Montagnachmittag, halb vier im Untergeschoss der Handelskammer. In einer halben Stunde beginnt die Konferenz Le registre des bénéficiaires économiques, zu der die Banken- und Bankiersvereinigung ABBL ihre Mitglieder eingeladen hat. Eine Mitarbeiterin des Empfangskomitees vor dem Konferenzsaal versucht, mit einem Tablet den auf Papier ausgedruckten QR-Code der Bestätigungs-Mail des vollständig digitalisierten Registrierungsprozesses zu scannen, den ihr ein Bankmitarbeiter entgegenhält. Sie hebt das Gerät, senkt es, vor und zurück, bis es den Code scharfgestellt und eingelesen hat. Ihr Kollege, der neben ihr steht, streicht vorsichtshalber die Namen der eintreffenden Zuhörer von einer auf mehreren Din-A3-Bögen gedruckten Teilnehmerliste. Die Liste ist lang, der große Saal im Untergeschoss der Handelskammer füllt sich mit Risikomanagern, Richtlinienbeauftragten von Finanzinstituten und Anwälten, gekleidet in unterschiedlichen Abstufungen von bankierblau und -grau bis schwarz. Um den Hals tragen sie an Stoffbändern die Schlüsselkarten, mit denen sie Türen zu Bürogebäuden öffnen und an denen sich erkennen lässt, welchem Herrn sie werktags von neun bis fünf dienen. Die Brillen sind hier mehr funktional als dekorativ, die Männer glattrasiert. Sie halten Block und Stift bereit, um Notizen zu machen. Manche halten auch den Gesetzestext parat, um den es in den nächsten zwei Stunden gehen wird.
Nichts deutet darauf hin, dass hier irgendetwas Außergewöhnliches, ein Paradigmenwechsel stattfindet, durch den das Geschäftsmodell des Luxemburger Finanzplatzes der vergangenen Jahrzehnte ausrangiert wird. Nichts weniger erwartet die Öffentlichkeit nach den Panama-, den Paradise-Papieren und diversen anderen Leaks und Files vom Register für die wirtschaftlichen Eigentümer von Firmenanteilen, das hier erläutert werden soll: dass es das letzte Schluploch schließt, dass Wohlhabende die Steuer nicht mehr umgehen können, indem sie ihr Vermögen in Firmenstrukturen verstecken. Doch statt Trommelwirbel und Paukenschlägen, die die Einführung einer derart umkämpften Maßnahme begleiten müssten, gibt es Geflüster und ein paar Probleme mit dem Mikrofon.
Als die zuständige Direktorin der ABBL, Catherine Bourin, unter deren Leitung die Vorstellung des neuen Régistre des bénéficiaires économiques (RBE) stattfindet, zu sprechen beginnt, wird die Kommunikation umgeschaltet auf diesen dem Luxemburger Finanzmilieu ganz eigenen Dialekt, dessen linguistischer Ursprung auf den Gebrauch des Englischen als zweite bis dritte Fremdsprache zurückzuführen ist, unter das nicht nur die juristisch gültigen Originalbegriffe aus der Gesetzessprache Französisch gemischt werden, sondern zum besseren Unverständnis der Aussenstehenden darüber hinaus die in den Marketingabteilungen der Big 4 und internationalen Organisationen erfundenen Akronyme. So teilt Bourin den Anwesenden mit, dass die ABBL plant, vor dem Sommer ein völlig überholtes, den neuen AML-Bestimmungen entsprechendes Vademekum zu veröffentlichen, falls die FATF in einer ihrer Institutionen vorbeischauen sollte. Was heißen soll, dass die Bankenvereinigung ein Schritt-für-Schritt-Begleitheft der neuen Anti-Geldwäschebestimmungen zur Verfügung stellt, damit ihre Mitglieder vor der anstehenden Prüfung Luxemburgs durch die Geldwäschepolizei der OECD ihre Häuser auf Vordermann bringen sollen, damit das Land nicht wieder auf Schwarzen oder Grauen Listen landet und negative Schlagzeilen macht.
Denn die hier versammelten Risikomanager und Richtlinienbeauftragten sind die Arbeitsbienen, die in internationalen Medien und von Nichtregierungsorganisation geforderten, eher vagen Konzepte von Steuergerechtigkeit und Transparenz in der Wirklichkeit durch das Eintragen kleiner, konkreter Informationshäppchen in die Kästen der von den Behörden vorgefassten Formulare umsetzten sollen. Ein gewisser Sarkasmus bleibt angesichts dieser Herausforderung nicht aus, sie sind von großem Leid geprüfte Menschen. So freut sich der Gastredner Glenn Meyer, Partner der Anwaltskanzlei Arendt & Medernach, dass das Gesetz zur Einführung des „berühmt-berüchtigten“ Registers der wirtschaftlichen Eigentümer nur acht Seiten lang ist – die Vorbereitungsarbeiten für die Anti-Geldwäschebestimmungen, deren Konzepte darin übernommen werden, füllen locker mehrere hundert Seiten. Und spottet nur halb darüber, dass die Regierung mit der Umsetzung der vierten EU-Antigeldwäscherichtlinie so spät dran ist, dass sie im Gesetz zu deren Umsetzung bereits das fünfte Update auf europäischer Ebene berücksichtigen kann. Sonst hätten sie alle binnen kurzer Zeit eine Vielzahl von Abänderungen mitmachen müssen, – „manchmal ist es doch ein Vorteil, wenn man sich ein wenig verspätet“. Dass die EU-Kommission, die Luxemburg wegen dieser Verspätung und insbesondere aufgrund des fehlenden Eigentümeregisters vergangenen November vor dem Europäischen Gerichtshof – keine 500 Meter Luftlinie entfernt – verklagte, bleibt unerwähnt.
