, die ist zu alt.“ „Weshalb haben Sie mir dann keine neue gegeben?“ „Wir werden ihr Profil updaten, dann funktioniert es.“ „Welches Profil?“ „Wir werden ihr Telefon überprüfen lassen.“ „Erhalte ich denn ein entsprechendes Ersatztelefon?“ „Apple hat keinen Fehler gefunden. Sie müssen die Sim-Karte wechseln.“ „Das hab ich schon.“ „Wir werden ihr Profil updaten.“ „Das haben Sie schon.“ „Dann ist das Telefon falsch eingestellt.“ „Das haben Sie eingestellt.“ „Oh, ja, ich habe ihre Akte nicht vor Augen.“ „Ich habe eine ‚Akte’? Was steht denn da drin? Ich will meine Akte sehen!“ „Das geht nicht.“ „Warum?“ „Da müssten wir vorher Informationen entfernen.“ „Geht’s noch? Wenn das so ist, werde ich anfangen jede Kommunikation aufzuzeichnen.“

Unser Verhältnis wurde immer schlechter. Ich habe das vierte Telefon in neun Monaten, das jeweils installiert werden musste – Aktionen, während denen wichtige Informationen verloren gingen, die mehrere Tage Planung und einen halben Tag zur Umsetzung beanspruchten und letztlich ein mir zugewiesener Techniker vollzog. Den konnte ich sogar telefonisch erreichen. Ein besonderes Privileg, denn die Boutiquen des Operateurs verfügen prinzipiell nicht über einen Anschluss – sonst würden ja die Kunden anrufen, beispielsweise um einen Termin für die Handyinstallation auszumachen, statt vergeblich stundenlang Schlange zu stehen oder gleich wieder Kehrt zu machen, weil der Techniker frei hat. „Mein“ Techniker, ein äußerst kompetenter Mann, der mir das Schreien abgewöhnt hat, war es, der kürzlich einräumen musste, dass das neueste Problem eigentlich nur auf das Netz an sich zurückzuführen sein könnte: Ich erhielt nicht mehr alle Textnachrichten, was beruflich wieder zu Problemen geführt hatte. Er legte sofort eine neue Fallakte an. Nach drei Wochen kontaktierte mich ein Mitarbeiter aus der Zentrale, wohlwissend, dass man die Nachrichten nur zwei Wochen lang zurückverfolgen könne. „Wie oft kommt das vor?“ „Kann ich so nicht sagen, mir sagt ja nicht jeder Bescheid, bevor er eine Nachricht schickt.“

Ich habe nun den Anbieter gewechselt. Der alte hatte mir in einem Moment der Schwäche (also nach mehrmaligem, lautstarken Nachhaken meinerseits) zugestanden, mich aus meinem Knebelvertrag zu entlassen, falls der versprochene Service auch mit dem vierten von ihnen installierten Telefon nicht funktionieren sollte. Unter der Bedingung, dass ich das Telefon selbst bezahle. Das habe ich gemacht und darf mich glücklich schätzen, dass mir das Abo für die verbleibenden Monate nicht in Rechnung gestellt wurde. Just als ich meinen Kreditkartencode eintippte, stürmte ein aufgebrachter Kunde an den Nachbarschalter, um sich zu beschweren, warum er plötzlich eine Rechnung für eine Nummer erhalten habe, die er vor fünf Jahren zu einem anderen Anbieter übertragen hatte...

Michèle Sinner
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