LEITARTIKEL

Produktion und Verbrauch

d'Lëtzebuerger Land du 28.05.2021

Noch immer liegt der Entwurf für jene großherzogliche Verordnung nicht vor, die bestimmt, wie Luxemburg sein Treibhausgas-Reduktionsziel bis 2030 erreichen soll. Nur das große Ziel steht bisher fest: Gegenüber dem Vergleichsjahr 2005 sollen es bis Ende des Jahrzehnts 55 Prozent weniger sein. Das nahm die Regierung sich in ihrem Koalitionsvertrag vor und so steht es auch im Klimagesetz vom
15. Dezember 2020.

Dass für die Klima-Verordnung noch nicht mal ein Entwurf herausgegeben wurde, um diskutiert zu werden, ist kein gutes Zeichen. Zum einen, weil das 55-Prozent-Ziel schon seit dem 1. Januar gilt. Zum anderen, weil man sich fragen muss, was DP, LSAP und Grüne sich dabei dachten, als sie es im Dezember 2018 in ihren Koalitionsvertrag schrieben. Denn vonseiten der EU waren Luxemburg damals minus 40 Prozent aufgetragen. Das ist noch heute so und kommt aus einer unionsinternen „Lastenteilung“: Mitgliedstaaten mit hohem Bruttoinlandsprodukt werden relativ größere Anstrengungen abverlangt. Nur für Schweden gelten ebenfalls 40 Prozent. Die zweite DP-LSAP-Grüne-Koalition machte Klimapolitik über die EU hinaus, als sie auf das nationale Ziel noch 15 Prozentpunkte drauflegte. Das sah verantwortlich aus. Wenn heute dagegen noch immer nicht klar ist, wie das Ziel erreicht werden soll, drängt sich der Schluss auf, die Regierung hoffte, vor allem eine Wende hin zur Elektromobilität und ein Abbau des Tanktourismus würden es richten. Und dass sie davon ausging, der Ausfall an Miniralölsteuereinnahmen werde sich schon wegstecken lassen, so voll wie die Staatskasse vor Corona war.

Verantwortliche Klimapolitik aber müsste noch andere Tatsachen in den Blick nehmen. Das Hin und Her um Reduktions-Prozentwerte kommt daher, dass Treibhausgasemissionen seit dem Kyoto-Protokoll als „Produktion auf einem Territorium“ verbucht werden. Deshalb schlagen Dieselverkäufe an durchreisende LKW-Fahrer auf die Luxemburger Bilanz, obwohl der Sprit im Ausland verbraucht wird. Aber würde aufgerechnet, was Luxemburg selber verbraucht, sähe die Bilanz noch verheerender aus: Das Online-Portal Ourworldindata vermittelt einen Eindruck davon. 2018 wurden in Luxemburg 9,57 Millionen Tonnen CO2 „produziert“. Dagegen wurden 23,07 Millionen Tonnen „konsumiert“. Das heißt, um 141 Prozent lagen die auch mit Importen nach Luxemburg verbundenen Emissionen über dem hier produzierten und exportierten CO2.

Der Import-Export meint die „grauen“ Emissionen, die im globalisierten Kapitalismus um die Welt gehen: Jedes in China produzierte Elektrogerät, jedes in Bangladesh genähte Textil, verursacht dort Emissionen. Dagegen profitieren jene Länder, die diese Produkte importieren davon, dass die Emissionen im Ausland anfallen. Weil Undank bekanntlich aller Welt Lohn ist, wird China beschuldigt, Riesenemissionen zu verursachen. Wer auf Luxemburg schaut, mit seiner „offenen Wirtschaft“ und seiner zahlenmäßig kleinen Bevölkerung, stellt fest, dass die pro Kopf umgerechneten Verbrauchs-Emissionen Stand 2018 mit rund 50 Tonnen so hoch waren wie in keinem anderen Land der Welt. Und höher als die der USA und Chinas pro Kopf zusammengenommen.

Was man aus diesen Statistiken schließen kann, ist ungefähr das: Sie handeln auch von dem, was der „ökologische Fußabdruck“ genannt wird. Sie geben einen Eindruck davon, dass das „Klimaproblem“ nur ein Aspekt einer viel größeren ökologischen Krise ist. Denn so, wie Emissionen „outgesourced“ werden, weil sie aus den Produktionskosten externalisiert sind, findet generell ein Raubbau an Ressourcen statt, in erster Linie aber in billigen „Produzentenländern“.

Deshalb liegt eine ökologische Bringschuld in erster Linie bei den reichen Ländern. Wie die jüngsten Klima-Berichte von Wissenschaftlern zeigen, reichen die bisherigen Politiken hinten und vorne nicht, um die Temperaturzunahme so zu begrenzen, wie das Pariser Abkommen es 2015 festhielt. In Luxemburg dagegen ist noch nicht mal klar, wie gemindert werden soll, was hier „produziert“ wird.

Peter Feist
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