Es handle sich um einen „Durchbruch“ in der Krebsprävention, erklärte Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo, als er am Dienstag das Impfprogramm gegen den Human-Papilloma-Virus (HPV) vorstellte, welcher Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Alle 12- bis 18-jährigen Mädchen können sich ab morgen kostenlos impfen lassen, alle 12- bis 13-Jährigen werden schriftlich dazu eingeladen. Denn die Impfung wird sinnvoll vor dem ersten Sex verabreicht. Später bleibt zur Prävention, einen Gebärmutterabstrich auf Krebs-Vorstufen testen zu lassen. Gynäkologen nehmen solche Abstriche regelmäßig vor. Kondome zu benutzen, hilft ebenfalls, sogar Geimpften. Das überrascht nicht: die Impfstoffe bieten nicht gegen alle der rund zwölf potenziell Krebs auslösenden HP-Viren Schutz, so viel ist schon klar. Es bleibt ein Restrisiko von 30 Prozent.
Aus diesem Grund markiert die Impfung weniger einen Durchbruch, als sie die Frage nach der Rationalität der öffentlichen Gesundheitsversorgung stellt. Jährlich erkranken hierzulande im Schnitt 20 Frauen neu an Gebärmutterhalskrebs, in den letzten drei Jahren starben ein bis vier Frauen daran. Anfang der Siebzigerjahre waren es 15 bis 20 gewesen. Laut Gesundheitsdirektion ist der Rückgang zurückzuführen auf das vorbeugende Screening: In der Regel vergehen Jahre, ehe sich aus einer HP-Infektion ein Krebs entwickeln könnte; die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei 0,09 Promille. Wird ein sich ausbildender Krebs rechtzeitig entdeckt, ist er vollständig heilbar. Und ein Screening alle drei Jahre genügt.
385 Euro pro Person kostet die Impfung – „schrecklich viel“, so der Minister. Das stimmt: Einen Mädchenjahrgang von rund 2 000 Personen zu impfen, wird 770 000 Euro kosten. Bei einer hundertprozentigen Durchimpfung, die ziemlich illusorisch ist, und einer Treffsicherheit des Impfstoffs von 70 Prozent, betrügen die Kosten pro verhüteter Neuerkrankung 38 500 Euro im Jahr, zwischen 275 000 und 1,1 Millionen Euro würde jeder verhütete Todesfall kosten. Impfte man alle 12- bis 18-Jährigen auf einmal, würde das mit sechs Millionen Euro doppelt so teuer wie alle derzeitigen Impfungen gegen Kinderkrankheiten in einem Jahr.
Das Problem dabei ist nicht allein der Preis. Vielleicht sollte ein wohlhabendes Gemeinwesen wie das unsrige ihn bezahlen können. Aber das Screening wird nicht überflüssig, und diese bisher so erfolgreiche Einrichtung könnte geschwächt werden. Zur Impfung einzuladen, zum Screening zu raten und noch zur Kondombenutzung, ist eine ziemlich komplizierte Botschaft, und wohl besonders schwer denen zu übermitteln, die sie am nötigsten hätten: sozial Schwache. Und da Krebs eine multikausale Erkrankung ist, könnte in Präventionsmaßnahmen zugunsten einer gesünderen Lebenswelt sinnvoller investiert sein als in eine HPV-Impfung. Man sei sich der Problematik bewusst, sagte die Chefin der Gesundheitsdirektion am Dienstag, musste aber einräumen, dass niemand genau weiß, wie viele Frauen derzeit nicht am Screening teilnehmen. Und hier liegt ein Grundproblem: So lange das öffentliche Gesundheitswesen schon an seiner Datenbasis schwach ist, kann es schwerlich begründete Entscheidungen gegen die Reklamekampagnen von Pharmariesen, gegen die Lobbyarbeit mancher Ärzte, gegen die Nachfrage aus der Bevölkerung nach passivem Schutz treffen.