In der offiziellen Verlautbarung hieß es nicht Tripartite. Der aus Zeiten des Appells an die nationale Solidarität im Kampf gegen die Stahl- und andere Krisen stammende Begriff scheint inzwischen verpönt zu sein. Denn mit ihm werden Vorstellungen einer wirtschaftspolitischen Mitsprache von Unternehmern und Gewerkschaften verbunden, die nach dem Empfinden der Regierung kein Anrecht, sondern allenfalls eine sporadisch gewährte Gunst sein soll. Trotzdem beschlossen Regierung, Unternehmer und Gewerkschaften am Freitag gemeinsam eine Reform des Elternurlaubs und schrieben dabei sogar ein Stück sozialpolitische Geschichte.
Die Einigung wurde möglich dank eines der bewährten Mittel der Tripartite: Der Staat übernimmt die Rechnung. So brauchen Gewerkschaften und Unternehmer nicht darüber zu streiten, wer die Zeche zahlt, und selbst die Regierung ist zufrieden. Dieses Jahr wird der Staat laut Haushaltsgesetz voraussichtlich 58,5 Millionen Euro an Ersatzeinkommen für Eltern ausgeben. Er zahlt sie übrigens über die Nationale Familienzulagenkasse aus, die Anfang des Jahres eigentlich in „Zukunftskeess“ umgetauft werden sollte... Durch die Reform sollen die geplanten Ausgaben um ein Drittel, um schätzungsweise 20 Millionen Euro jährlich, steigen.
Dieser Betrag ist der Regierung angemessen, damit künftig auch ihre eher liberale Wahlklientel in den Genuss des Elternurlaubs kommen kann. Denn junge Familien, die sich gerade ein 20-jähriges Hypothekendarlehen für ein Eigenheim aufgehalst haben, wollten oder konnten sich die vorübergehende Senkung des Haushaltseinkommens auf 1 778,31 Euro monatlich bei einem Vollzeit-Elternurlaub nicht leisten. Nun soll die Entschädigung dem Gehalt des Bezugsberechtigten einschließlich Überstunden bis zu einem Höchstbetrag von 3 200 Euro entsprechen, was – gar nicht sozial selektiv – für mittlere und höhere Einkommen fast einer Verdoppelung der Entschädigung gleichkommt. Wann wurde zuletzt eine sozialstaatliche Leistung nahezu verdoppelt? Wann wurden zuletzt bei der Berechnung eines Ersatzeinkommens auch Überstunden berücksichtigt? Doch selbst Mindestlohnempfänger erhalten monatlich fast 150 Euro mehr, weil die Entschädigung durch die Anpassung an das Gehalt nun auch indexgebunden wird. Wann wurde zuletzt eine sozialpolitische Leistung wieder indexiert? Das alles ist deutlich mehr als geplant. Denn anfangs wollte die Regierung den Elternurlaub für Besserverdienende ohne Mehrkosten dadurch attraktiver machen, dass sie wahlweise vier statt sechs Monate Elternurlaub mit einer um die Hälfte höheren Entschädigung für die Kinderbetreuung hätten nehmen können.
Die zweite wichtige Änderung des Elternurlaubs betrifft, neben der Berücksichtigung atpyischer Arbeitsverhältnisse, seine Flexibilisierung: Der Elternurlaub im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub kann künftig auch kürzer ausfallen, vier Monate Vollzeit oder acht Monate Halbzeit. Der Urlaub des anderen Elternteils kann daneben in bis zu vier Perioden von mindestens einem Monat aufgeteilt oder auf einen Tag in der Woche beschränkt werden. Dies entspricht heute den Wünschen mancher Eltern, obwohl einst wichtig erscheinende Gründe gegen eine solche Flexibilisierung angeführt worden waren: Sie machen Eltern erpressbarer, die Interessen ihrer Kleinkinder an einer intensiven frühkindlichen Bindung den Betriebsinteressen unterzuordnen.
1998 war zudem der auf die europäische Richtlinie Nummer 96/34/CE zurückgehende Elternurlaub von einer Tripartite im Rahmen eines Nationalen Beschäftigungsplans auch beschlossen worden, um halb- oder ganzjährige Ersatzarbeitsplätze für Arbeitslose bereitzustellen. Daran glaubte schon damals nicht jeder. Doch trotz der seither merklich gestiegenen Arbeitslosigkeit scheint es heute niemand mehr in den Sinn zu kommen, auch nur zu versuchen, dem Elternurlaub eine beschäftigungspolitische Komponente zu verleihen.