d’Land: Herr Hansen, mich überrascht, dass Sie ein wohnungsbaupolitisches Interview geben, obwohl Sie erst seit vier Wochen auch Staatssekretär im Wohnungsbauministerium sind. Seit Anfang April haben Sie auch jede parlamentarische Anfrage zur Wohnungsbaupolitik beantwortet und die Pressekonferenz am Dienstag über das Audit von PWC zum Fonds du Logement hielten ebenfalls Sie ab. Was macht Maggy Nagel, sind Sie jetzt der CEO im Wohnungsbauministerium?
Marc Hansen: So würde ich das nicht nennen. Ich habe immer gesagt, ich bin eine politische Verstärkung, und so war es auch von der Regierung gewollt. Maggy Nagel ist nach wie vor Ministerin, aber als Staatssekretär verfüge ich über einen gewissen Modus operandi und eine gewisse Autonomie, um noch mal einen Blick auf das eine oder andere Dossier zu werfen und es mit einem neuen Elan, der gewünscht ist, voranzubringen.
Es sieht aber so aus, als würden Sie alles machen.
Eine präzise Rollenverteilung zwischen Maggy Nagel und mir gibt es noch nicht. Wir haben vereinbart, dass ich alle Themen, die aus verschiedenen Gründen ein bisschen gehakt haben, einfach mal übernehme und intensiv daran arbeite, um sie weiter zu treiben. Das betraf zum Beispiel den Fonds du Logement und damit die parlamentarischen Anfragen dazu. Vorangetrieben habe ich auch das Vorhaben, eine Mietsubventionierung einzuführen. In diesen Gebieten will ich sehr präsent sein, auch in der Abgeordnetenkammer. Ich will auch gegenüber den Mitarbeitern im Wohnungsbauministerium sehr präsent sein. Frau Nagel hat im Kulturministerium viel zu tun, und ab 1. Juli wegen der EU-Präsidentschaft noch mehr.
Es fehlt dem Wohnungsbauministerium also an Führung?
Etwas habe ich festgestellt, auch im Hochschul- und Forschungsministerium: Ist der zuständige Politiker nicht anwesend im Haus, weil er woanders noch ein Büro hat und sich dort oft aufhält, dann ist das kein gutes Zeichen. Er muss ins Alltagsgeschäft des Ministeriums involviert sein. Das werde ich im Wohnungsbauministerium verstärkt tun. Mein Hauptsitz ist das Hochschul- und Forschungsministerium nicht mehr. Ehe Sie mich fragen, ob ich dieses vernachlässigen könnte: Dort ist nun ein neues Team von Mitarbeitern voll eingearbeitet. Das hilft.
Aber warum geben Sie ein strategisches Interview und nicht die Ministerin?
Wir dachten, da es jetzt um die Zukunft geht, mache ich das. Das erklärt natürlich nicht vollständig, weshalb ich Ihnen gegenübersitze, und das verstehe ich auch.
Auf der Pressekonferenz über den Fonds du Logement am Dienstag haben Sie, nach meinem Eindruck, die Probleme auf eine Management-Ebene gehoben. Da ging es um Prozesse, um Organisatorisches. War es Ihre Rolle, die Lage zu beruhigen, auch politisch gegenüber dem abgesetzten Fonds-Präsidenten Daniel Miltgen und der CSV?
Genau das ist derzeit meine Rolle. In den letzten Monaten war über den Fonds du Logement anders gesprochen worden, aber das interessiert mich nicht. Was die Rolle einzelner Beamter war, ist nicht so wichtig, wenn es um die Zukunft geht. Ich bin eingesetzt worden, um politische Prioritäten zu setzen. Deshalb sage ich: Wir müssen die Empfehlungen aus dem Audit aufmerksam lesen und sachlich diskutieren, was der Fonds leisten soll und was seine Missionen sind. Wir brauchen einen starken Akteur, wir können es uns nicht erlauben, einen öffentlichen Bauträger noch zwei Jahre lang in Frage zu stellen. Die Empfehlungen aus dem Audit nehme ich ernst, mit der neuen Präsidentin des Fonds habe ich darüber schon gesprochen. Anerkennen muss man auch, dass 25 Fonds-Mitarbeiter sich mit Verbesserungsvorschlägen eingebracht haben. Diese Anregungen produktiv zu machen, ist meine Rolle.
Hätte noch mehr Diskutieren über die Rolle des früheren Fonds-Präsidenten unter CSV-Ministern der Regierung am Ende politisch schaden können? Seit dem Regierungswechsel hat sich im Wohnungsbau ja noch nicht viel getan.
