Wie wohnen die Leute in Luxemburg – vor zwei Wochen veröffentlichte das Statistik-institut Statec dazu einen ersten Bericht, der auf Daten der Volkszählung von 2011 basiert. 208 565 Haushalte wohnten damals in insgesamt 130 091 Wohngebäuden, war dem Bericht zu entnehmen. Aber auch dies: Nur 11,5 Prozent dieser Gebäude wurden zwischen 2001 und 2010 gebaut. Der Rest ist älter. Da deutet sich an, wie viel Energie im Luxemburger Wohngebäudepark vermutlich noch zum Heizen verschwendet wird.
Denn selbst die knapp 15 000 ab 2001 gebauten Häuser können im Grunde bestenfalls der Wärmeschutzklasse D entsprechen. Trat doch erst Anfang 2008 eine neue Wärmeschutzverordnung in Kraft, die diese Klasse als Minimum vorschrieb. Falls jedoch, was sehr wahrscheinlich ist, das Gros aus dieser Kategorie nur der Klasse E gerecht wird, würde es sich dabei um so genannte Zehnliter-Häuser handeln. In solchen werden zum Heizen pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr zehn Liter Heizöl-Äquivalent gebraucht. Was bei einem Einfamilienhaus jährliche Heizkosten von um die 1 900 Euro nach sich zieht.
Das ist schon ziemlich viel Geld. Doch: Der allergrößte Teil der Wohngebäude im Lande schneidet noch schlechter ab. Zum Zeitpunkt der Volkszählung waren 42 Prozent der Häuser (rund 55 000 Stück) vom Baujahr 1960 oder älter. Sie dürften größtenteils der schlechtesten Energieklasse – der Kategorie I – angehören. Die ab 1960 und bis zur Jahrtausendwende gebauten Häuser machen die noch verbleibenden 46 Prozent im Gebäudepark aus. In der Statistik belegen sie jahrzehnteweise Tranchen, die jeweils neun bis zwölf Prozent des Bestands entsprechen. Erfahrungsgemäß sind in jeder Zehnjahres-Tranche älterer Baujahre die Häuser um eine Energieklasse schlechter als die in der Tranche des Jahrzehnts danach. Der Wärmebedarf ist dann um 20 bis 25 Prozent höher. In der Klasse G zum Beispiel, die auf Häuser zutrifft, die in den Siebzigerjahren neu gebaut worden waren, liegt der Wärmebedarf um rund 50 Prozent über dem der Zehnliter-Klasse E. Auf die Heizkosten trifft dasselbe zu.
Dagegen kommt ein Niedrigenergiehaus der Klasse B pro Jahr mit ungefähr drei LiternHeizöl-Äquivalent je Quadratmeter Wohnfläche aus und ein Passivhaus der Klasse A sogar mit nur einem Liter. Bedenkt man, dass, wie die Energieberater von MyEnergy schreiben, eine energetische Komplettsanierung eines Wohnhauses dessen Heizwärmebedarf um 50 bis 70 Prozent zu senken vermag, dann lässt sich durch Wärmeisolation und eine neue Heizung offenbar eine Menge Energie und auf längere Sicht auch viel Geld sparen. Zumal beim Altersstand des Wohngebäudeparks eine ganze Menge zu tun bleibt.
Doch ob Altbausanierungen tatsächlich im großen Stil gewollt sind, ist so klar nicht. Zwar wurde letztes Jahr die Verordnung überarbeitet, die nicht nur die staatliche Bezuschussung von Niedrigenergie- und Passivneubauten regelt, sondern auch die Subventionierung energetischer Altbausanierungen sowie die Beihilfen zu Investitionen in Solarenergieanlagen, Holzheizungen oder Wärmepumpen. Der neue Text trat auch pünktlich zum Neujahrstag 2013 in Kraft.
Als der delegierte Nachhaltigkeitsminister Marco Schank (CSV) im September die Bilanz des bis dahin geltenden Förderregimes zog, das seit 2008 galt, fiel jedoch auf: Ganz offensichtlich bevorzugen die meisten eine Energie-Investition, deren Auswirkung sich unmittelbar am Energiezähler ablesen und in Geldwerten ausdrücken lässt. Von den 37 Millionen Euro, die aus der Staatskasse zwischen 2008 und dem Sommer 2012 als Beihilfen für insgesamt 9 400 Projekte genehmigt worden waren, flossen 30,5 Millionen als Investzuschuss in die Anschaffung von Geräten: Davon kamen 12,6 Millionen Euro 875 Solarstromanlagen zugute; mit 12,5 Millionen Euro wurden 3 400 thermische Solaranlagen bezuschusst und 780 neue, holzgefeuerte Heizungen mit insgesamt drei Millionen, um nur die wichtigsten Posten zu nennen. Dagegen wurden nur 2,2 Millionen Euro für 234 Niedrigenergie- und 33 Passivneubauten abgerufen und 4,2 Millionen Euro für 1 100 Altbausanierungen. Und unter diesen befanden sich lediglich 30 Komplettsanierungen, mit denen von der Fassade bis zu neuen Fenstern an einem Gebäude verbessert wurde, was sich verbessern ließ. Verglichen mit den 115 000 Gebäuden, die 2011 in ihrem Wärmebedarf auf jeden Fall Zehnliter-Häuser oder noch schlechter waren, ist das beinah irrelevant.
