Vergangenes Jahr sanken die Bruttowerbeinvestitionen gegenüber 2012 um 7,6 Prozent, meldete vor einer Woche die lokale Tochter der Marktforschungsgruppe Nielsen, Mediaxim, die im Auftrag des Staats den Luxembourg Ad’Report über die Entwicklung des Werbemarkts erstellt. Der Ad’Report soll laut Mediengesetz von 1991 eigentlich herausfinden, ob die Presse „une compensation à charge du budget de l’État“ braucht für durch die Radioliberalisierung entstandene Verluste bei den Werbeeinnahmen. Heute will der Staat aber nicht einmal mehr die jährlich über eine Viertel Million Euro teure Studie bezahlen.
Der in der Pressemitteilung nicht weiter kommentierte Werberückgang um 7,6 Prozent müsste aufhorchen lassen. Schließlich schätzt das statistische Amt des Wirtschaftsministeriums, Statec, das Wirtschaftswachstum für 2013 auf zwei Prozent. Doch diese Diskrepanz zwischen wachsender Wirtschaft und schrumpfenden Werbeeinnahmen vergangenes Jahr ist nur Teil einer längeren Entwicklung, die dramatische Konsequenzen vor allem für die Tages- und Wochenpresse zu haben droht, weil sie deren traditionelles Geschäftsmodell in Frage stellt.
Diese kostspielig ermittelten Angaben über den nationalen Werbemarkt sind zwar ungenau. Denn was der Ad’Report fälschlicherweise „Bruttowerbeinvestitionen“ nennt, bezieht sich lediglich auf die Verbreitungs- und nicht auf die Herstellungskosten von Anzeigen, Werbespots, Plakaten und Prospekten. Auch überschätzt die Studie systematisch die Werbeeinnahmen der Medien, weil die Firma sie mühselig aus der Multiplikation der Werbeflächen und Werbezeiten mit den offiziellen Tarifen errechnen muss, die Rabatte und Kommissionen, der Inseratentausch und die externen Medienpartnerschaften bleiben so aber unberücksichtigt. Zudem erfasst die Studie den kleinen, aber wachsenden Markt der Internetwerbung nicht.
Trotzdem sind die längerfristigen Tendenzen kaum zu leugnen: Insbesondere seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise gingen die Werbeeinahmen der Tages- und Wochenzeitungen drastisch zurück und erreichten auch mit dem Wirtschaftsaufschwung nicht einmal mehr das Niveau von vor fünf Jahren:
Laut den Angaben von Ad’Report verbucht das Luxemburger Wort noch immer fast ein Drittel aller Werbeeinnahmen im Land, aber sie gingen bei ihm innerhalb von fünf Jahren um zehn Prozent zurück. Die Werbeeinahmen des Tageblatts gingen laut Ad’Report in dieser Zeitspanne sogar um fast ein Viertel zurück. Die Mindereinnahmen der kleineren Tageszeitungen – Journal, Zeitung, Quotidien, La Voix – waren noch größer. Die den Anzeigenkunden zusammen mit dem Luxemburger Wort angebotene La Voix du Luxembourg musste sogar eingestellt werden, wodurch die Werbeeinahmen dieser Sparte 2012 halbiert wurden.
Dagegen stiegen die Werbeeinnahmen der kostenlos verteilten Tageszeitungen um über 80 Prozent, auch wenn vor allem L’Essentiel davon profitierte und Point 24 eingestellt werden musste. Die steigenden Werbeeinahmen der Gratiszeitungen und die sinkenden der bezahlten Tageszeitungen legen den Verdacht nahe, dass die Verlage auf der Jagd nach Werbung nicht einmal davor zurückschreckten, mit Gratiszeitungen ihre bezahlten Tageszeitungen zu kannibalisieren.