Die Frage, welche Firmeneinheiten ins neue Register gehörten, müsse niemandem Kopfschmerzen oder Magengeschwüre bereiten, fährt er fort. Denn außer Geschäftsleuten, die ihre Tätigkeit im eigenen Namen durchführten, seien alle Einheiten betroffen, die beim Firmenregister eingetragen sind oder es in Zukunft werden. „Keine Panik“ ruft er ins Publikum, noch blieben einige Monate Vorbereitungszeit. Dann aber müssten alle Firmeneinheiten an ihrem Sitz einen internen Ordner mit den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer bereithalten, den die zuständigen Behörden – „klopf, klopf an die Tür“, vor Ort einsehen können müssen. Im Eiltempo – das fällt einem Anwalt, der gewohnt ist, ein Stundenhonorar zu verrechnen, nicht unbedingt leicht – versucht er, die Zuhörer durch die Bestimmungen zu peitschen. Wie schnell müssen Änderungen der Informa—tionen eingetragen werden? Binnen eines Monats. Wer muss überhaupt Einträge ins RBE machen? Die Firmen selbst. Oder damit beauftragte Personen, Agenten, die allerdings im Gesetz nicht weiter definiert sind. „Aber die gute Nachricht ist“, verkündet Meyer, „die ‚Agenten’ sind strafrechtlich nicht haftbar. Die heiße Kartoffel bleibt immer bei den Firmeneinheiten selbst.“ Wenn aber falsche Angaben gemacht werden, auffallen könnte das beispielsweise den nationalen Aufsichtsbehörden oder der Staatsanwaltschaft, seien „sehr harte Strafen“ vorgesehen. Aber, tröstet Meyer sein Publikum, nicht so streng wie in anderen EU-Ländern, wo bei Falschangaben Gefängnisstrafen drohen. „Sie müssen nicht nach Schrassig.“
Eine gewisse Anspannung breitet sich aus. Und die Konzentration in den Gesichtern der Zuhörer steigt, als der Experte beginnt, Fallbeispiele zur Ermittlung der wirtschaftlichen Eigentümer durchzugehen, denn da „sind die Linien sehr verschwommen“. Von der Luxemburger Firma aufwärtsermittelnd, wer darüber steht, zu wie viel Prozent, und möglicherweise wieder zurück auf die Management-Ebene geht es hoch und runter, nach links und rechts auf der Suche, nach dem oder derjenigen, der natürlichen Person, die die tatsächliche Kontrolle über eine Firma ausübt. Dabei gestikuliert Meyer wie ein Flugbegleiter, der bei der Sicherheitsdurchsage zeigt, wo die Notausgänge sind. Was zum Beispiel, wenn eine Firma an der Börse gehandelt wird? Was wenn die Luxemburger Firma nur der Unterbau eines internationalen Firmengeflechts ist? Was wenn kein einziger Aktionär mindestens 25 Prozent einer Einheit kontrolliert? Die Oberkörper beugen sich angestrengt nach vorn, es werden immer intensiver Notizen genommen. Wie den richtigen Eigentümer identifizieren? „Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.“
Yves Gonner, Direktor des Geschäftsregister Luxembourg Business Register, der Plattform, die das Firmenregister, das offizielle Journal und demnächst auch das RBE betreibt, übernimmt. Via Projektor blendet er erst einmal ein ganzes Lexikon von Abkürzungen ein, damit man seinen Ausführungen in vier Etappen folgen kann. Die Ansagen sind klar – und auch wieder nicht: „Ich bin in der glücklichen Position, dass ich nicht herausfinden muss, wer der wirtschaftliche Eigentümer ist. Das ist Ihr Job.“ Gonner will nur einen Namen, eine Adresse, eine Luxemburger Sozialversicherungsnummer, falls es sie gibt, ansonsten eine ausländische Pass- oder Ausweisnummer und eine Kopie des Dokuments. Auf der Powerpoint-Präsentation erscheint die Benutzeroberfläche des Portals auf dem die Informationen elektronisch eingetragen werden. Gonner führt durch die Knöpfe, anhand derer die Unterlagen hochgeladen werden können. „Wenn Sie darauf drücken, geht dieses Feld auf,..“ – für mehr internationale Steuergerechtigkeit, klicken Sie hier. Er erklärt, dass die Ausgangsbasis für die Suche im Register immer die Firma, nie der Name einer natürlichen Person ist, also niemand das Register, zu dem die Öffentlichkeit Zugang hat, einfach abfragen kann, wer wo als wirtschaftlicher Eigentümer eingetragen ist. Eine Suche im elektronischen Register wird fünf Euro kosten. „Der Prozess ist ziemlich einfach und sollte nicht für Probleme sorgen.“ Der Saal antwortet mit verhaltenem Gelächter. Ab dem 1. September wird das Register online verfügbar sein, wird erklärt. Dass eine Verbindung der verschiedenen europäischen Register bereits in Planung ist, es also nicht allzu lange dauern wird, bis auch die ausländische Öffentlichkeit Zugang zu den Informationen erhält.
