Resilienz könnte zum gemeinsamen Projekt der heterogenen Luxemburger Gesellschaft werden

Querschnittaufgabe Resilienz

d'Lëtzebuerger Land vom 19.09.2025

Was in der Presse gemeinhin in der Rubrik Lokales vermerkt wird, ist in diesem Fall geeignet, ein Luxemburger Kernproblem zu adressieren. Die Feuerwehr von Bartringen-Strassen hat eine sehr interessante Erfahrung gemacht, die landesweite Relevanz haben könnte. Der Personalmangel dieser Feuerwehr war in den letzten Jahren so groß, dass ihre Einsatzfähigkeit stark gefährdet war. Also verteilte man an die circa achttausend Haushalte der stark international und multikulturell geprägten Gemeinde Flyer des CGDIS zur Gewinnung von Mitgliedern für den aktiven Feuerwehrdienst. Die Aktion verlief völlig erfolglos.

Daraufhin wurde ein Aufruf auf Internet-Plattformen gestartet, die vorwiegend von zugezogenen Nicht-Luxemburgern, sogenannten Expats, genutzt werden. Das hatte große Resonanz und führte zu neuen aktiven Mitgliedern. Nun müsse man sich anpassen, so ein Verantwortlicher, und die Ausbildung anfangs mehrsprachig gestalten. Relativ schnell könne man anschließend die einsatzrelevante Kommunikation mit ihren Fachbegriffen in Luxemburgisch abwickeln. Viel wichtiger sei jedoch die Erkenntnis, dass die Bereitschaft von Nicht-Luxemburgern, sich persönlich einzubringen, grundsätzlich vorhanden ist. Prinzipiell sei die Idee der freiwilligen Hilfe in Notsituationen kulturübergreifender Konsens.

Diese Erkenntnis scheint in der aktuellen Resilienz-Diskussion wichtig. Der aus der Psychologie stammende Begriff „Resilienz“ beschreibt die Widerstandskraft des Individuums gegenüber belastenden Ereignissen ebenso wie die Widerstandskraft eines Staates und einer Gesellschaft gegenüber widrigen Umständen, wie Naturkatastrophen, technischen Havarien, sanitären Krisen, Krieg oder hybridem Krieg. Resilienz umfasst technische, organisatorische und sozialpsychologische Elemente. Relevanz erfuhr der Begriff durch sich häufende Naturkatastrophen, sanitäre Krisen, aber vor allem durch die Realität eines großen Landkriegs beziehungsweise hybriden Kriegs mit medialen Subversionsangriffen auf sozialen Zusammenhalt und Legitimität des politischen Systems sowie Cyber-Angriffen auf kritische Infrastrukturen, wie in Luxemburg unlängst auf den Kommunikationsträger Post.

Medien und Politik stellten das skandinavische Modell der Resilienz als Vorbild dar. Sein Kern besteht aus der Idee „Total Defence“ und dem Ansatz „Whole-of-society“. Die Gesamtverteidigungsstrategie stammt aus dem Kalten Krieg. Viele westliche Staaten fuhren ihre diesbezügliche Vorsorge nach 1990 stark zurück, wohingegen die nordischen Länder ihre Resilienz-Konzepte modernisiert haben. Der Erhalt staatlicher und gesellschaftlicher „Vitalfunktionen“ wird im Sinne des „Whole-of-society“-Ansatzes als Querschnittaufgabe für Behörden, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft gedacht, die vernetzt und zentral gesteuert agieren. Der Ansatz „Total Defence“ bedeutet eine starke Verzahnung von Militär und Zivilverteidigung. Aber auch die Individuen der Bevölkerung sind stark eingebunden, sie übernehmen entsprechend Verantwortung und Vorsorge. Bürgerinnen und Bürger müssen im Notfall eine Woche ohne die Hilfe des Staates auskommen. Hierzu wurden Broschüren mit Verhaltensanweisungen für den Kriegs- und Katastrophenfall verteilt ohne, dass dies als Kriegstreiberei verschrien wurde.

