Eigentlich berichtete Laurent Pfister vom Luxembourg Institute of Science and Technology (List) am Dienstagabend im RTL-Fernsehen gar nichts Neues: Seit über 20 Jahren benutzt der Hydrologe und Klimaforscher mit Kolleg/innen am List „regionale Klimamodelle“. Mit ihnen wird ein enger begrenztes Territorium genauer betrachtet und die Klimafolgen präziser abgeschätzt. Am Dienstag erinnerte Pfister daran, dass sich schon um die Jahrtausendwende aus einem solchen Modell für Luxemburg ablesen ließ, dass es in den Sommermonaten künftig nicht unbedingt weniger Regen geben werde, sondern „konzentrierter“: Als „Starkregen“, mit dem in kurzer Zeit extreme Niederschlagsmengen fallen.
Die jüngere Erfahrung scheint das zu bestätigen. Am 22. Juli 2016 ließ im Osten des Landes ein Platzregen die Weiße Ernz innerhalb von nur
20 Minuten meterhoch aus ihrem Bett steigen. Dörfer füllten sich mit Schlammlawinen, Häuser wurden überflutet, Autos fortgerissen. Oder der 9. August 2019: Da zog ein Tornado über Petingen und Käerjeng hinweg. 19 Personen wurden verletzt, Häuser und Infrastruktur massiv beschädigt. Zwar war das kein Starkregen, aber ein Wetterextrem. Und Wetterextreme, sagte Laurent Pfister am Dienstag, dürften in Luxemburg häufiger werden. Das Großherzogtum müsse sich darauf einstellen, dass sein Klima nach und nach „mediterran“ wird. Etwa mit Starkregen wie dem vom vergangenen Freitagabend, zu dem in Hosingen noch ein Tornado kam.
Nur Stunden vor der RTL-Sendung diskutierte die Abgeordnetenkammer eine „Aktuelle Stunde“ lang über die Preisentwicklung von Ölprodukten. Angefragt hatte sie die CSV-Fraktion. Ihr Kopräsident Gilles Roth rechnete vor, Ende April 2020 habe ein Liter 95-er Benzin 89,1 Cent gekostet; eine Tankfüllung mit 50 Litern demnach 44,55 Euro. Ein Jahr später habe der Literpreis für den gleichen Sprit bei 1,28 Euro gelegen, der für 50 Liter bei 64 Euro. Wer im ländlichen Raum wohne und auf das Auto angewiesen sei, so Roth, könne dadurch eine Mehrbelastung um 1 500 Euro im Jahr erfahren haben. Viel mehr also, wie für einkommensschwache Haushalte der Steuerkredit von 96 Euro und die erhöhte Teuerungszulage die neu eingeführte CO2-Steuer ausgleichen sollen. Deshalb müsse die Steuer in den Index-Warenkorb eingehen. Außerdem gehöre die Kilometerpauschale angepasst und für Steuerpflichtige mit langem Arbeitsweg erhöht. Weil bei politischen Vorstößen, die einfache Botschaften transportieren, die ADR selten weit ist, setzte ihr Abgeordneter Fred Keup noch eins drauf und verlangte, die CO2-Steuer „bis zum 1. Januar 2022 auslaufen“ zu lassen.
Beide Forderungen waren Theater. Keup räumte ein, dass nach seiner Rechnung die CO2-Steuer nur 20 bis 25 Prozent Anteil am Preisauftrieb hat. Das Gros rührt demnach von den Petrolmärkten her, wo 2020 die Preise Corona-bedingt eingebrochen waren. Der vom Energieministerium festgelegte maximale Endpreis lag diese Woche pro Liter 95-er sogar bei 1,301 Euro. Aber das ist ungefähr so viel wie im September 2018 – ohne CO2-Steuer. Weil der Preisauftrieb seit 2020 dennoch beträchlich ist, wird voraussichtlich noch vor Jahresende eine Indextranche fällig und nicht erst im Frühjahr 2022. Ginge die CO2-Steuer in den Warenkorb ein, käme die Tranche nicht viel eher – so klein wie die Steuer bislang ist.
Denn in wirksame Klimaschutzpolitik ist die CO2-Steuer höchstens ein erster Einstieg. Klimaeffekte fossiler Brennstoffe nicht länger aus Preisen zu „externalisieren“, ist nötig. Doch von Maßnahmen, die nicht allein auf Technologie setzen, Anreize und ein paar Preissignale senden, sind alle reichen Länder noch weit entfernt. Solange das so ist, hilft es nicht weiter, Ökologie und Soziales gegeneinander auszuspielen, die in Wirklichkeit zwei Seiten der herrschenden Wirtschaftsordnung sind. Es müssten kurzfristige Politiken definiert werden, um sehr langfristige Folgen abzuwenden.
Kurzfristig aber hat die CSV ein spezielles Problem: Die Volkspartei hat keine ökologischen Köpfe mehr. Gilles Roth ist sicherlich keiner. Eher gehört er zu jenem Flügel, der meint, öffentlichkeitswirksame Oppositionspolitik lasse sich derzeit besonders gut gegen alles machen, was von Grünen verantwortet wird. Es hilft bloß nicht gegen den Wandel hin zu „mediterranem Klima“ hierzulande.