Die Zuhörer dürfen Fragen stellen. Was wenn der Eigentümer ein Staat ist, der also keinen privaten wirtschaftlichen Nutzen hat? Sind dann die Namen von Regierungsmitgliedern einzutragen? Oder die des Managements. Der Anwalt berät, so gut er kann, gibt aber keine Garantie, dass seine Antwort sich mit der der Behörden decken wird. Was wenn es sich um Gemeinden handelt oder Associations de fait? Gonner klärt auf: Sie sind nicht im Firmenregister eingetragen, also nicht vom Gesetz betroffen. Öffentliche Einrichtungen hingegen schon. Eine technische Diskussion um die Behandlung von Dachfonds mit Unterkompartimenten entsteht. Eine weitere darum, wie die Ausnahmebestimmungen ausgelegt werden, die im Gesetz vorsehen, dass im Falle disproportional hoher Risiken von Betrug, Freiheitsberaubung und Erpressung nur den Aufsichtsbehörden, nicht aber der breiten Öffentlichkeit alle Informationen zugänglich sind. „Wir werden das restriktiv auslegen“, sagt Gonner. Es wird nicht reichen, zu sagen, dass jemand viel Geld auf dem Konto hat, oder Bill Gates heißt.“ Aber ob dies unterschiedliche Risiken sind, will eine Teilnehmerin wissen. Sie liest die entsprechende Passage aus dem Gesetz vor. Niemand versteht die Frage. Quer durch den Saal fangen viele an in ihrer Kopie des Gesetzestextes zu blättern. Sie versuchen zu prüfen, an welcher Stelle im Satz das Komma steht, um nachzuvollziehen, ob das disproportionale Risiko, in den Augen des Gesetzgebers ein vom Betrugs-, vom Freiheitsberaubungs- und Erpressungsrisiko separates Risiko ist, oder ob trotz unglücklicher Kommastellung doch ein disproportional hohes Risiko des Betrugs, der Erpressung oder der Freiheitsberaubung gemeint ist.
Ob die Domizilierungsgesellschaften verpflichtet seien, im Register Änderungen einzutragen, die bei ihnen angesiedelte Firmen betreffen. Das hänge wohl vom Inhalt des Domizilierungsvertrags ab, meint der Jurist, ob der Vertrag Updates von Firmenunterlagen vorsehe. Aber strafrechtlich haftbar seien die Domizilierungsgesellschaften nicht. Müssen die Eigentümer laut Datenschutzverordnung informiert werden, bevor die Informationen ins Register eingetragen werden? Beim Stichwort GDPR geht spürbar Unbehagen durch den Saal. Meyer schlägt mit demonstrativer Verzweiflung die Hand vors Gesicht. Da es sich um eine gesetzlich verankerte Mitteilungverpflichtung handele: Nein – so zumindest interpretieren das seine Kollegen, die sich auf Datenschutz spezialisiert haben. Jemand will wissen, wie es um die extraterritoriale Wirkung des Gesetzes steht. Eine solche gibt es indirekt, meint Meyer da wohl niemand gerne mit der Hand in der Keksdose ertappt werden möchte, falls Informationen falsch seien. Und wer sich dem Luxemburger Register entziehen wollte – soll heißen, seine Firma anderswo ansiedeln möchte –, müsse schon sehr weit weg von Europa sein, weil die Strafen in anderen EU-Ländern weitaus höher seien. „Vergessen Sie nicht, dass hier in Luxemburg die Luxemburger Firma verantwortlich ist und sich dem erheblichen Risiko eines Reputationsschadens aussetzt.“ Aber wie eine solche extraterritoriale Wirkung durchgesetzt werden könne, davon habe er „keinen Schimmer“. „Wir haben keine Macht, die Angaben zu kontrollieren. Wir werden nicht nachgraben, um ihre Probleme zu finden. Das ist Aufgabe der Aufsichtsbehörden“, sagt Gonner abschließend. Dann ziehen sich die Konferenzteilnehmer zu Getränken und Kartoffelchips ins Foyer zurück.