So sehe ich das nicht. Ich wollte die Debatte versachlichen. Ich kann aber auch mal kurz politisch werden: Als wir am Dienstag das Audit im parlamentarischen Wohnungsbauausschuss vorstellten, haben Vertreter der vorigen Regierung unsere Feststellungen geteilt.
Marco Schank, der frühere Minister?
Ja. Deshalb sage ich: Es gibt immer Leute, die beim Staat arbeiten, und es gibt Verwaltungen. Die Effizienz der Verwaltungen aber muss die Politik überwachen. Da reicht es nicht zu sagen: „2009 hatten wir aber schon ein Audit über den Fonds gemacht.“ Denn setzt man die Empfehlungen daraus nicht um und versucht keine neuen Ideen einzubringen, kommt man nicht weiter. Da ist zugeschaut worden, wie etwas falsch lief. Man fragte sich: Sind die Zahlen denn richtig? Mir geht es nicht um unterm Strich 30 oder 32 pro Jahr gebaute Mietwohnungen. Auch 40 wären noch nicht genug. Es muss strukturell etwas geschehen, und das geht nur auf Gesetzesebene. Weil dazu die Politik tätig werden muss, müssen wir die Diskussion versachlichen.
Heißt das, die künftigen Missionen des Fonds sind noch nicht ganz klar? Im Koalitionsabkommen steht ja zum Beispiel, dass er kein „Stadtplaner“ mehr sein soll.
Wir müssen schauen, wie wir den Wechsel organisieren. Es stellt sich die Frage, was mit dem Immobilienvermögen des Fonds geschieht, was aus den Aktivitäten als „Stadtplaner“ wird, die er eingegangen ist und die zum Teil sehr langfristige Engagements sind. Wir können nicht heute mit dem Hammer auf den Tisch schlagen und so tun, als könne man morgen losgelöst von den letzten 30 Jahren arbeiten. Klar ist aber: Dass Gemeinden, die an den Fonds herangetreten waren und sagten, wir haben zwei Hektar Bauland, lasst uns damit gemeinsam etwas machen, anschließend jahrelang nichts hörten vom Fonds, das darf es nicht mehr geben.
Im Koalitionsprogramm steht, die Regierung will „die Wohnungspreise meistern“. DP-Fraktionspräsident Eugène Berger sagte Ende Februar auf dem Hearing Jonker a Wunnen mit der Jugendkonföderation: „In drei bis vier Jahren bekommen wir die Preise nicht in den Keller. Schön wäre es, aber wenn wir sie stabilisieren können, haben wir schon was erreicht.“ Will die Regierung alles unternehmen, um die Preise zu senken?
(überlegt) Das Thema ist sehr komplex. Ich war während der Koalitionsgespräche Mitglied der Arbeitsgruppe Wohnungsbau und weiß, was dort besprochen wurde. Keine Regierung kann so tun, als habe, was sie entscheidet, sofort Folgen auf dem Wohnungsmarkt. Das Einwanderungssaldo lag vor Jahren noch bei 6 000 Personen, dann bei 8 000, bei 10 000, und vor zwei Wochen haben wir erfahren, dass es im vergangenen Jahr 13 000 betrug. Die Preissteigerungen, die immer mitdiskutiert werden, und die das Observatoire de l’habitat erhebt, muss man noch verfeinert anschauen und klären, ob sie wirklich überall so stimmen. Das soll keine Entschuldigung sein, die Preisbilanz wird immer beeindruckender. Aber wenn nach wie vor viele Leute ins Land kommen und Luxemburg für Zuwanderer offenbar weiterhin interessant ist, dann funktioniert der Wohnungsmarkt wohl doch noch. Wir müssen aber alles tun, damit jeder im Land die Möglichkeit hat, anständig wohnen zu können.
Ist damit ein Recht auf Wohnen gemeint oder ein Recht auf Wohnungsbesitz?
Schon weil wir so viel vom Wohnen zur Miete sprechen, ist damit ein Recht auf Wohnen gemeint.
Man könnte aber sagen, dass die Preise nicht fallen, kann denen recht sein, die Besitzer von Wohnungen und Grundstücken sind, und das ist eine Mehrheit der Wahlberechtigten.
Ich sorge mich aber auch um die anderen, die nicht dezent wohnen können, weil es für sie unerschwinglich ist. Ich komme aus der Gemeindepolitik und weiß, was es heißt, wenn junge Leute, junge Familien oder Alleinerziehende in diesem Land nicht dezent und korrekt wohnen können, wenn sie ausgebeutet werden und in eine Armut zu geraten drohen, die durch das Wohnungsproblem verursacht ist.
Da redet man vor allem vom Wohnen zur Miete?
Ja, in diesem Segment ist das Angebot nicht groß genug, da müssen wir viel mehr tun.