Ob das daran liegt, dass die Beihilfen nicht hoch genug sind? Wahrscheinlich nicht; bei Vergleichen mit dem Ausland in den vergangenen Jahren schnitt das Luxemburger System stets gut ab. Ob die Energiepreise noch nicht hoch genug sind, um zur Sanierung anzureizen? Das könnte sein angesichts der Niedrigsteuerpolitik auf Energieprodukten jeglicher Art.
Wahrscheinlich aber ist, dass das aktuelle System diejenigen nicht gut erreicht, die eine energetisiche Sanierung ihres Wohnraums aus Kostengründen eigentlich am nötigsten hätten: Hausbesitzer-Haushalte mit kleinem Einkommen. Das hatte auch die Regierung höchst offiziell erkannt und der Premier stellte 2011 in seiner Erklärung zur Lage der Nation ein ganzes Paket zur „Ökologisierung“ der Wohnungsbaubeihilfen in Aussicht. Ganz abgesehen von den Zuschüssen zu Energieeffizienzmaßnahmen sollten der „billige Akt“ für die Eintragung von Neuerwerb zur Hälfte an Energieeffizienzkriterien gebunden werden; die Mehrwertsteuer für Sanierungsarbeiten sollte bis zu einem bestimmten Anteil auf den superreduzierten Satz von drei Prozent gesenkt, die steuerliche Abschreibung von Sanierungsmaßnahmen sollte verbessert werden. Doch der Paket-Gesetzentwurf, den der Finanzminister im Herbst 2011 geschnürt hatte, stieß auf so viel Kritik des Staatsrates, der „mangelnde ökologische Kriterien“, aber auch „fehlende soziale Kriterien“ monierte, dass der Text seitdem im Parlament auf Eis liegt.
Was den Wärmebedarf der Gebäude und die Heizkosten angeht, fällt auch auf, dass zwar immer wieder erklärt wurde, der Gebäudebereich trage an die 30 Prozent zum CO2-Aufkommen im Lande bei und zu dessen Senkung werde das bestehende Beihilfenregime einen „substanziellen“ Anteil leisten, wie Minister Schank im September versprach. Noch keine Regierung aber hat bisher, zum Beispiel im Rahmen einer Kampagne, klar gemacht, wann sich welche Sanierung konkret bezahlt macht. In der Öffentlichkeit besteht dazu ein eklatanter Informationsmangel. Und noch niemand hat erklärt, wie viele Kilowattstunden Heizenergie bis wann eingespart werden sollen. Sogar Frankreich, lange Zeit kein Öko-Vorbild, ist da weiter und hielt 2008 mit dem Gesetz über den Grenelle de l’environnement fest, den Energieverbrauch im Wohn- und Bürogebäudebereich bis 2020 um 38 Prozent zurückfahren zu wollen.
In Luxemburg dagegen scheint derzeit statt einer Bereitschaft, eine energetische Altbau-Sanierung in der Breite anzuschieben, Sparwillen bei den Wohnungsbeihilfen generell zu dominieren. Nicht nur bei Zinssubvention und Zinsbonifikation, wie nach der Kabinettsitzung letzte Woche bekannt wurde. Kurz vor Jahresende 2012 änderte die Regierung die großherzogliche Verordnung über den superreduzierten Mehrwertsteuersatz, der für allgemeine Sanierungsarbeiten seit 2002 schon gilt, auf die Schnelle so ab, dass der maximale Rückzahlungsbetrag aus der TVA zum 1. Januar von zuvor 60 000 Euro auf 50 000 Euro sank. Dabei hatte die Regierung dieses Limit 2011 noch auf 65 000 Euro anheben wollen. Vor allem, um Energie-Effizienzmaßnahmen zu unterstützen. Aber für die wurde damals auch noch die Einführung zinsloser Kredite versprochen, die der Staat bezuschusst hätte. Davon redet heute niemand mehr.