Vergangene Woche kündigte der Minister für Erziehung, Kindheit und Jugend, Claude Meisch (DP), an, dass nun auch Grenzpendler Anrecht auf Chèques-services zur Betreuung ihrer Kinder bekommen sollen. Bedingung sei allerdings, dass die Kinder in Tagesstätten oder Maisons relais untergebracht würden, welche die Auflagen des Luxemburger Gesetzes erfüllten. Mit dieser Entscheidung schließe sich die Regierung den Empfehlungen der Europäischen Kommission und des Staatsrats an, welche die Dienstleistungsschecks für sozialstaatliche Leistungen halten, die „exportiert“ werden müssten. Sie wolle einer erneuten Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof zuvorkommen.
Wie gut oder wie schlecht Grenzpendler Dienstleistungsschecks für ihre Kinder nützen können, ist derzeit noch nicht abzusehen. Denn augenblicklich sind die Chèques-services streng an die Wohngemeinden gebunden, die den Bezugsberechtigten jährlich die Schecks ausstellen und zum großen Teil auch die Infrastrukturen und Dienstleistungen, wie öffentliche Kinderkrippen und Maisons relais, zur Verfügung stellen. Zudem fehlt es derzeit bereits an ausreichend Betreuungsplätzen für Klein- und Schulkinder sowie an qualifiziertem und sprachgewandtem Betreuungspersonal: Viele öffentliche Einrichtungen sind überfüllt, daneben hat sich ein Markt für gewerbliche Kindertagesstätten gebildet, deren Preise oft in keinem Verhältnis zur pädagogischen Leistung stehen. Zwar könnten ausländische Kinderkrippen am Wohnort der Grenzpendler Konventionen mit seinem Ministerium eingehen, um die Auflagen des Luxemburger Gesetzes erfüllen und Chèques-services eintreiben zu können. Aber der Minister hält das angesichts der damit verbundenen gesetzlichen Auflagen bloß für eine theoretische Möglichkeit.
Es ist einleuchtend, dass das künftige Anrecht von Grenzpendlern auf Dienstleistungsschecks manche Umstellungsschwierigkeiten verursachen dürfte. Denn die Schecks waren 2009 gerade eingeführt wurden, um Grenzpendler auszuschließen. Offiziell hatte die damalige CSV/LSAP-Koalition die Einführung mit dem Versprechen schmackhaft gemacht, es sei der erste Schritt hin zur kostenlosen Kinderbetreuung sowie die Abkehr von schnöden Geldtransfers an Familien und hin zu pädagogisch wertvollen Sachleistungen. Doch seither wurde die Beteiligung der Eltern an den Betreuungskosten schon wieder mehrfach erhöht, und der Minister sieht sich nun genötigt, minimale Qualitätskriterien für die Sachleistungen vorzuschreiben.
In Wirklichkeit sollte die schwerfällige Konstruktion der Chèques-services erlauben, unter Umgehung europäischer Verträge der wahlberechtigten Wohnbevölkerung in verkappter Form Kindergelderhöhungen zukommen zu lassen, von denen die Grenzpendler ausgeschlossen blieben. Mit derselben Absicht war das Kindergeld für Studierende durch eine der Wohnbevölkerung vorenthaltene Erhöhung der Stipendien ersetzt worden.
Denn was nach der Finanz- und Wirtschaftskrise als soziale Selektivität bei den staatlichen Sozialausgeben angekündigt worden war, ist vor allem nationale Selektivität, die, wie im Fall der Stipendien, der besserverdienenden Wohnbevölkerung sogar mehr brachte als zuvor. Anders als in den Nachbarländern sollte der Umbau des Sozialstaats zur Senkung der Staatsquote in erster Linie auf Kosten der einen Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung gehen, die jenseits der Grenze wohnt. Ob beim Referendum am 7. Juni eine knappe Mehrheit der Wähler für die Gewährung des legislativen Ausländerwahlrechts sein wird oder eine knappe Mehrheit dagegen, ist also nicht so wichtig, weil es die falsche Frage ist. Politisch brisant wäre vielmehr die Frage nach dem Grenzpendlerwahlrecht.