Wie die verkauften Tageszeitungen verbuchten auch die Wochenzeitungen einen Werberückgang um zehn Prozent binnen fünf Jahren. Damit sind jene beiden Zeitungsgattungen, welche die politische Debatte in der Presse dominieren und deshalb mittels der Pressehilfe staatlich anerkannt und bezuschusst sind, gleichermaßen vom Rückgang der Werbeeinnahmen betroffen.
Wobei die wirtschaftlichen Einbußen wahrscheinlich größer sind, als aus der Studie ersichtlich ist. Denn insbesondere in Krisenzeiten werden die offiziellen Tarife stärker unterboten, um Kunden zu bekommen, und auch der Anzeigentausch und die Medienpartnerschaften werden vielleicht großzügiger gehandhabt. Der reale Rückgang der Werbeeinahmen übertrifft schließlich den nominalen noch um einige Prozentpunkte durch die Auswirkung der Inflation.
Alle verkauften Tages- und Wochenzeitungen leben, in unterschiedlichen Verhältnissen von den Werbeeinnahmen, dem Verkauf durch Abonnements und am Kiosk sowie der staatlichen Pressehilfe. Dieses Modell hat sich bisher als erfolgreich erwiesen, weil es die Abhängigkeit von einer einzigen Einnahmequelle, wie beispielsweise bei den Gratiszeitungen oder den Rundfunksendern, verhindert. Die Mischfinanzierung schafft größeren Spielraum zur Verteidigung der redaktionellen Unabhängigkeit und erlaubt, konjunkturell rückläufige Einnahmen aus einer Quelle durch Einnahmen aus einer anderen Quelle auszugleichen.
Nun deutet die Entwicklung der Werbeeinnahmen darauf hin, dass es, wie im Ausland, auch hierzulande einen strukturellen Rückgang der Werbung in den bezahlten Tages- und Wochenzeitungen, wenn nicht auch anderen „alten“ Medien, wie dem Radio, gibt. Begonnen hatte dies mit den Kleinanzeigen, den Immobilien- und Gebrauchtwagenanzeigen, die in Anzeigenblätter und ins Internet abwandern, und nun gilt es auch für Werbung. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass die vergangenes Jahr noch 6,5 Millionen Euro teuren Bekanntmachungen, wie die öffentlichen Ausschreibungen von Staat und Gemeinden, in einigen Jahren nicht mehr in den Zeitungen, sondern nur noch elektronisch veröffentlicht werden.
Weil die Werbeeinahmen aber die wichtigste Einnahmequelle dieser Zeitungen sind, stellt diese Entwicklung nicht nur mittelfristig ihr gesamtes Geschäftsmodell in Frage, sondern kann auch politische Konsequenzen haben. Denn seit dem späten 19. Jahrhundert erlaubte die Werbung, Zeitungen billiger und damit allen zugänglich zu machen. Wenn diese Entwicklung nun wieder umgekehrt wird, die rückläufigen Werbeeinahmen durch höhere Zeitungspreise kompensiert werden müssen, wird der Zeitungsmarkt zunehmend aufgespalten: hier Gratiszeitungen mit billigen Informationen für ein Massenpublikum und dort teure Blätter mit kostspieligem Journalismus für Wohlhabende. Hintergrundberichte und Analysen drohen dann zu einem Luxus für eine kaufkräftige Elite zu werden, auf die sich das Ideal des aufgeklärten Staatsbürgers und sachkundigen Wählers zu reduzieren droht.
Während die Europäische Kommission die staatliche Pressehilfe immer wieder der Wettbewerbsverzerrung verdächtigt, bietet auch das Internet einstweilen keinen Ausweg aus dem ökonomischen und politischen Dilemma. Denn derzeit subventionieren noch die ohnehin von Leserschwund geplagten Zeitungen die Internetpräsenz der Verlage, die ihre Texte und Fotos auf dem Web verschenken müssen, weil sie daran zweifeln, dass ihre Inhalte so wertvoll sind, dass genügend Leser dafür zu zahlen bereit sein werden.