Schwierigkeiten der Eurozone

Schwachstelle

d'Lëtzebuerger Land du 18.02.2010

„Wir sind das einzige Währungsgebiet, das über keine zentrale Regierung mit adäquater Gewalt verfügt,“ klagte Jean-Claude Juncker als Sprecher der Eurogruppe am Samstag in der Süddeutschen Zeitung, so als wären die CFA-Staaten tatsächlich schon Teil der Eurozone. Dass die Abwesenheit einer koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik als Schwachstelle der Eurozone in einer ersten großen Krise getestet würde, war jedenfalls nur eine Frage der Zeit. Nun ist es soweit mit der Schuldenkrise Griechenlands und bald vielleicht Portugals, Spa­niens und Italiens.

Trotz des Lärms maßgeblicher Politiker und Medien haben die Schwierigkeiten der Eurozone wenig mit der angeblichen moralischen Überlegenheit sparsamer und aufrichtiger Nordländer und fauler und unehrlicher Südländer zu tun. Schließlich frisierten nicht nur die mit der LSAP verschwesterte Pasok und die mit der CSV zur Europäischen Volkspartei zählende Nea Dimokratia in Griechenland die Staatskonten. Vor drei Jahren manipulierten auch die deutsche und die französische Regierung ihre Haushalte mit Transfers staatlicher Beteiligungen. Zuvor hatte der CSV-Budgetminister, für den ein ausgeglichenes Staatsbudget heute kein politisches Ziel mehr darstellt, versucht, eine Anleihe als ordentliche Einnahme zu verbuchen, um seinen Haushaltsentwurf ins Lot zu bringen.

Im Zusammenspiel mit der Europäischen Zentralbank und strengen Wettbewerbsbestimmungen sollten die Maastrichter Stabilitätskriterien die nationalen Regierungen zwingen, sich so zu verhalten, als ob es dennoch „eine zentrale Regierung mit adäquater Gewalt“ gäbe. Das hat bei nicht allzu großen Konjunkturschwankungen leidlich funktioniert. Auch wenn die Produktivitätsunterschiede der einzelnen Volkswirtschaften unter diesem Regelwerk mangels Abwertungen zu hohen sozialen Kosten und der entsprechend geringen Begeisterung für den Verfassungs- und den Lissabon-Vertrag führten. Luxemburg konnte bisher dank der von der Freizügigkeit des Kapitalverkehrs lebenden Finanzplatzes und der daraus entstehenden hohen Steuereinnahmen ordentlich mit diesem Zustand leben.

Doch die Krise in Griechenland und vielleicht noch anderen EU-Staaten hat in den letzten Tagen gezeigt, dass diese Stabilitätskriterien nicht mehr als unsichtbare Hand der Finanzpolitik ausreichen. Die reicheren Euro-Staaten mussten letzte Woche zugeben, dass, wer eine Währung teilt, auch die Haftung dafür teilen muss. Als Preis dafür müssen die ärmeren Euro-Staaten mit ansehen, wie sie von Kommission, Ministerrat, Zentralbank und Eurostat unter Zwangsverwaltung gestellt werden. So könnte, zögerlich und widersprüchlich, aber unübersehbar, eine neue Etappe der finanz-, wirtschafts- und damit auch sozialpolitischen Integration in der Eurozone beginnen. Nach den simplen Stabilitätskriterien müssten die Euro-Staaten weitere Hoheitsrechte bei der Festlegung ihrer Budgets und Steuern, der Konjunkturpolitik, Kaufkraftförderung, Sozialtransfers und Arbeitsmarktpolitik abtreten.

Weil die Festlegung des Staatshaushalts am Ursprung des Parlamentarismus steht, wirft dies politisch die Frage nach der demokratischen Legitimation und Akzeptanz solcher oft als technokratisch empfundenen Eingriffe auf. Und ökonomisch dürften die automatische Indexanpassung, niedrige indirekte Steuern und Sozialabgaben sowie andere Merkmale des Luxemburger Modells diesen weiteren Schritt in Richtung einer „zentralen Regierung mit adäquater Gewalt“ zur Stabilisierung des Euro kaum überleben. Das Schicksal des Bankgeheimnisses kann als Beispiel dienen.

Romain Hilgert
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