Die vorige Regierung wollte eine Mietsubvention einführen. Die aktuelle hält daran fest, will den Entwurf aber überarbeiten. Sie arbeiten daran, wie Sie schon erwähnt haben. Wann ist mit einem neuen Gesetzentwurf zu rechnen?
Er soll kommende Woche dem Regierungsrat vorliegen. Das ist ein ganz wichtiges Instrument. Unseren Vorstellungen nach würde es mit 28 Millionen Euro jährlich ausgestattet. Verglichen mit dem Entwurf der vorigen Regierung sollen die Fördersätze erhöht werden. Es würde eine Referenzmiete gegenüber der Miete auf dem privaten Markt definiert, sowie ein Netto-Referenzeinkommen, das dem Durchschnitt zwischen dem unqualifizierten und dem qualifizierten Mindestlohn plus Sozialtransfers entspricht. Ziel ist, den Ausgabenanteil vom verfügbaren Nettoeinkommens eines Haushalts für die Miete nicht größer werden zu lassen als 33 Prozent. Wir gehen von 20 000 anspruchsberechtigten Haushalten aus.
Im Februar 2014 hatte der parlamentarische Wohnungsbauausschuss den Entwurf der CSV-LSAP-Regierung bereits noch einmal diskutiert und auch Ideen der neuen Regierung dazu. Da wurde gesagt, um unter den 33 Prozent Ausgaben für Miete zu bleiben, müsse die Staatskasse 40 Millionen Euro jährlich für die Mietsubvention bereitstellen. Die vorige Regierung hielt das für zu viel und wollte die Ausgaben auf 16 Millionen Euro deckeln. Mit 28 Millionen wird man vermutlich ebenfalls nicht jedem helfen, unter 33 Prozent zu bleiben, oder?
Es wird eine Deckelung geben, aber mit einer Subvention von 123 Euro monatlich für einen Alleinstehenden und bis zu 250 Euro für Haushalte mit Kindern wollen wir mehr gewähren, als die vorige Regierung plante. Bei Einkommen von 1 600 bis 1 800 Euro netto sind 120 bis 250 Euro im Monat eine Hilfe! Wenn ich Vorschläge höre, den Mindestlohn um zehn Prozent anzuheben, weil Wohnen so teuer ist, dann ist, was wir vorschlagen, ein Ansatz, um gezielt zu helfen.
Die Regierung will dafür sorgen, dass zwischen 2010 und 2025 mehr als 10 500 bezuschusste Wohnungen neu entstehen. Dazu hat sie das Programme pluriannuel ihrer Vorgängerin für den bezuschussten Wohnungsbau überarbeitet und 2 000 Wohnungseinheiten neu ins Programm aufgenommen. Wann werden die Bagger anrücken?
Ich lege mich nicht auf Fristen fest – genauso wenig wie ich mich dazu äußere, wann der Fonds du Logement reorganisiert sein wird. Was wichtig ist: Wir geben die nötigen Impulse und schaffen Instrumente, damit der Wohnungsbau in Zukunft rascher und einfacher klappt als bisher. Und es ist ja auch nicht so, dass gar nicht gebaut wird.
Maggy Nagel hatte sich im vergangenen Jahr so verstehen lassen, als seien die Projets d’envergure für Wohnungsbau auf der grünen Wiese, die im Plan sectoriel Logement stehen, die Speerspitze der Wohnungsbaupolitik. Drei bis fünf Großprojekte wollte sie kurzfristig realisieren. Im November wurde die Prozedur für alle vier Plans sectoriels gestoppt. Die Ministerin sagte zwar, damit seien die Großprojekte nicht alle vom Tisch, aber Landesplanungsminister François Bausch hat in letzter Zeit mehrfach erklärt, die meisten würden fallen gelassen: Statt Neubau auf der grünen Wiese setze man auf Innenraumverdichtung und Baulückenschließung innerhalb der kommunalen Bauperimeter. Gibt es dazu Meinungsverschiedenheiten in der Koalition?
Nein, wir werden realisieren, was sich realisieren lässt. Das geschieht in Absprache mit den Gemeinden und die Gespräche dazu sind noch nicht abgeschlossen. Die Innenräume verdichten werden wir ebenfalls und ein öffentliches Baulückenprogramm auflegen werden wir auch.
Am 19. März bei der großen Landesplanungsdebatte im Parlament hieß es, die Gemeinden hätten 2 700 Hektar Bauland innerhalb ihrer Perimeter gemeldet, davon seien 700 Hektar kurzfristig mobilisierbar. Aber wie weit kommt man damit? Vor zwei Wochen haben Sie auf eine parlamentarische Anfrage geantwortet, nur 0,7 Prozent davon würden dem Staat gehören und vier Prozent den Gemeinden.