In der Luxemburger Politik wurde Resilienz bis vor kurzem als Anpassung an den Klimawandel mit dem Schwerpunkt Naturkatastrophen oder zeitweisem Ausfall kritischer Infrastruktur betrachtet. Hybrider Krieg zielt unter anderem auf die Verwundbarkeit von internetgestützter Kommunikationstechnik und stellt eine ernste Gefahr für den Finanzplatz dar. Berichte über den Krieg in der Ukraine mit seinen ubiquitären Drohnenangriffen und die Realität von Cyber-Angriffen auf kritische Infrastrukturen in Westeuropa haben die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Verbesserung der Resilienz auf eine höhere Stufe gehoben. So sprach Innenminister Léon Gloden (CSV) auf der Barbara-Feier des CGDIS im Dezember 2024 ausdrücklich davon, dass Resilienz auch wieder explizit Kriegsszenarien beinhalte. Eine Sondereinheit Resc-LU mit schwerem Gerät werde per Gesetz geschaffen. Vorbild sei das deutsche Technische Hilfswerk (THW). Ein nationales Register von Fahrzeugen und Geräten bei allen staatlichen und kommunalen Stellen sowie bei Privatbetrieben (Bau- und Transportunternehmen, Landwirtschaft), die im Notfall dienlich sein könnten, werde erstellt. Eine enge Verzahnung von Armee und CGDIS in Anlehnung an Skandinavien sei notwendig. Ein paar Wochen zuvor hatte Armee-Chef General Steve Thull in einem Interview erklärt, dass eine Wehrpflicht auch zur generellen Resilienz einer Gesellschaft beitrage.

Bemerkenswerterweise erteilte Léon Gloden ein Vierteljahr später, am 24. März 2025, bei einer Feuerwehrveranstaltung in Oetrange der engen Verzahnung von Militär und Zivilschutz nach dem skandinavischen Modell wieder eine Absage: Man wolle das in Luxemburg nicht. Premier Luc Frieden kündigte am 13. Mai in seiner Erklärung zur Lage der Nation an, dass im Herbst eine nationale Resilienz-Strategie vorgestellt werde. Er habe sich in Finnland inspirieren lassen, sagte Frieden und hob insbesondere die finnische „Whole-of-society“-Strategie hervor. Er wolle, „dass jeder aktiv und proaktiv unsere Resilienz stärkt“. Es gehe darum, die ganze Gesellschaft einzubinden. Der Premier wies auf eine gemeinsame Verantwortung hin, die auf Vertrauen und sozialer Kohäsion gründe. Er wisse, „dass wir diesen Zusammenhalt in Luxemburg haben“.

Verschiedentlich wird vermutet, dass das Funktionieren des skandinavischen Modells auf eine hohe Homogenität dieser Gesellschaften zurückzuführen sei. Die Frage ist nun, ob die vom Premier behauptete soziale Kohäsion in Luxemburg Wirklichkeit oder eher Wunsch ist. Vielleicht kamen ihm im Nachhinein Zweifel an seiner Aussage zur Kohäsion. Denn bei einem Pressebriefing am 13. Juni erklärte Luc Frieden auf eine Nachfrage hin, im état de la nation nicht einen „individuellen“ Beitrag gemeint zu haben, sondern Beiträge aller institutionellen und wirtschaftlichen Akteure. Vom Einzelnen wird demnach kein aktiver Beitrag verlangt. Hier tut sich ein Widerspruch zur gelebten Wirklichkeit der Luxemburger Rettungsdienste auf, die zu 90 Prozent aus freiwilligen Individuen aller Nationalitäten bestehen.

Im Kontext der Resilienz-Bemühungen hat der Premier ausdrücklich die zugegebenermaßen nicht sehr homogene Gesellschaft adressiert und nicht die Luxemburger Staatsbürger. Die daraus abzuleitende Frage lautet: Ist die Heterogenität der Luxemburger Gesellschaft ein Hindernis auf dem Weg zur Resilienz? Spricht das Beispiel der Feuerwehr Bartringen-Strassen nicht eher dagegen?

Man darf gespannt sein auf die Präsentation der nationalen Resilienz-Strategie. Es bietet sich die Gelegenheit, aus der Not eine Tugend zu machen und Resilienz zum gemeinsamen Projekt einer heterogenen Gesellschaft werden zu lassen. Wer dabei hilft, eine Gesellschaft zu schützen, der ist integrierter Teil dieser Gesellschaft.

Reiner Hesse ist Politikwissenschaftler und Soziologe. Er hat über Militärpolitik und Militärsoziologie geforscht.

Reiner Hesse
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