Stimmt, das Gros der Flächen befindet sich in Privatbesitz. Deshalb werden wir noch dieses Jahr damit beginnen, die Besitzer zu sensibilisieren, die betreffenden Grundstücke zur Verfügung zu stellen.
Sensibilisieren? Das heißt, die Idee, notfalls zu Enteignungen im allgemeinen Interesse auch innerhalb der Perimeter zu greifen, ist vom Tisch? Bei der Debatte am 19. März waren die Grünen dafür, die CSV, aber auch DP und LSAP waren dagegen.
Eine solche Maßnahme steht nicht im Koalitionsprogramm. Das heißt aber nicht, dass man durch Sensibilisierungen nicht ebenfalls zum Ziel käme. Es gibt Forschungsergebnisse aus Bayern und Baden-Württemberg, wo Sensibilisierungsaktionen im Rahmen von Baulückenprogrammen begleitet wurden und sich gezeigt hat, dass das dort recht gut klappte. Eine der Forschungsarbeiten analysierte drei Sensibilisierungsaktionen: Im Schnitt hatten 50 Prozent der Grundstücksbesitzer auf die Anfragen ihrer Gemeinde reagiert und ein Viertel war am Ende interessiert am Verkauf.
Damit würde man in Luxemburg aber die 700 Hektar nicht mobilisieren.
Es muss bei uns nicht so laufen wie in Deutschland, der Kontext ist immerhin ein anderer. Hilfreich kann auch sein, auf die steuerlichen Vorteile bei einer Veräußerung von Bauland an Staat oder Gemeinden hinzuweisen: Mehrerlöse sind dann von der Einkommenssteuer befreit. Das kann interessant sein und ist unter den Besitzern womöglich noch immer nicht bekannt genug. Die Forschungsarbeiten aus Deutschland analysieren wir derzeit, um uns darüber klar zu werden, ob man sich daran orientieren kann.
Baulückenprogramm heißt aber generell Aufkauf privaten Baulands durch die öffentliche Hand?
So ist es gedacht.
Was darf das Staat und Gemeinden denn kosten?
Das kann ich so nicht sagen. Natürlich ist das kein einfacher Punkt. Geht es um Wohnungen, die subventioniert werden, um sie später zu vermieten, sind stets auch Ausgaben für den Grundstückserwerb einkalkuliert. Das sind immer Schätzungen, wie richtig sie waren, zeigt sich erst im Nachhinein. Klar ist auch: Baulückenprogramme sind One-shot-Aktionen. Ist eine Baulücke geschlossen, ist keine mehr da. Deshalb werden wir noch andere Instrumente entwickeln. Baulandverträge zum Beispiel, in denen mit Grundstücksbesitzern vereinbart wird, innerhalb einer bestimmten Frist ihre Grundstücke bebauen zu lassen.
Werden private Bauträger in Zukunft am Sozial-wohnungsbau beteiligt und dafür ebenfalls staatliche Subventionen in Anspruch nehmen können?
Das ist vorgesehen. Die öffentlichen Träger allein packen es nicht, wenn wir hunderte Mietwohnungen im Jahr brauchen, der Fonds du Logement aber im Schnitt nur 30 baut.
Anscheinend war der Fonds früher ziemlich aktiv darin, Altbauwohnungen aufzukaufen, zu sanieren und dann rasch weiterzuvermieten. Könnte das womöglich wieder zu einer seiner Missionen werden?
Solche Aussagen wären verfrüht. Das Audit hat ergeben, dass es Fonds-intern generell an Prozeduren mangelt um festzustellen, welche Aktivitäten sinnvoll waren – sowohl an den Missionen des Fonds gemessen, wie sie im Gesetz stehen, als auch budgetär. Altbauten sanieren und weitervermieten muss nicht immer eine gute Lösung sein, ein Neubau kann effizienter sein. Über solche Ansätze müssen wir jetzt, auch anhand des Audits, diskutieren und entscheiden.
Sie äußern Ideen mit ziemlich vielen Unbekannten. Können Sie sich vorstellen, dass die Legislaturperiode vorübergeht, ehe der Wohnungsbau stärker in Schwung kommt? Allein die neuen Ansätze zur Landesplanung mit einem neuen Landesplanungsgesetz und einem neuen Plan sectoriel Logement sollen Ende dieses Jahres als Entwürfe vorliegen, dann wird erneut debattiert, und erst anschließend kann es konkreter werden.
Wir werden alles tun, um schnell voranzukommen. Das kann, wenn wir mit den Gemeinden einig werden, parallel mit der Inkraftsetzung des Regelwerks zur Landesplanung klappen. Was wir am Ende der Legislaturperiode werden bilanzieren können, kann ich natürlich nicht vorhersagen. Wir geben aber, wie gesagt, auf jeden Fall die nötigen Impulse.